Das Hamburger Auktionshaus Stahl veranstaltet einen Schönheitswettbewerb in Holz und Bronze
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17.09.2018
Weil der jugendliche Hirte Paris „sich auf Liebessachen besonders gut verstehe“, sollte Merkur ihm die Göttinnen Venus, Juno und Minerva zuführen, damit er entscheiden könne, „welche unter diesen Göttinen die schönste sei“, ist bei Lukian zu lesen. „Aber vorher möcht ich doch wissen … ob sie sich nicht ausziehen sollten, damit die Untersuchung desto gründlicher ausfallen könnte“, meinte Paris. Während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hat sich ein wohl süddeutscher Bildschnitzer an diese römische, recht freizügige Version des „Parisurteils“ gehalten: Auf kleinstem Raum zweier Buchsbaumplatten zeigt er den Höhepunkt des Mythos. Die Göttinnen haben sich ausgezogen! Paris hat sich für Venus entschieden; sie erhält den Preis, einen goldenen Apfel. Juno und Minerva wenden sich unmutig ab.
Der Künstler hat nicht nur das Handwerk des Reliefschnitzers im harten Buchs beherrscht, sondern auch Sinn für das Anekdotische bewiesen. Paris, Hirte mit Hund und Stab, hat nur Augen für Venus. Zu ihren Füßen greift Amor, ihr Söhnchen mit dem Köcher auf dem Rücken, in die Handlung ein, während Merkur, ausgestattet mit Flügelhelm und Caduceus, sich fliegend davonmacht. Juno wird von ihrem Symboltier, dem Pfau, begleitet; Minerva hat ihre Rüstung – Helm, Schild und Speer – zum Schönheitswettbewerb niedergelegt. Das reizvolle Werk soll am 22. September bei Stahl in Hamburg mindestens 3000 Euro einbringen.
Ferdinand Lepcke (1866 – 1909) folgte mit der 1890 modellierten Statuette „Eva mit der Schlange“ einem zu seiner Zeit einsetzenden, aber bald etablierten Trend. Er ließ den Personenkult des 19. Jahrhunderts hinter sich, konzentrierte sich vielmehr auf die den schönen Körper preisende Figur. In Bronze gegossen und mit dunkler Patina versehen wurde das auf 6800 Euro geschätzte und mit 73 Zentimetern recht hohe Exemplar jedoch erst um 1925 / 45, lange nach dem Tod des Künstlers. Der Stempel am Plinthenrand nennt KUNSTGUSS LAUCHHAMMER.
Ferdinand Lepcke hätte sich natürlich ganz einfach für eine „Stehende“ entscheiden können. Er aber bezog die Nacktheit seiner Schönen auf den biblischen Sündenfall. Ob der Künstler es darauf angelegt hat, oder ob er schlicht auf den erotischen Effekt aus war, muss unbeantwortet bleiben. Doch hat er offenbar einen Zeitpunkt nach dem Sündenfall gewählt. Die Schlange nämlich, die in der Bildtradition das erste Menschenpaar von einem Baum aus verführt hat, liegt am Boden. „Weil du solches getan hast, seist du verflucht … Auf deinem Bauche sollst du gehen …“ (Genesis 3,14); und Eva ist sich ihrer Nacktheit bewusst. Zwar fehlt ihr das Feigenblatt, was es seit frühchristlicher Kunst durchaus auch in der Skulptur gibt, aber sie verbirgt schamhaft ihre Brüste. Mit dem geneigten Kopf, der Haltung der Arme und Beine ergibt sich die schönlinige Frontansicht. Man kann sie jedoch der „Figura serpentinata“ zuordnen, da sie zur Rundansicht geradezu verlockt. Ihre klassischen Proportionen und die haptische Wirkung ihrer bronzenen „Haut“ betonen die sinnliche Anmutung. Solche Statuetten fanden zu Lebzeiten des Künstlers bevorzugt ihren Platz in eleganten Salons oder auch „paradiesischen“ Wintergärten.
Wie Ferdinand Lepcke war auch Fritz Klimsch (1870 – 1960) Berliner Akademie-Schüler von Fritz Schaper, der sich noch in der Nachfolge des großen Christian Daniel Rauch verstand. Schapers Hauptwerk ist das Goethe-Denkmal im Tiergarten. Auch Klimsch hat sich also motivisch weit von seinem Lehrmeister entfernt und insbesondere auf die weibliche Figur, bewegt oder statisch, gesetzt. Von großer Begabung zeugt seine – freilich locker bekleidete – „Tänzerin“ aus dem Jahr 1898, nach Peter Bloch „heute noch fast ein Markenzeichen des Berliner Jugendstils“ (in: Das Klassische Berlin). Diesem Programm blieb Klimsch grundsätzlich treu, wobei eine Anpassung an den Geschmack der Nationalsozialisten nicht zu übersehen ist. So griff Fritz Klimsch 1950 mit der braun patinierten Bronzefigur „Rastende“ auf das Thema des – von historischer oder narrativer Bedeutung freien – Körpers zurück, erfand aber eine neue, recht ungewöhnliche Pose. Schon mit den Maßen von 36 Zentimetern Höhe, 35 Zentimetern Breite und 29 Zentimetern Tiefe deutet sich an, dass der hockende Akt wie in einen imaginären Block eingeschrieben ist. In der Frontansicht, die einem Trapez gleicht, lässt sich der Typus einer eher athletischen Frauenfigur erkennen. Könnte sie sich aufrichten, würde sie dem Akt „In Wind und Sonne“ von 1936 gleichen. Der Künstler hatte offenbar das Ideal der Dreißigerjahre immer noch nicht ganz überwunden, was jedoch keinesfalls gegen den kühlen Reiz der „Rastenden“ mit dem schönen Kopf spricht. Ihrer linke Fußsohle zeigt die ligierte Signatur „FK“ und den Gießerstempel „H. NOACK BERLIN“ . Man kann eine hohe Auflage vermuten; genannt wird sie nicht. Der Aufruf beginnt bei 15 000 Euro.