Oldtimer-Auktionen

Das Geschäft nimmt Fahrt auf

Klassische Fahrzeuge gelten als Geldanlage mit hohem Wertzuwachs. Seit Langem sind die Pariser Oldtimer-Auktionen im Februar ein wichtiger Jahresauftakt für den hochpreisigen Markt, dies gilt auch in Zeiten der Pandemie

Von Jürgen Pander und J. Emil Sennewald
18.01.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 1

Sexy, wie der Frauenfuß in Nylon und rotem Pumps das Gaspedal drückt, so sinnlich und entschieden, dass aus den Pedalen Prilblumen sprießen. „Axellération“ nannte die belgische Pop-Künstlerin Evelyne Axell, unter witziger Verwendung des französischen Begriffs für Beschleunigung, ihr 1965 erstelltes Gemälde. Die Künstlerin liebte schnelle Autos und Geschwindigkeit – 1972 starb sie im Crash. Dass Cornette de Saint-Cyr am 14. Dezember in Brüssel ihr 1968 angefertigtes Bild „La prisonnière“ als Los 10 von 70.000 auf 162.000 Euro heben konnte, ist vielleicht der großen Ausstellung „Les amazones du pop“ zu verdanken, die noch bis 28. März im Mamac in Nizza auch Axell zu Ehren kommen lässt.

Nichts treibt den Preis kräftiger als eine außergewöhnliche „Lebensgeschichte“ des begehrten Objekts

Wie in der Kunst, so erhöht auch in anderen Sparten des zweiten Markts der Ausstellungseffekt die Preisdynamik. Namentlich bei Automobilen, wo man auf Beschleunigung hofft: „Vor zwei Jahren beruhigte sich der zuvor extrem aufgeheizte Markt auf hohem Niveau. Im vergangenen Frühjahr kam es pandemiebedingt zur Vollbremsung, seit einigen Monaten jedoch nimmt das Geschäft wieder Fahrt auf“, sagt Marius Brune, Geschäftsleiter von Classic Data, der größten deutschen Auktionsdatenbank für klassische Fahrzeuge. Das vergangene Jahr endete sogar mit einem Rekord: Am 16. Dezember fiel bei Bonhams in London der Hammer für einen Mercury Cougar Convertible XR-7, Baujahr 1969, erst bei 356.500 Pfund (inklusive Aufgeld) – mehr als doppelt so viel als erwartet. No secret: Das in „Candy Apple Red“ lackierte US-Hardtop-Coupé ist mehrmals im James-Bond-Film „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ von 1969 zu sehen. Und nichts treibt den Preis eines Autos kräftiger, als eine außergewöhnliche „Lebensgeschichte“ des begehrten Objekts.

 

Ferrari 512 BBi Bonhams
Der Ferrari 512 BBi von 1987 steht für einen Trend hin zu extremen, noch relativ jungen Fahrzeugen. Bonhams erwartet für die Rarität mindestens 160.000 Euro. © Bonhams

Paris startet in dieser Hinsicht mit einigen spektakulären Gelegenheiten ins Auto-Auktions-Jahr 2021. Am 4. Februar eröffnet Bonhams das alljährliche, PS-starke Rennen, dicht gefolgt von Artcurial Automobil am 5. Februar mit der „Parisienne 2021“. Im Windschatten folgt dann eine Woche später Sotheby’s Kooperation mit dem britischen Haus RM für eine noch als live / online-Hybrid geplante Auktion am 13. Februar. Zweifellos ein Event im von der Pandemie durchgeschüttelten Paris. Womöglich trägt die anhaltende Schließung von Kunstausstellungen zu einer Rückkehr mancher Sammler bei, die es vom Automobil zur Kunst gezogen hatte: der Wertzuwachs rollenden Altmetalls ist immerhin nicht so unmittelbar an die Zugänglichkeit öffentlicher Einrichtungen gebunden.

Sicher ist: die „Rétromobile“, seit 1976 an der Porte de Versailles stets der erste Höhepunkt des Oldtimer-Jahres, ist vom traditionellen Februar auf 2. bis 6. Juni verschoben worden. Weshalb die Auktionshäuser, die sonst im Umfeld dieses klassischen Automobilsalons ihre Versteigerungen ansetzen, da nicht mitzogen, erklärt Anne-Laure Guérin, Pressesprecherin von Artcurial: „Die Februar-Auktionen bleiben trotz allem wichtiger Jahresauftakt, wir haben einige sehr schöne Lose, die wollten wir dem Publikum nicht vorenthalten. Natürlich sind wir der Rétromobile weiter eng verbunden: am 4. Juni veranstalten wir eine weitere Motorcars-Auktion, danach folgt direkt die Le Mans Classic am 3. Juli.“

Matra MS 670 Artcurial
Der Matra MS 670 gewann 1972 beim legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Artcurial hofft darauf, dass der Sieg als Preisturbo wirkt und es nicht bei den taxierten 4 Millionen Euro bleibt. © Philippe Louzon

Wie auch immer die Auto-Narren im Lockdown befriedigt werden, online oder nur auf Voranmeldung: Die Häuser lassen sich den Kickstart ins neue Jahrzehnt nicht nehmen. Dafür konnte Artcurial unter anderem Kraftwagen aus beachtlichen französischen Sammlungen gewinnen, etwa dem Privatmuseum Manoir de l’Automobile im bretonischen Lohéac. Museumsgründer Michel Hommell lieferte gleich sieben Rallye-Wagen der sogenannten Gruppe B ein, die jenem Reglement entsprachen, das zwischen 1982 und 1986 wahre Monster-Rennwagen gebar, die nur noch von wenigen Toppiloten wirklich beherrschbar waren. Darunter ein Audi Quattro S1 (Taxe 1 Million Euro) und ein Lancia 037 (Taxe 450.000 Euro). Beides Rennwagen, in denen auch der zweimalige Rallye-Weltmeister Walter Röhrl antrat, aufs Gas stieg und siegte.

Der Sieg beim legendärsten Autorennen der Welt soll als Preisturbo wirken

Die größten Hoffnungen auf ein Rekordergebnis hängen am seinerzeit modisch blaugrünen Matra MS 670 mit der Chassisnummer 001. Es ist der Rennwagen, mit dem Henri Pescaorlo und Graham Hill das 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1972 gewannen, als Schätzpreisspanne gibt Artcurial den Korridor von 4 bis 7,5 Millionen Euro an. Auch hier soll die Story – ein Sieg beim legendärsten Autorennen der Welt – als Preisturbo wirken. Bonhams kann bereits auf ein gutes Ergebnis mit einem legendären Rennwagen aus der Vorkriegszeit zurückblicken: der Invicta 4 1/2-Litre S-Type Low Chassis Sports von 1931. Ein Fahrzeug dieses Typs gewann damals, 1931, die Rallye Monte Carlo. Am 6. Februar vergangenen Jahres erreichte dieses Spezialmodell des englischen Herstellers während der „Grandes marques du monde“ im Grand Palais 1.610.000 Euro (mit Aufgeld). Ein Rekord im seinerzeit noch präpandemisch von Besuchern überlaufenen Grand Palais, inzwischen für die kommenden vier Jahre wegen Renovierung geschlossen. Bei der diesjährigen Auktion in Paris stehen allerdings jüngere Fabrikate im Fokus: darunter ein Aston Martin DB4 aus dem Baujahr 1960 (Schätzpreis 450.000 Euro) sowie ein Ferrari 512 BBi von 1987 (Schätzpreis 160.000 Euro).

Das Interesse an extremen Fahrzeugen wächst deutlich

Letzterer verweist auf einen weiteren Trend, der auf Automobil-Auktionen erkennbar wird: Das Interesse an extremen Fahrzeugen, die kaum 25 oder 35 Jahre alt sind wächst deutlich – und damit auch das Angebot solcher Jung-Raritäten. Unter den acht Land Rovers, die RM Sotheby’s aufruft, sind drei vom britischen Offroad-Renn-Spezialisten Bowler nach allen Regeln der Tuningkunst aufgemotzt. Einer der zehn Defender-Prototypen, die 2015 im Bond-Film „Spectre“ während eines Schneegestöbers in den österreichischen Alpen auf der Suche nach der perfekten Szene mit einem Flugzeug kollidierten, ging 2019 in Essen als zerbeultes Original für 115.000 Euro unter Schätzpreis weg. Jetzt setzt RM Sotheby’s auf einen exakten Nachbau des Filmwagens vor dem Stunt. Das straßentaugliche Gefährt soll mindestens 150.000 Euro bringen. Knorzige Allradautos auf der Auktionsbühne? Für den Classic-Data-Experten Brune keine Überraschung: „Die SUV-Welle auf den Straßen sorgt auch bei Auktionen für einen Run auf Geländewagen aller Art.“

Isdera Commendatore 112i RM Sotheby's
Der Supersportwagen Isdera Commendatore 112i von 1993 ist ein Unikat. RM Sotheby’s rechnet mit mindestens 400.000 Euro. © 2020 RM Sotheby’s, Rémi Dargegen

Toplos in Paris ist ein Unikat: der Isdera Commendatore 112i – eine Verneigung vor dem Ferrari- Gründer Enzo „il Commendatore“ Ferrari. Der Supersportwagen aus dem Jahr 1993 wurde erdacht, konstruiert und gebaut von dem deutschen Ingenieur Eberhard Schulz. Auf dem Dach ragt als Detail ein Rückspiegel im Stile eines Periskops heraus. Wobei der Blick zurück in diesem Einzelstück eigentlich eher überflüssig ist: das Auto ist bis zu 370 km/h schnell. Der Schweizer Albert Klöti kaufte damals den Neuwagen, später gab er das Modell für das Playstation-Spiel „Need for Speed II“ frei – und damit einer Fetisch-Karriere anheim. Mit weniger als 10.500 Kilometern auf dem Zähler und deutscher Straßenzulassung bringt der bei 400.000 Euro aufgerufene, blau ausgeschlagene Silber-Renner alles für einen neuen Rekord mit.

Artcurial hat unter seinen Toplosen eine Ikone, deren Anblick vermutlich schon Evelyne den Schweiß unter die Achseln trieb: der silberne Porsche 550 A Spyder mit Chassis-Nummer 0118 (Taxe 3,8 Millionen Euro). Der superleichte Gitterrohrrahmen (Gewicht 43 Kilogramm!), gepaart mit einem Vierzylinder-Boxermotor, ermöglichte dem Rennwagen zwischen 1957 und 1962 die erfolgreiche Teilnahme an Rennen des „Sports Car Club of America“ (SCCA). Neben den Triumphen im Rennsport nährt sich die Aura dieses Autos von der Tragik eines Hollywood-Idols der Fünfzigerjahre. Der US-Schauspieler James Dean kaufte sich einen solchen Porsche. Nur wenige Wochen später, am 30. September 1955, verunglückte er mit dem „Little Bastard“ genannten Auto in den Hügeln nördlich von Los Angeles. Er war auf dem Weg zu einem Rennen, an dem er teilnehmen wollte – der tödliche Unfall machte Dean unsterblich.

Porsche 550 A Spyder Artcurial
Der silberne Porsche 550 A Spyder von 1957 ist eine Rennsport-Ikone. Artcurial schätzt die Legende auf vier Rädern auf stolze 3,8 Millionen Euro. © Philippe Louzon

Service

AUKTIONSTERMINE

BONHAMS Paris, Auktion 4. Februar, www.bonhams.com

ARTCURIAL Paris, Auktion 5. Februar, www.artcurial.com

RM SOTHEBY’S Paris, Auktion 13. Februar, www.rmsothebys.com

Zur Startseite