Die Nachfrage nach Blumengemälden der österreichischen Impressionistin Olga Wisinger-Florian auf dem Kunstmarkt steigt. Doch Spitzenwerte wurden bislang nicht erzielt.
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23.09.2020
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 2
Die Blumen- und Landschaftsmalerin Olga Wisinger-Florian gehörte zu den wenigen Künstlerinnen ihrer Zeit, die die Entwicklung des Impressionismus in Österreich entscheidend beeinflussten. Zunächst noch stark vom Vorbild ihres wohl wichtigsten Lehrers Emil Jakob Schindler geprägt, emanzipierte sich Wisinger (Wien 1844 – 1926 Grafenegg) ab Mitte der Achtzigerjahre von dessen noch der Tonigkeit verpflichteten Stimmungsmalerei und fand schließlich zu einer von leuchtender Farbigkeit bestimmten Palette, die in Teilen Tendenzen der Expressionisten vorwegnahm. Ihre Vorliebe für Blumenmotive verband die Malerin mit der spontanen Auffassung der zeitgenössischen Pleinairisten und stellte somit ihr Lieblingssujet bevorzugt nicht in konventionellen Stillleben-Arrangements, sondern in den von ihr entscheidend geprägten „Blumen-Landschaften“ vor: intim gefasste Partien aus Parkanlagen, Schloss- oder Bauerngärten, ebenso wild wachsende Blumen in freier Landschaft. Ähnlich wie Oskar Moll wurde sie zunächst in der Nachfolge Schindlers und der Schule von Plankenberg gesehen.
Die Eigenständigkeit ihrer Malerei wie auch ihre für eine Frau in der damaligen Zeit außergewöhnliche Karriere haben diese marginalisierende Einschätzung rasch entkräftet, und obwohl sie bekanntermaßen nicht die erste Malerin war, die ihren Beruf konsequent und ohne Kompromisse verfolgte, wird sie gern auch als Vorreiterin der Emanzipation in Anspruch genommen.
Nachdem eine Handgelenks-Erkrankung ihre erhoffte Karriere als Konzertpianistin vereitelte, entschied sich die inzwischen mit einem Wiener Apotheker verheiratete Künstlerin für den Malerberuf. Da ihr als Frau außer einer kurzen Hospitanz der Besuch der Wiener Akademie jedoch verwehrt blieb, nahm sie zunächst Privatunterricht bei dem Landschaftsmaler Melchior Frisch und später bei August Schaeffer von Wienwald, bevor sie 1880 zu Emil Jakob Schindler und seinem Kreis stieß.
Für die Mittdreißigerin brachte erst Schindlers unkonventionelle Methodik die ersehnte Offenbarung: „… wie er malt, das ist reine Poesie“, schwärmte sie damals in ihrem Tagebuch. Ein wenig pointierter beschrieb ihr Mitschüler Oskar Moll seine Lehrzeit bei dem Meister, in der er „nicht Malen, sondern Sehen“ gelernt habe. Schindler pflegte zu seinen Schülern eine fast familiäre Beziehung, begleitete sie auf Exkursionen und verbrachte die Sommermonate mit ihnen in Lundenburg, Bad Goisern oder im italienischen Duino. Der Zwist über die Präsentation eines Bildes Olga Wisingers im Kunstverein führte 1885 allerdings zum Bruch mit dem verehrten Lehrer. Um als freie Malerin aus seinem Schatten herauszutreten, versuchte sie sich unter der Anleitung des serbischen Historienmalers Uroš Predić zunächst im figürlichen Genre zu profilieren, das zugunsten von Landschafts- und Stillleben-Motiven jedoch schon bald wieder zurücktrat.
Wisingers Blumenstücke folgten anfangs noch den tradierten Arrangements in Gefäßen oder als Gebinde, die wie beiläufig auf einem Tisch platziert waren; erst nach dem Erfolg der Komposition „Feldblumen am Wasser“ auf dem Pariser Salon 1887 ging sie dazu über, ihre Blumen verstärkt auch in Exterieurs zu inszenieren. Mit dem Hybrid der „Blumen-Landschaft“ schien die Abnabelung von Schindler vollzogen. Ein elfteiliger Monats-Bilderzyklus, der sie von 1890 bis 1893 beschäftigte und gemeinhin zu ihren Hauptwerken gezählt wird, geht konzeptionell aber noch auf den Lehrer zurück, von dem ähnliche Arbeiten bekannt sind. Das ambitionierte und öffentlich entsprechend bestaunte Projekt festigte Wisingers Reputation im Wiener Kunstbetrieb.
Zugleich war sie aber auch als Lehrerin gefragt: Da weibliche Lehrkräfte an der Akademie unvorstellbar waren, hatte sie eine private Malschule gegründet, die bevorzugt von den höheren Töchtern Wiens aus Adel und Großbürgertum besucht wurde – der Schicht also, aus der sich überwiegend auch ihr Kundenkreis rekrutierte. Daneben bereiste sie Italien, Südfrankreich, die Schweiz und Südosteuropa, und ihr Engagement als Delegierte für den Internationalen Friedenskongress führte sie bis in die USA. Jedoch hatte die Malerin zunehmend mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen; eine wohl durch einen Hirntumor bedingte Verschlechterung ihres Sehvermögens machte ihr seit 1913 die Ausübung ihres Berufs vollends unmöglich.
Trotz des unzeitigen Endes ihrer Karriere war sie hinreichend produktiv: Mit 120 Losen wurde die Signatur Olga Wisinger-Florians in den letzten zehn Jahren besser denn je auf dem Sekundärmarkt gehandelt – und die Nachfrage steigt: Statt wie zuvor 35 Prozent muss mittlerweile nur noch ein Viertel der Lose zurückgenommen werden. Mit dem verbesserten Absatz korrespondieren die steigenden Preise. Zwar blieb der Anteil der Zuschläge im vierstelligen Bereich unverändert, doch wuchs die Preisspitze mit Werten über 50.000 Euro auf annähernd 30 Prozent. In absoluten Zahlen liest sich das noch beeindruckender: Seit 2010 schafften immerhin 26 Lose den Sprung über diese Hürde, neun mehr als in der vorigen Dekade. Der Anteil von sechsstelligen Ergebnissen blieb mit einem halben Dutzend allerdings unverändert schmal, doch auch in diesem Bereich konnte die Schmerzgrenze der Käufer deutlich nach oben verschoben werden.
Ein Exportschlager sind die Bilder der Künstlerin trotz der positiven Zahlen indes immer noch nicht. Österreichische Häuser betreuen nahezu 90 Prozent der Lose und intensivierten ihre Akquise sogar: Allein seit 2017 gelangte knapp die Hälfte der Offerte auf den Markt. Der bisherige Rekordzuschlag liegt jedoch neun Jahre zurück. Im November 2010 kam Im Kinsky, Wien, mit dem Karton „Sommerabend, es ist die Zeit der Rosenpracht“ ein wichtiges Hauptwerk zum Aufruf. Bereits die Taxe von einer Viertelmillion verhieß einen Erd- rutsch, denn bis dahin waren auch Topzuschläge deutlich unter der Schwelle von 200.000 Euro geblieben. In diesem Fall aber hoben die Bieter das Bild auf 380.000 Euro. Die Bewertung solcher Ausnahmequalitäten verhallt meist ohne nachhaltige Signalwirkung, und so wurden erst seit 2013 wieder einige Resultate über 100.000 Euro notiert.
Entsprechend aussichtsreiche Lose sind nach wie vor überwiegend Im Kinsky zu finden. Dort hob man im Oktober 2016 eine Komposition mit leuchtend roten „Gloxinien im Glashaus“ von geschätzten 150.000 mühelos auf 190.000 Euro; die 1907 entstandene Landschaft „Der Fürstenweg in Raitz (Südmähren)“ konnte am gleichen Ort im darauffolgenden April mit einem Höchstgebot von 115.000 Euro die Taxe sogar mehr als verdoppeln. Seither, so scheint es, bieten Käufer wieder etwas bedächtiger, was möglicherweise mit der unerwartet breiten Auswahl der letzten Zeit zu erklären ist.
Angesichts einer Offerte von 40 Gemälden allein in den vergangenen 24 Monaten sah man wohl keinen Grund mehr, sechsstellige Summen zu investieren. So blieb die eigentlich attraktive Winterstimmung „Oktoberschnee, Motiv aus dem Garten von Schloss Hartenstein“ im Oktober 2018 im Wiener Dorotheum bei 75.000 Euro stehen – bei taxierten 60.000 Euro. Ebenso hoch wurde das Landschaftsmotiv „Landstraße in Sommerlicher Mittagssonne“ bewertet, das kurz zuvor in der gleichen Auktion immerhin auf 70.000 Euro hochgezogen werden konnte. Zuletzt waren sogar Ergebnisse über 50.000 Euro schwer zu realisieren. Lediglich eine Komposition von 1885 mit „Herbstfeldblumen“, die Im Kinsky im Oktober mit dem Schätzpreis von 40.000 Euro ausgelobt wurde, konnte diese Hürde überspringen und fand für 65.000 Euro einen Käufer.
Auf deutschen Auktionen tauchen Wisinger-Florians Gemälde bislang nur sporadisch auf, meist in Qualitäten, die man anderswo lieber gar nicht erst anfasst. Entsprechend geringe Erwartungen verknüpfte man im November 2016 bei Bolland & Marotz, Bremen, mit der 1905 datierten Stimmung „Café im Park“, deren Wert mit wenig zuversichtlichen 1500 Euro angegeben war. Die Resonanz im Saal war jedoch so stark, dass die Holztafel erst gegen ein finales Gebot von 44.000 Euro abgegeben werden konnte – damit gelang das mit Abstand beste deutsche Ergebnis!
Marianne-Hussl-Hörmann, Hans- Peter Wipplinger (Hrsg.): Olga Wisinger-Florian. Flower-Power der Moderne, Ausst. Kat., Köln 2019