Auf unserer Auktionen-Watchlist für diese Woche: Die Kunst der Visionäre – von einer schönen Tagträumerin bei Van Ham bis zu Amerikas erster Silbermedaille bei Nomos
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16.11.2020
Wie kein anderer beherrschte der polnische, in München ansässige Künstler Ladislaus von Czachórski den Zauber der Oberflächen: Mit Samt und Seide, duftiger Spitze, Blütenblättern und junger Mädchenhaut betört er die Betrachter seiner Gemälde – so auch auf dem Bildnis einer unbekannten Schönheit aus dem Jahr 1896, das Van Ham bei seiner Auktion mit Kunst vor 1900 am 19. November in Köln für 80.000 bis 120.000 Euro aufruft. Sie ist beim Sticken ins Träumen geraten und blickt uns gedankenverloren an. Ländlicher wirken die im selben Jahr gemalten „Zwei Venezianierinnen“ von Eugen von Blaas, die auf 130.000 bis 190.000 Euro geschätzt sind. Unter den alten Meistern ragt „David mit dem Haupt Goliaths“ von dem Caravaggisten Bartolomeo Manfredi heraus (Taxe 100.000 bis 120.000 Euro). Zu Van Hams „Classic Week“ zählt auch die Versteigerung von Uhren, Juwelen und Kunstgewerbe am 18. November.
Sie wirkte selbst wie eine ihrer Skulpturen: Vally Wieselthier (1895–1945) schuf neben Kaffeegarnituren, Lampen und Schalen expressive Keramikfiguren: Köpfe mit weißer Haut und roten Lippen, Blumen im kurz geschnittenen Haar und Hütchen drauf. Die emanzipierte österreichische Künstlerin ließ sich von Josef Hoffmann, Koloman Moser und Michael Powolny unterrichten – und war eine ihrer begabtesten Schülerinnen. Einen ihrer Keramikköpfe versteigert nun Quittenbaum im Rahmen seiner Auktionen mit Kunst des Jugendstils und des Art déco am 17./18. November in München. Die Arbeit aus dem Jahr 1928 ist auf 4000 bis 6000 Euro taxiert.
Den Triumph einer blutjungen Nation zeigt die erste amerikanische Medaille überhaupt, ein ganz besonderes, extrem seltenes Stück aus dem Jahr 1783. Ein Exemplar ist am 21. November bei Nomos in Zürich auf mindestens 100.000 Franken geschätzt. Kein geringerer als Benjamin Franklin gab die Silbermedaille in Auftrag. Er war damals Botschafter in Frankreich und bedankte sich für die französische Unterstützung im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Auf der Vorderseite ist die Personifikation der Freiheit mit flatterndem Haar dargestellt. Auf der Rückseite sieht man Herkules als Baby beim Erwürgen von zwei Schlangen – er symbolisiert die jungen Vereinigten Staaten – während Minerva ihn beschützt. Die Göttin steht für Frankreich, wie die Lilien auf ihrem Schild verraten, und wehrt die angreifende Löwin ab, Symbol für Britannien. Darüber der lateinische Spruch „Dem mutigen Kind halfen die Götter.“
Zum Jubiläum der 100. Auktion am 17. und 19. bis 21. November bei Mehlis in Plauen ist den hundert Toplosen ein eigener Sonderkatalog gewidmet. Dazu zählt auch das Ölgemälde „Nächtlicher Blick auf den Vesuv“ von Oswald Achenbach (1827–1905) – eine beeindruckende Aussicht aus einem Garten auf das Meer, in dem sich der Mondschein spiegelt. Das Gemälde ist auf 20.000 Euro limitiert. Aus einer Spazierstock-Sammlung ragt eine Fritzkrücke mit Monogramm besonders hervor (Limit 10.000 Euro). Möglicherweise stammt der um 1770 gefertigte Stock mit dem gravierten bekrönten Wappen des Königs von Preußen aus dem Besitz Friedrich des Großen.
Für schwache Nerven ist Kaupps Auktion am 20./21. November im badischen Sulzburg leider nichts. Denn einige der offerierten Lose kommen aus der „med art“-Sammlung von Klaus und Margot Hug, die moderne Kunst mit der Faszination für die Medizin verbindet. Offeriert wird etwa eine Arbeit von Helmut Newton, der die nackte Nadja Auermann mit Stahlschienen-Exoskelett und High Heels 1994 am Hafen von Monte Carlo fotografierte. „Nude in Black Gloves with Metal Leg Support by the Sea“, ein signierter Silbergelatineabzug von einem Meter Höhe, Exemplar 1 von 5, wird in Sulzburg bei 3500 Euro aufgerufen.