Direkte Auktion

Hilfe zur Selbsthilfe

Berlins Kunstschaffende helfen sich selbst: Die Direkte Auktion soll die durch die Krise gebeutelte Kunstszene unterstützen. Zum Aufruf kommen auch Werke namhafter Künstler wie Jorinde Voigt, Banksy oder Neo Rauch

Von Irmgard Berner
20.11.2020

„Art aber Fair“, das klingt nach Kampfansage. Und in gewisser Weise ist es das auch, was die „Direkte Auktion“ unter diesem Titel vorgibt. Denn die Krise liegt wie Mehltau über dem Kunstmarkt, und der Verkauf von Kunstwerken gestaltet sich, obwohl die Galerien die letzten noch offenen Kunstorte sind, derzeit schwierig. Mit einer ungewöhnlichen Form der Versteigerung soll Berlins gebeutelten Kunstschaffenden nun geholfen werden. Das haben sich Holm Friebe, Publizist und Geschäftsführer des Thinktanks Zentrale Intelligenz-Agentur, und seine Mitstreiter aus der Szene sowie der Auktionator Jeschke van Vliet auf ihre Fahnen geschrieben. „Kunst ist ja generell das, woran die Menschen sparen, wenn ihnen das Geld ausgeht“, sagt Friebe. Andererseits gebe es diejenigen mit dem nötigen Kleingeld und Interesse, jetzt Kunst zu kaufen. Um also den Künstlern und Künstlerinnen, die durch das Krisenförderungsraster der Politik fallen, „direkt“ etwas Geld in die prekären Kassen zu spülen, haben sie diese „Kunstmarkt-Graswurzelrevolte“ initiiert: die erste direkte Auktion für Bildende Kunst in der Stadt mit mehr als 400 Kunstwerken und Artefakten.

Direkte Auktion Ferdinand Kriwet
In seinen Poem Prints aus den 1970er Jahren bewegt sich Ferdinand Kriwet zwischen Text und Bild. Für das signierte Unikat von 1972 kann bei der Direkten Auktion ab 6000 Euro geboten werden. © Jeschke van Vliet Auctions, Berlin

Das Ganze hört sich wie Sozialismus mit kapitalistischen Methoden an, möchte man meinen, paradox, aber durchaus selbsterklärend und vielleicht sogar Schule machend. Denn das Besondere daran: Zwei Drittel der Nettoerlöse kommt direkt den beteiligten Kunstschaffenden und Einlieferern zugute. Zehn Prozent erhalten die 19 Kuratorinnen und Kuratoren. Der Rest geht in die Produktion. Außerdem wird ab einer bestimmten Summe der Vorgebote ein Soli-Pool geschaffen, aus dem alle teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler für ihr Mitwirken honoriert werden. Unabhängig vom Verkaufserfolg ihrer Kunstwerke.

Im Blick der Organisatoren liegt das Mittelfeld des Marktes: Kunstschaffende, die eigentlich mitten in einer guten Karriere steckten, gut verkauft haben und auf eigenen Beinen standen. Wegen der Corona-Pandemie jedoch leer ausgehen und sich womöglich nur noch für ALG II anstellen dürfen. Darin begründet liegt denn auch das Design des Logos: Das rote „A“ der Arbeitsagentur – um 90 Grad gedreht. „Wir versuchen da etwas dran zu drehen, indem wir etwas für die Künstler tun“, sagt Friebe.

Direkt heißt aber auch: Viele Arbeiten kommen direkt aus den Studios. Und so wird, was für eine Auktion eher unüblich ist, viel Primärware versteigert. Aber wie der Kunstmarkt nun mal funktioniert, braucht es auch die großen Namen. Werke von Banksy, Julian Schnabel, Baselitz, Neo Rauch, Christoph Schlingensief oder Jorinde Voigt ziehen das Portfolio hoch und richten zugleich einen Scheinwerfer auf die Berlin-basierten Kunstschaffenden und Lokalgrößen. Auf Arbeiten von DAG, Charlie Stein, Izzy Weissgerber, Moritz Frei etwa oder eine des  ehemaligen Betreibers der Paris Bar, Reinald Nohal, ein Modell, das er als Referenz zu Martin Kippenbergers weltumspannender U-Bahn gebaut hat (Limit 8.000 Euro/Taxe 12.000 Euro). Highlights sind auch zwei von Quentin Tarantino am Set seiner Filmklassiker „Pulp Fiction“ und „Django Unchained“ benutzte Filmskripte (je 500/700 Euro).

Der mit Fördermitteln des Senats entstandene Katalog erklärt jedes Stück einzeln. Den Online-Katalog findet man auf allen Social-Media-Kanälen, vorrangig auf Facebook, und das Auktionshaus Jeschke van Vliet hat eine eigene Webseite dafür eingerichtet. Parallel dazu gibt es Vorbesichtigungen an acht Orten, die man auch im Netz findet, etwa Kanya Kage, Blake & Vargas, Lage Egal im Prenzlauer Berg, da Galerien bekanntlich die einzigen Orte sind, wo die Kunst noch analog gezeigt werden kann. Gebote vor der Auktion sollten bis spätestens drei Stunden vor Beginn eingehen, per E-Mail, Brief, Telefon oder live. Die Auktion selbst findet in 19 Chaptern an drei Tagen, vom 26. bis 28. November, statt, online auf lot-tissimo, Invaluable und diversen anderen internationalen Auktionsplattformen. Zudem wird live und interaktiv auf Facebook und Youtube gestreamt. Es erfolgt übrigens keine Berechnung eines Aufgelds. Wenn das mal keine sinnvolle Aktion, pardon Auktion, ist!

Direkte Auktion XOOOOX Linda
„Linda“ (2017) ist Teil der Serie von Mädchenbildern des Berliner Sprayers und bildenden Künstlers XOOOOX. Die signierte Metall-Arbeit erhält bei Jeschke van Vliet einen Schätzpreis von 5000 Euro © Jeschke van Vliet Auctions, Berlin

Service

AUKTION

1. Direkte Auktion

Jeschke van Vliet Auctions Berlin
Lehrter Straße 57, Haus 1, 10557 Berlin

Donnerstag  26. November 2020 – Samstag 28. November 2020
Informationen zu den Vorbesichtigungen finden Sie hier.

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