Ganz im Sinne des Jugendstils strebte Koloman Moser die ästhetische Durchdringung aller Lebensbereiche an. Auf dem Kunstmarkt wird der österreichische Maler, Zeichner, Grafiker und Designer heute weltweit gehandelt, aber nicht in allen Segmenten seines Schaffens gleich hoch
Von
26.10.2020
/
Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 15
Als „Tausendkünstler“ hat man ihn bezeichnet, und tatsächlich beschäftigte sich der Wiener Maler, Zeichner, Grafiker und Designer Koloman Moser (1868 – 1918 Wien) mit allem, was der Form bedurfte: Möbel, Lampen, Textilien, Glas, Schmuck, Buch- und Zeitschriftenillustrationen, Briefpapier, Plakate, Kunst am Bau, Kostüm- und Bühnenbild. Als einer der bedeutendsten Vertreter des Jugendstils strebte er die ästhetische Durchdringung aller Lebensbereiche an und engagierte sich früh im Kunstleben Wiens; zunächst als Mitgründer des „Siebener Clubs“ und wenige Jahre später der „Wiener Secession“, ferner als Leiter der Klasse für „Dekoratives Zeichnen und Malen“ an der Gewerbeschule, und seit 1903 schließlich als Kopf und Motor der „Wiener Werkstätte“, der den überbordenden Dekorations-Orgien des Historismus klares und funktionales Design entgegenzustellen suchte.
Als der Arbeitsdruck für den Gestalter, Organisator und Netzwerker schließlich zu viel wurde, zog er sich aus den „Niederungen“ der angewandten Kunst zurück und konzentrierte sich ab 1907 wieder zunehmend auf die Malerei, die für ihn zuvor nur ein Betätigungsfeld unter vielen gewesen war. So bahnbrechend seine Arbeit als Grafiker und Entwurfszeichner gewesen war, so erwies er sich mit seinen Blumen-Motiven, Landschaften und symbolistisch überhöhten Figurenstücken letztlich als Kind seiner Zeit. Die zunehmende Orientierung an Ferdinand Hodler ab 1913 führte den an Goethes Farbenlehre geschulten Koloristen zu rigoros reduzierter Palette, flächenbetonter Organisation des Bildraums, ordnender Symmetrie der Komposition, leider auch zur pathetischen Gestik einer letztlich zeittypischen Gedankenmalerei. Trotz aller Vorbehalte konzidierte Oswald Oberhuber in einem Katalog-Beitrag zur Moser-Ausstellung 1979, dass er „immerhin ansatzweise seinen Weg in die Malerei gefunden hat“.
Heute wird Koloman Moser weltweit gehandelt, wobei nicht alle Aspekte seines Schaffens überall gleich hoch im Kurs stehen. Während seine Design-Objekte sowie seine Druckgrafik und Plakatentwürfe auch auf dem internationalen Markt begehrt sind, stößt sein malerisches Werk außerhalb Österreichs nur auf begrenztes Interesse. Hat man sich den Markt untereinander aufgeteilt? Jedenfalls pflegt London, wo bis 2008 immerhin jedes dritte Gemälde verhandelt wurde, dieses Segment trotz mehrerer sechsstelliger Ergebnisse in den Nullerjahren gar nicht mehr, sodass derzeit österreichische Häuser mit rund 75 Prozent aller Lose diesen Markt beherrschen, gefolgt von deutschen Anbietern, die ihren Anteil seit 2013 auf 20 Prozent ausbauen konnten. Sonderlich umfangreich war die Offerte an Ölbildern mit 34 Losen im letzten Jahrzehnt allerdings nicht, doch dafür lag die Quote der vermittelten Lose mit über 80 Prozent im Vergleich zu anderen Segmenten überdurchschnittlich hoch.
Damit blieb das Verhältnis von Angebot und Nachfrage gegenüber der vorigen Dekade stabil. Zuschläge unter 10.000 Euro werden zunehmend rar, doch gab es bei den höheren Preisgruppen keine nennenswerten Verschiebungen; eine Verteuerung ist vor allem bei Top-Losen zu beobachten. Zwar liegt der Anteil der Transaktionen mit Zuschlägen über 100.000 Euro unverändert bei einem Fünftel, doch wurden seit 2017 zwei Werte notiert, die das bisherige Preisniveau deutlich übertrafen. Da sich Moser verstärkt erst in den letzten zehn Jahren seines Schaffens der Malerei widmete, gibt es für eine eindeutige Präferenz bestimmter Datierungen wenig Spielraum. Darum erzielen die Kompositionen im monumentalen Stil Hodlers ebenso Spitzennotierungen wie die meist etwas früher anzusetzenden Blumenmotive.
Wer Arbeiten in entsprechender Qualität anzubieten hat, lanciert sie vernünftigerweise über Wien auf den Markt, da dort immer noch die besten Preise winken. So erzielte ein quadratisches Format mit „Blumen vor Gartenzaun“ von 1909 bei Sotheby’s, London, im Mai 2013 lediglich 60.000 Pfund und kam damit über die untere Taxe nicht hinaus. Da war ohne Zweifel mehr drin, und als das Bild im November 2015 im Kinsky, Wien, erneut versteigert wurde, setzte man seinen Wert vorsorglich gleich mit 100.000 Euro an und konnte diese Taxe auch durchsetzen.
Der neue Besitzer mochte sich mit diesem Wertzuwachs aber offenbar noch nicht zufriedengeben, und ließ es nach einer angemessenen Frist von zwei Jahren auf einen weiteren Marktgang ankommen. Nun mit dem Versuch, nochmals um 20 Prozent nachzubessern. Doch diesmal zogen die Bieter nicht mit und bestätigten lediglich den bereits 2015 ermittelten Wert. Nach dem unerwarteten Rekordergebnis für ein Stillleben mit „Schwertlilien“, das das Haus nur wenige Monate zuvor von einer geschätzten Viertelmillion auf nahezu das Doppelte, nämlich 480.000 Euro hatte hochziehen können, bedeutete diese Zurechtweisung einen ernüchternden Dämpfer.
Der kleine Schnitzer war auch bereits vergessen, als die Wiener im vergangenen Mai die bereits erkennbar von Hodler beeinflusste Komposition „Feldeinsamkeit“ mit einem Schätzpreis von 250.000 Euro präsentierten: Der um 1913 entstandene, hoch über einem fernen Gebirgspanorama in eine dichte Wolkendecke gebettete männliche Akt stieß auf so großes Interesse, dass der Käufer bis zum Dreifachen der Taxe durchhalten musste, um sich den Zuschlag zu sichern – das bislang einzige Ergebnis über einer halben Million Euro und gewiss auch der gegebene Anlass, um endlich zu einer angemessenen Bewertung der bislang nur unzureichend gewürdigten „Blumen vor Gartenzaun“ zu finden!
Im Vergleich hatte der Wiener Konkurrent Dorotheum im vergangenen Jahrzehnt keine ganz so glückliche Hand bei der Akquise umworbener Spitzenqualitäten, doch immerhin verbesserte sich dort ein „Stillleben mit Früchten und Blättern“ im Mai 2010 von vorgeschlagenen 60.000 auf runde 100.000 Euro, auch ein auf 40.000 Euro taxiertes „Selbstbildnis“ von 1915 konnte gegen Jahresende erst für 95.000 Euro abgegeben werden.
In Deutschland gelangen vor allem bei Ketterer, München, einige durchaus vorzeigbare Ergebnisse: Im Juni 2018 schnitt mit einem finalen Gebot von 175.000 Euro ein „Blick auf die Rax von der Villa Markhof im Abendlicht“ deutlich besser ab als vorausgesehen (Taxe 80.000 Euro) – ein Kurs, der allerdings bereits 18 Monate darauf im Kinsky, Wien, wieder um 25.000 Euro nach unten korrigiert werden musste. Ende 2018 hoben die Münchner einen kleineren Karton mit der Figurenkomposition „Trauer und Hoffnung“ von 40.000 auf 95.000 Euro. Deutliche Abstriche machen musste hingegen Grisebach, Berlin, heuer im Juli bei der Porträtarbeit „Sitzende Dame im Korbstuhl“, die statt der erhofften 80.000 nur 65.000 Euro erzielte.
Unterbewertet bleiben im Vergleich Mosers Zeichnungen. Sie wechseln meist bereits für drei- und vierstellige Beträge den Besitzer. Unter den grafischen Arbeiten sind besonders die dekorativen Jugendstil-Plakate gefragt, für die es auch ein internationales Publikum gibt. Den höchsten Zuschlag in diesem Bereich erzielte das Ausstellungsplakat zur „Secession – V. Kunstausstellung“ 1899, das mit dem Hammerpreis von 24.000 Pfund bei Christie’s, London, im Juni 2016 nahezu die fünffache Taxe einspielte.
Bei den Möbeln erklärt sich das enorme Preisgefälle durch Ausführung und Stückzahlen, mit denen Mosers Entwürfe in Serie gingen. Entsprechend wählerisch gaben sich die Bieter, die rund 50 Prozent der Offerte zurückgehen ließen. Hochbezahlte Klassiker sind seine fast skulptural angelegten Arbeiten für den Korbmöbel-Fabrikanten Prag-Rudniker. So wurde im März 2019 bei Phillips, London, ein Armstuhl für 28.000 Pfund versteigert (Taxe 10.000 Pfund), ein „Highback Chair“ ging im Dezember bei Christie’s, New York, mit 22.000 Dollar 10.000 über Taxe weg. Für ein hochwertiges Objekt aus der Wiener Werkstätte berappen Sammler freilich ganz andere Preise: Im Februar 2016 bot Sotheby’s, London, einen eintürigen Schrank aus schlichtem Kiefernholz (Taxe 75.000 Dollar) mit einem Spiegeleinsatz aus reliefiertem Silberblech von Eugen Pflaumer an. Das Bietgefecht war erst bei 135.000 Dollar entschieden.
Maria Rennhofer: Koloman Moser Leben und Werk 1868 – 1918, Wien 2002