Das Bauhaus feiert 100-jähriges Bestehen – und das Berliner Auktionshaus Grisebach bietet zum Jubiläum Ikonen aus dieser Zeit an
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20.05.2019
Fast fünf Kilogramm wiegt das Tee- und Kaffeeservice von Naum Slutsky. Der Meister am Bauhaus in Weimar entwarf es um 1927, Architekt Fritz Block hatte das gewichtige Set von drei Kannen und einem Tablett bei dem ukrainischen Goldschmied bestellt – und rettete es bei seiner Vertreibung 1938 durch die Nazis nach Los Angeles. Nun geben Blocks Erben das konstruktive Kleinod aus der Hand. Im Berliner Auktionshaus Grisebach kann man es ab dem 24. Mai besichtigen. Während der Frühjahrsauktionen wird es dann zum Schätzpreis von 180,000–240,000 Euro angeboten.
„bauhaus forever!“ nennt sich die Versteigerung zum 100. Geburtstag der wegweisenden Institution, zu der neben Slutsky die weit prominenteren Köpfe Walter Gropius, Lionel Feininger, Oskar Schlemmer oder Marianne Brandt zählten. Ihre Arbeiten sind Teil der Orangerie-Auktion, die Grisebach mit knapp 500 Losen bestreitet. Ein Spaziergang durch die Geschichte jener Objekte, in denen die Ästhetik des Funktionalen triumphiert und die vielfach bis heute formgebend sind. Vorbildhaft gestaltete Kataloge gehören ebenso dazu wie ein Plakat von Friede Dicker-Brandeis und Franz Singer zur Aufführung des „Kaufmanns von Venedig – die Truppe“ im Lustspielhaus Berlin. Die Schätzung der Lithografie von 1923 lautet auf 20,000–25,000 Euro. Dreidimensional wird der historische Bogen dank der originalen Bauhaus-Leuchte von Wilhelm Wagenfeld aus den Zwanzigerjahren (100,000–150,000 Euro), diversen Stahlrohrmöbeln von Marcel Breuer sowie zahlreiche Zeichnungen und Fotografien bis hin zu László Moholy-Nagys „Expressionist Composition“ von 1946, die für 120,000–150,000 Euro unter den Hammer kommt.
Echte Ikonen sind die Objekte von Wilhelm Wagenfeld – neben der Tischlampe ME1 seine nützlichen Utensilien „Jenaer Eierkoch“ oder das stapelbare Vorratsgeschirr „Kubus“, das als zehnteiliger Satz auf 5000–7000 Euro geschätzt ist. Zu den Wiederentdeckungen zählen ein Konvolut von Grafiken, Gemälden und die sogenannte pädagogische Puppenstube von Ludwig Hirschfeld-Mack (8000–10,000). Sie ermöglichte den Kindern spielerische Experimente mit der räumlichen Wirkung kalter und warmer Farben. Bemerkenswert ist auch das Originalfoto zum „Reflektorischen Farbenspiel“ von 1923 (25,000–30,000 Euro), das im berühmten Bauhaus-Buch 1927 publiziert, 1938 im MoMa in New York gezeigt und nun ebenfalls von der Familie eingeliefert wurde. Weitaus günstiger sind die Spielkästen ebenfalls aus den Zwanzigern von Alma Siedhoff-Buscher: Schlichte Würfel in verschiedenen Farben, die die kindliche Kreativität anregen sollten (4000–6000 Euro).
Beachtung finden jedoch auch die Vorläufer und Nachfolger der Bauhaus-Idee. Ein Visionär wie der Belgier Henry van de Velde ist mit seinem „Bloemenwerf-Stuhl“ (um 1894/95) vertreten: Ein ebenso floraler wie strenger Entwurf in Padouk-Holz, der in der Werkstatt des Architekten realisiert wurde und zwischen 12,000-15,000 Euro kosten soll. Kandinsky ist mit mehreren abstrakten Blättern vertreten oder der Franzose Pierre Giteau, der ab 1811 in Paris als Uhrmacher tätig war. Seine Skelettuhr (10,000–12,000 Euro), die aus einer Brandenburger Privatsammlung kommt, sieht aus wie eine tanzende Figur aus dem abstrakten Vokabular der Bauhaus-Jünger. Als habe Giteau 1820 vorausgeahnt, was hundert Jahre später state of the art wird…