Das Wiener Auktionshaus Ressler ruft österreichische Kunst der Moderne und Gegenwart auf – vom Local Hero Hans Staudacher über den umstrittenen Star Otto Muehl bis zu den Künstlerinnen der gestischen Abstraktion
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19.02.2021
Er gehörte zu den Local Heroes des österreichischen Kunstmarkts: Hans Staudacher, der Mitte Januar im Alter von 98 Jahren verstarb. Jenseits der Grenzen des Landes ist der Maler, der sich in Paris als Autodidakt der gestischen Abstraktion näherte, zwar wenig bekannt. Doch in österreichischen Sammlungen ist seine Kunst sehr präsent, von renommierten Kollektionen wie der des Baumarkt-Unternehmers Karlheinz Essl bis zu jenen von Gelegenheitskäufern und -käuferinnen. Dementsprechend groß war die Anteilnahme in heimischen Medien bei seinem Tod. Seinem informellen Stil blieb er zeitlebens treu. Wo auch immer er sich niederließ, begann er zu kritzeln, sobald etwas zur Hand war – egal, ob Serviette oder Postkarte. Dementsprechend hoch war seine Produktivität.
Wenn nun Otto Hans Ressler in seinem Auktionshaus, das sich auf österreichische Kunst der Moderne spezialisiert hat, die 16. Auktion abhält, so ist Staudacher der Künstler mit den meisten Losen: Insgesamt 13 Werke stammen aus seiner Hand, ihre Rufpreise – nur diese führt Ressler im Katalog an – liegen zwischen 1200 und 18.000 Euro. Das teuerste Los, „12 Ton Erfinder“, eine Collage, misst imposante 1,13 mal 2,75 Meter und vereint Kopien von Gemälden der Wiener Moderne, Zeitungssausschnitte und Textfragmente – typisch für Staudachers spontane Arbeitsweise.
Ebenfalls ein Verfechter der Geste ist der 1952 geborene Hubert Scheibl. In Zusammenhang mit Cy Twombly sprach er einmal davon, dass es einen Unterschied gebe „zwischen einem intelligenten Strich und einem langweiligen, vertrottelten“. Er selbst beeindruckt unter anderem mit feinlinearen, versponnenen Papierarbeiten wie dem großformatigen Blatt „Space track underground“ von 2007 / 08, das Ressler für 5000 Euro ausruft.
Aus derselben Generation wie Scheibl stammt Jakob Gasteiger. Mit großen, selbst gebastelten Kämmen aus Karton bearbeitet der Künstler die Malschicht; vertikale oder horizontale, manchmal auch geschwungene und gekurvte parallele Linien ergeben sich dadurch. Ein silbrig schimmerndes Werk wird nun für 9000 Euro ausgerufen.
Von den zehn Losen, die am höchsten eingeschätzt werden, stammt kein einziges von einer Künstlerin – dafür gleich drei von Otto Muehl. Der Künstler, der bis heute umstritten ist und am Kunstmarkt derzeit neues Interesse weckt, ist mit insgesamt vier Werken vertreten – Werke, die ins Abstrakte spielen („Rote Frau“, 1988, Rufpreis 40.000 Euro; „Adam und Eva“, 1983, Rufpreis 32.000 Euro) sowie solche, die im Malereitrend ihrer Zeit liegen („Mann und Frau in Umarmung“, 1981, Rufpreis 12.000 Euro; „Liebespaar“, 1983, Rufpreis 15.000 Euro).
Mit Hermann Nitsch und Günter Brus sind weitere Exponenten des Wiener Aktionismus vertreten – beide mit später entstandenen Werken, die Ressler zwischen 1000 Euro (für eine Radierung Nitschs) und 8000 Euro (für eine Mappenedition zu Brus’ legendärer Aktion „Zerreissprobe“) ausruft.
Lange Zeit hatte die österreichische Kunst der Nachkriegszeit das Image, dass sie mehr das Dionysische und das Gestische abfeiere und weniger Raum für geometrisch-analytische Positionen lasse. Das war zwar so nie richtig, allerdings wurden diese Tendenzen sukzessive in den Hintergrund gedrängt. Dementsprechend findet sich auch wenig davon in Auktionen. Dennoch wird man bei Ressler fündig. Besonders reizvoll wirkt ein nur 20 mal 20 Zentimeter großes Ölgemälde in Schwarz-Weiß der 2005 verstorbenen Hildegard Joos, auf dem geometrische Figuren ins Tanzen geraten (Rufpreis 1500 Euro). Stilistisch verwandt mit Joos ist die – eine Generation jüngere – Helga Philipp, die das Haus Konstruktiv in Zürich 2018 mit einer großen Einzelausstellung würdigte. Ressler bietet eine Grafitzeichnung von ihr an, für die sie drei Schichten Transparentpapier übereinanderlegte, um schwarze Balken auf orangefarbener Grundierung kammförmig anzuordnen (Rufpreis 1000 Euro).
Die Reihe der Künstlerinnen mit Schwerpunkt gestischer Abstraktion führt die heute 62-jährige Barbara Höller fort. „Gelber Kamm“ (Rufpreis 2500 Euro) heißt ihr Gemälde, Eitempera auf Holz, 1993 entstanden – drei Formen – schon wieder Kämme! – treten darauf miteinander in einen Dialog.
Doch abgesehen von diesem (heimlichen) Schwerpunkt sind Künstlerinnen schlecht vertreten – woran freilich nicht das Auktionshaus schuld ist, sondern die Strukturen des Kunstmarkts und des Kunstbetriebs. Eine erfolgreich arbeitende Künstlerin immerhin ist ebenfalls präsent: Eva Schlegel, die von der Republik 2019 mit dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet wurde. Arbeitet die Künstlerin heute häufig skulptural, so wurde sie bekannt mit Fotoarbeiten, die auf Modefotografien oder Frauenporträts basieren und in denen die Abgebildeten unscharf werden. „Was mich interessiert, ist dieser fast obsessive Hang zum Übergang, der durchscheint in Schlegels ganzer Geschichte. Den Gegenstand zum Verschwimmen bringen“ – so beobachtete die Malerin und Pop-Ikone Jutta Koether einmal Schlegels Unschärferelationen. Drei Fotografien, in Editionen von 40 oder 100 Stück produziert, werden bei Ressler ausgerufen, zu Startpreisen zwischen 1000 und 2000 Euro.
Ressler
16. Kunstauktion: Zeitgenössische Kunst und Klassische Moderne
Wien, 22. Februar