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Felix Nussbaum: Widerstand durch Malerei

Die Biografie des jüdischen Malers Felix Nussbaum war von Flucht, Verfolgung und schließlich vom Lager bestimmt. Ein Blick auf die vergangene Dekade zeigt: Auf dem Kunstmarkt ist das schmale Angebot seiner Gemälde preisstabil

Von Michael Lassmann
29.07.2020

Stillleben, Landschaft, Figürliches – mit diesem Themenkreis stand Felix Nussbaum (Osnabrück 1904–1944 Auschwitz) in der neusachlichen Malerei im Deutschland der Zwanziger- und Dreißigerjahre gewiss nicht allein, und auch die Reihe seiner Selbstporträts korrespondierte auf den ersten Blick mit der obsessiven Aufmerksamkeit vieler Zeitgenossen für die eigene Person. Die schließlich von Exil, Verfolgung, Flucht und beständiger Angst vor Entdeckung bestimmte Biografie des jüdischen Malers lässt hingegen vermuten, dass sie nicht als regelmäßig aktualisierte Selbstverortung gedacht waren. Beispielhaft ist das an zwei Schlüsselwerken aus den Vierzigerjahren festzumachen: In dem 1943 im Brüsseler Exil entstandenen „Selbstbildnis mit Judenpass“ inszenierte er sich in bürgerlichem Habitus stellvertretend für alle Menschen jüdischen Glaubens, die im Nationalsozialismus entrechtet wurden. Seine von der belgischen Justiz verfügte Internierung in einem Gefangenenlager thematisierte er 1940 in seinem „Selbstporträt im Lager“, das die furchtbare Konsequenz des nationalsozialistischen Rassenwahns vorwegzunehmen schien.

Regelmäßig bediente sich Nussbaum auch fantastischer, karnevalesker Maskeraden zur Umschreibung seiner Isolation als gesellschaftlich Ausgegrenzter, doch je weiter sich seine prekäre Lage zuspitzte, desto entschiedener setzte er auf realistische Bildmittel. Es ist dieses narrative Moment, dem Nussbaums Werk seine Sonderstellung verdankt – es zieht sich bei ihm durch alle Gattungen und ist selbst in der distanzierten Objektbeschreibung seiner späten Stillleben-Arrangements gegenwärtig. In diesem Sinn sind seine Arbeiten unabhängig von Gegenstand und ästhetischem Anspruch gleichzeitig immer auch zeitkritische Sittenbilder.

Je weiter sich seine prekäre Lage zuspitzte, desto entschiedener setzte Nussbaum auf realistische Bildmittel

Zu einer ihm gewidmeten Ausstellung im Kulturgeschichtlichen Museum Osnabrück 1995 titelte der Katalog: „Verfemte Kunst. Exilkunst“. Widerstandskunst. Mit dieser Einordnung seines Schaffens wäre nach Kriegsende eigentlich seine umfassende Rehabilitierung zu erwarten gewesen. Frühe Bestrebungen seiner Heimatstadt Osnabrück verhallten in der Öffentlichkeit jedoch weitgehend ungehört – zum Teil wohl auch, weil bedeutende Teile seines künstlerischen Nachlasses lange verschollen blieben und erst nach und nach wiederentdeckt wurden. Seit 1998 beherbergt das Felix-Nussbaum-Haus von Daniel Libeskind im Museumsquartier Osnabrück mehr als 200 Werke des Künstlers.

Felix Nussbaum studierte ab 1922 zunächst an der Staatlichen Kunstgewerbeschule Hamburg, wechselte jedoch bereits ein Jahr später nach Berlin an die private Lewin-Funcke-Schule in die Klasse Willy Jaeckels, wo er seine spätere Frau Felka Platek kennenlernte. Nach einem weiteren Jahr setzte er seine Ausbildung an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst fort, wo er sein Studium als Meisterschüler Hans Meids 1930 abschloss. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich bereits als freier Maler etabliert und unterhielt mit Platek ein gemeinsames Atelier in der Xantener Straße in Charlottenburg. Im Herbst 1932 ermöglichte ihm die Deutsche Akademie einen Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom, die er nach einem handfesten Zwischenfall mit einem Kommilitonen allerdings vorzeitig verlassen musste.

1935 begann für Nussbaum und seine Lebensgefährtin die Zeit des Exils. Nach einem kurzen Umweg über Paris zogen beide zunächst ins belgische Ostende, siedelten im Herbst 1937 jedoch nach Brüssel über, wo sie noch im gleichen Jahr heirateten. Womit der Maler in dieser Zeit seinen Lebensunterhalt bestritt, ist nicht ganz klar. Erwähnt wird lediglich ein Illustrationsauftrag für zwei belgische Schulbücher. 1940 setzte der Einmarsch deutscher Truppen in Belgien seiner bürgerlichen Existenz ein Ende. Nussbaum wurde als „feindlicher Ausländer“ nach Saint Cyprien verbracht, von wo ihm jedoch die Flucht zurück nach Brüssel gelang. Dort lebte er unter wechselnden Adressen bis zu seiner Verhaftung im Juni 1944; wenige Wochen später wurde er mit seiner Frau nach Auschwitz deportiert.

Gezeichnet von den Spuren des Krieges

Der Umfang seines Œuvres ist nur bedingt einschätzbar. Allein rund 150 Arbeiten seines Frühwerks wurden 1932 bei einem Brand seines Berliner Ateliers vernichtet, später machte sein Exil Notverkäufe wie auch die Einlagerung seiner Bilder bei Bekannten unumgänglich, und nicht immer ließ sich ihr Verbleib lückenlos zurückverfolgen. So tauchte eine Auswahl später Gemälde erst 1975 bei einem belgischen Kunsthändler wieder auf, verschollen geglaubte Werke aus dem Besitz des Vaters wurden dem Kunstmarkt sogar erst 1990 zugeführt. Wenigstens haben wir heute über rund 340 Gemälde gesicherte Kenntnis; davon gelangte bisher ein Fünftel auf internationale Auktionen.

Nachdem Christie’s und Sotheby’s ihre Fundstücke während der Neunzigerjahre zunächst über ihre Filialen in den Niederlanden und Israel auf den Markt lanciert hatten, konzentrierten sich die Anbieter seit der Jahrtausendwende zunehmend auf den deutschen Markt, wo seit 2010 zwei Drittel der inzwischen auf 14 Lose geschrumpften Offerte verhandelt wurden. Diese verknappte sich nach 2013 nochmals dramatisch: Ganze drei Ölgemälde kamen seither zum Aufruf. Darum zeigten sich die Bieter nicht ungebührlich wählerisch, und so musste seit 2012 kein Rückgang mehr hingenommen werden.

Rare Gemälde aus dem Frühwerk werden generell bevorzugt

Preislich hat sich gegenüber der vorigen Dekade wenig verändert. Hammerpreise unter 20.000 Euro waren die Ausnahme, und auch die dünne Preisspitze mit sechsstelligen Werten blieb mit vier Zuschlägen konstant. Die Schallmauer von einer Viertelmillion konnte allerdings seit 2007 nicht mehr durchbrochen werden, was zuvor immerhin dreimal gelungen war. Allerdings sind solche Spitzenwerte abhängig von der Qualität des Angebots, und Hauptwerke wie das erwähnte „Selbstporträt im Lager“, das im Oktober 2000 bei Sotheby’s, London über eine Million Pfund erzielte, sind rar. Bevorzugte Datierungen aus den Exiljahren des Künstlers gab es immerhin genug, und an der Preisspitze waren sie überproportional vertreten. Ein surreal anmutendes „Komisches Konzert“, dessen Zweitfassung im Februar 2010 bei Christie’s, London, zum Aufruf kam, blieb allerdings überraschend bereits an der unteren Taxe stehen (Zuschlag 50.000 Pfund).

Genau das Dreifache veranschlagte Grisebach, Berlin, 15 Monate später für das schlanke Hochformat „Radrennsieger II“ von 1929 und fand für diesen Preis auch einen Bieter. Den Schätzpreis von 80.000 Euro für das Bildnis „Junge, rotblonde Frau in Schwarz mit Hut und Perlenkette“ konnte der Berliner Konkurrent Bassenge zwar nicht durchsetzen, erhielt mit 75.000 Euro jedoch ein immer noch akzeptables Höchstgebot. Kaum ein Anbieter pflegt die Preise für Nussbaums Werk so nachhaltig wie Grisebach, und so konnte dort im Mai 2013 auch das 1940 entstandene „Stillleben mit Astern und Birnen“ problemlos für die vorgeschlagenen 180.000 Euro vermittelt werden.

Stetig hohe Hammerpreise bei Grisebach – Preisrekord bei Sotheby’s

Trotzdem ging der Preisrekord des vergangenen Jahrzehnts ins Ausland. In London gelang es Sotheby’s, das in kühlen Blautönen gehaltene „Stillleben mit Schachteln“ von 1941 von geschätzten 70.000 auf 160.000 Pfund hochzuziehen – nach damaligem Kurs rund 210.000 Euro! In Frankreich wird Nussbaum dagegen so gut wie nicht gehandelt, doch im Oktober 2017 stellte Artcurial, Paris, eine 1928 datierte Ansicht aus „Bad Rothenfelde“ mit einer Taxe von 40.000 Euro vor, die zu diesem Preis unschwer einen Abnehmer fand. Aus dem gleichen Jahr stammt auch die Figurenkomposition „Der Netzflicker“, die im vergangenen November bei Grisebach, Berlin, versteigert wurde. Mit einem finalen Gebot von 50.000 Euro musste sie allerdings bereits 10.000 unter Taxe abgegeben werden.

Die Preise für Nussbaums ebenfalls bedeutendes zeichnerisches Werk scheinen demgegenüber noch nicht ausgereizt, was zum Teil wohl auch daran liegt, dass seit 2010 nicht mehr als sieben Blätter angeboten wurden und somit für eine verlässliche Preisfindung kaum Vergleichswerte zur Verfügung standen. Bei meist mutlosen Taxen gab es jedoch auch Überraschungserfolge: So verbesserte sich im Mai 2018 bei Lempertz, Köln, eine Gouache von 1934 mit einer Ansicht von „Rapallo“ gleich auf das Dreifache der Schätzung (Zuschlag 18.000 Euro).

Resümee

  • In den letzten zehn Jahren wurden nur 14 Gemälde angeboten, nach 2013 sogar nur drei; allein zwei Lose der schmalen Offerte blieben unverkäuflich.
  • Nach den Niederlanden und Israel konzentrierten sich Anbieter zunehmend auf den deutschen Markt, der mittlerweile zwei Drittel der Offerte aufnimmt.
  • Das Preisgefüge blieb stabil: Die Hälfte der Lose erzielte mehr als 50.000, ein Drittel mehr als 100.000 Euro; seit 2007 keine Viertelmillion erreicht.
  • Neben den sehr geschätzten Exilwerken drangen auch zwei neusachliche Stillleben aus den späten Zwanzigerjahren an die Preisspitze vor.

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Kunst und Auktionen Nr. 03 / 2020

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