Alte Meister bei Koller

Falten, Sehnen, Handschuhe

Bei der Versteigerung alter Meister im Zürcher Auktionshaus Koller werden hochkarätige Werke von Tizian bis Jan van Goyen angeboten. Als Top-Los kommt eine Ölstudie des heiligen Hieronymus von Anthonis van Dyck zum Aufruf

Von Angelika Storm-Rusche
22.03.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 4

Der Name Anthonis (auch Anthony) van Dyck (1599 – 1641) lässt in erster Linie an elegante Porträts englischer Lords und Ladys vor nobler Kulisse denken. Aber der flämische Maler, der es 1632 zum Hofmaler von Charles I. brachte, konnte auch ganz anders. Das belegt eindrucksvoll „Der heilige Hieronymus in der Wildnis“ – eine Ölstudie auf Holz, die demnächst als Top-Los bei Koller in Zürich aufgerufen wird. Weitere große Künstlernamen der alten Meister müssen in diesem Kontext fallen: Denn schon Tizian – den van Dyck in Italien studiert hatte – und dann auch Peter Paul Rubens haben einen heiligen Hieronymus in der Wildnis gemalt. Rubens’ Vorbildlichkeit für die angebotene Bildtafel lässt sich nicht leugnen – immerhin hatte der blutjunge van Dyck ja auch von mindestens 1616 bis 1618 in dessen Umkreis gewirkt. Und es ist ziemlich sicher, dass in dieser Zeit auch van Dycks erster Hieronymus entstanden ist, dem die erweiterte, ausgereifte Fassung in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden folgte.

Hieronymus – weit gereist, universell gebildet und des Wohlstands seiner privilegierten Herkunft überdrüssig – hatte sich im Jahr 373 in die Wüste Chalkis östlich von Antiochia zurückgezogen, um der Welt zu entsagen.

Alte Meister bei Koller van Dyck
„Der heilige Hieronymus in der Wildnis“ – eine Ölstudie auf Holz von Anthonis van Dyck, ist das Top-Los bei Koller in Zürich (Taxe auf Anfrage). © Koller, Zürich

Van Dyck folgte der Hieronymus-Ikonografie seiner Vorgänger. Zwar verzichtete er auf den zahmen Löwen an der Seite des Eremiten, der Künstler zeigt ihn jedoch auch in einer finsteren Höhle, wo er sich dürftig eingerichtet hat. Hieronymus’ Haupt ist frühzeitig gealtert, das ergraute Haar zerzaust. Der rote Mantel – eine farbliche Anspielung auf seine Kardinalstracht – umhüllt spärlich seinen runzligen und abgemagerten Körper. Meisterhaft hat van Dyck es verstanden, die Falten, Sehnen und hervorgetretenen Adern des ausgemergelten Heiligen zu malen. Der beugt sich vor und stützt sich mit seinem linken Arm ab. Zu seiner Rechten liegen seine Schriften. Zudem (laut Koller) ein Gebetbuch und der stets an das Ende gemahnende, hohläugige Totenschädel. Hieronymus richtet seinen Blick auf den links im Bild angedeuteten Kruzifixus. Bei ihm sucht Hieronymus, den sündige Trugbilder heimsuchen, Gnade. In der rechten Faust hält er den Stein, mit dem er sich zur Selbstgeißelung auf die Brust schlägt – aus der bereits Blut tropft.

Vermutlich befand sich van Dycks „Heiliger Hieronymus“ anfangs in der Privatsammlung von Rubens, der den jüngeren Kollegen demnach anerkannte. Mit dem „Bildnis eines Edelmannes“, das nach Expertisen der Kunsthistoriker Paul Joannides und Peter Humfry zweifelsfrei dem großen Tizian (1485 / 90 – 1576) zugeschrieben und um 1550 datiert wird, bleibt Koller im Bereich derselben Malernamen: Denn auch dieses mit Öl auf Leinwand gemalte Porträt hat Peter Paul Rubens und Anthonis van Dyck beeinflusst, als sie Selbstbildnisse in einer Tizians Modell verwandten Position schufen. Deren Gemälde – Rubens’ „Selbstbildnis in den Kreisen der Mantuaner Freunde“ und van Dycks „Selbstbildnis mit Endymion Porter“ – nehmen ihrerseits einen hohen Rang in der Kunstgeschichte ein.

Alte Meister Koller Tizian
Die Erwartungen für Tizians „Bildnis eines Edelmannes“ (Öl/Lwd., 93,5 x 73,4 cm) liegen bei mindestens 800.000 Franken. © Koller, Zürich

Tizians Edelmann ist bis heute anonym geblieben. Allerdings könnte es sich um ein Freundschaftsporträt aus dem Literatenkreis um Tizian handeln. Immerhin greift der Edelmann mit seiner linken Hand in die Seiten eines Buchs. Hinzuzufügen ist: mit einer behandschuhten Hand. Im 16. Jahrhundert galt ein solcher Handschuh, hier offenbar aus weichem Leder, als Luxusobjekt und Attribut gehobenen Standes (noch ein Jahrhundert später sollte Rembrandts wohlhabender Freund, der Kaufmann Jan Six, seine Handschuhe demonstrativ dem Betrachter entgegenhalten). Tizians Unbekannter trägt in der rechten Hand ein Tuch. Aber wichtiger noch ist die Geste, wie diese Hand unter den schwarzen Umhang greift und sich auf das Herz legt – nach Paul Joannides Zeichen eines Treuegelöbnisses.

Zuweilen wurden Porträtmaler nach ihrer Darstellung von Gesichtern und Händen bezahlt, den markantesten individuellen Ausdrucksträgern. Vielleicht galt dies auch schon zu Tizians Zeiten. In der Absicht des Malers lag es gewiss, dass sich Hände und Antlitz des Mannes von dem neutralen, dunklen Hintergrund und der finsteren Gewandung so hell abheben. In einer Steigerung dieses Effekts leuchtet das seidige Weiß an Kragen und Stulpen aus dem Bild – ganz abgesehen von den auf den Betrachter gerichteten blauen Augen. Trotz dieses nach außen gewandten Blicks und der vielsagenden Geste vermittelt der Edelmann mit seiner scharfen Nase und dem verschlossenen Mund eher Distanz als freundschaftliche Warmherzigkeit. Das auf wenige Farbtöne begrenzte Kolorit trägt zu diesem Eindruck bei. Koller taxiert das psychologisch ambivalente Porträt auf 800.000 Franken. Um wie viel könnte man ihm gerechter werden, wenn Herkunft und Profession des Edelmannes bekannt wären!

Alte Meister Koller van Goyen
Jan van Goyens 1651 datierte „Stadtansicht am Fluss mit Windmühle“ trägt eine Schätzung von 120.000 Franken. © Koller, Zürich

Auch Jan van Goyen (1596 – 1659) konnte von seinem künstlerischen Umfeld profitieren, zu dem Esaias van de Velde, der sein Lehrer war, Pieter de Molijn und Salomon van Ruysdael zählten. Sie traten gleichermaßen für eine realistische Landschaftsmalerei ein, die die antikisierenden Fantasielandschaften hinter sich ließ. Insbesondere Jan van Goyen entwickelte dabei ein zuweilen an die Monochromie heranreichendes Kolorit.

Auch im Fall der „Stadtansicht am Fluss mit Windmühle“, die Koller auf 120.000 Franken schätzt, kam der Maler ganz ohne Polychromie aus. Er konzentrierte sich – einer Grisaille vergleichbar – auf eine Palette aus Ocker und Umbra. Man fühlt sich beinahe an einen Druck erinnert, zumal das Bild mit Öl auf Papier (auf Holz aufgezogen) gemalt und nicht allzu groß ist. So erzielte van Goyen einen der Realität fernen Effekt – als wolle er den Betrachter auffordern, die Farben selbst hinzuzudenken. Das Stadtleben am Fluss aber ist durchaus realistisch: wie sich die Boote in ruhigem Wasser der Stadt nähern, wie der Kran ein Schiff belädt. Diese Staffagen führen ein Eigenleben im Vordergrund der Komposition, die sich diagonal über den Bildgrund zieht: vom niedrigen Horizont über die trutzigen Türme und Teile der Stadtmauer bis zu der hoch aufragenden Mühle. Dem Himmel hat der Maler die halbe Bildfläche gegönnt; und natürlich hat er darin die Vögel nicht vergessen, fast ein Markenzeichen niederländischer Landschaftsmalerei. Seine Signatur „VG“ und die Datierung „1651“ sorgen für eine zweifelsfreie Zuordnung.

Service

AUKTION

Koller Zürich
Auktion 24. bis 26. März,
Vorbesichtigung 18. bis 23. März

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