Auf dem Auktionsmarkt für Antiken erzielen museale Spitzenstücke wie die Millionen-Kylix bei Christie’s trotz Krise entsprechende Preise. Doch der Einstieg in das vielfältige Sammelgebiet ist bereits deutlich günstiger möglich
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05.03.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 3
Fast genau ein Jahr ist es her, dass der coronabedingte Abbruch der Tefaf Maastricht einschneidende Veränderungen auf dem Kunstmarkt einläutete. Da bereits unklar war, ob die Messe überhaupt öffnen würde, wurden die Händler von der Vollbremsung nicht völlig kalt erwischt. Jean-David Cahn zum Beispiel, einer der wichtigsten Anbieter antiker Kunst auf der Tefaf, begann bereits während des Aufbaus, kurze Filme zu drehen, die er am Tag der Vernissage online stellte, um seinen Stand zu dokumentieren. So konnte er zahlreiche Besucher empfangen, die den Weg nach Maastricht nicht antreten konnten oder wollten. Das „sehr positive Echo“, wie er in „Cahn’s Quarterly 2 / 2020“ schreibt, ermutigte ihn, auch danach regelmäßig Videos aus seiner Basler Galerie zu senden, um den Wegfall weiterer Messen und den fehlenden Kundenkontakt zu kompensieren.
Ähnlich kreativ zeigten sich die Auktionshäuser. Nach einer kurzen Schockstarre gingen sie wieder zum Tagesgeschäft über, Spezialauktionen mit antiker Kunst wurden zwar verschoben oder ins Netz verlegt, fanden aber statt. Teils sehr gute virtuelle Touren ersetzten reale Vorbesichtigungen, die nur bedingt möglich waren. Auf der Homepage von Christie’s kann man zum Beispiel nach wie vor virtuell durch die New Yorker Räumlichkeiten schlendern und dabei die Highlights der Classic Week des vergangenen Herbsts bestaunen.
Im Rahmen der Classic Week wurde am 13. Oktober auch das Antiken-Highlight des vergangenen Jahres versteigert: Eine attisch-rotfigurige Kylix der Zeit um 490 / 480 v. Chr., signiert von Hieron als Töpfer und dem berühmten Vasenmaler Makron zugeschrieben. Dessen Signatur findet sich auf nur einer überlieferten Vase – einem Skyphos, der sich heute im Museum of Fine Arts in Boston befindet. Er soll aber über 350 ihm zugewiesene Vasen bemalt haben, womit er der produktivste aller rotfigurigen Maler war (oder der, von dem am meisten erhalten geblieben ist). Er scheint ausschließlich für den Töpfer Hieron gearbeitet zu haben, dessen Signatur sich auf mehr als 30 seiner Vasen findet – meist an den Henkeln eingeritzt, wie auch bei der New Yorker Kylix.
Das Innenbild der Schale zeigt eine seltene mythologische Szene: Links steht der junge Krieger Antilochos, Freund und Gefährte des Achilleus im trojanischen Krieg. Ihm gegenüber sitzt sein Vater, König Nestor von Pylos. Ihre leeren Blicke richten sich nach unten, treffen sich jedoch nicht und erzeugen so eine seltsame Spannung. Wie so oft in der griechischen Vasenmalerei offenbart sich die Tragik der Darstellung nur dem Kenner des Mythos: Antilochos opferte sein eigenes Leben, um das seines Vaters zu retten.
Die Schale wurde erstmals 1963 von J. D. Beazley in seinem Standardwerk „Attic Red-figure Vase-painters“ publiziert, in John Boardmans „Athenian Red-Figure Vases“ (1975) ist sie ebenfalls abgebildet. Damit ist sie nicht nur was Zuschreibung und Qualität betrifft über alle Zweifel erhaben, sondern auch vor dem wichtigen Jahr 1970 dokumentiert. Damals wurde die UNESCO-Konvention verabschiedet, die den Handel mit Kulturgütern verbietet, die nach diesem Zeitpunkt entdeckt wurden. Ein großes Plus für Institutionen und Sammler, wie G. Max Bernheimer, Leiter der Antikenabteilung bei Christie’s, betont. Entsprechend selbstbewusst wurde die Kylix, die seit 1963 durch mehrere bedeutende europäische Privatsammlungen wanderte und zugunsten des Cleveland Museum of Art zum Aufruf kam, als „a million-dollar wine cup“ angepriesen. Der stolze Schätzpreis von 1,2 Millionen Dollar wurde mühelos übertroffen, die Schale wechselte für 1,5 Millionen in die nächste Privatsammlung.
Zuschläge in dieser Größenordnung sind bei der Vasenmalerei die absolute Ausnahme, da museale Spitzenstücke ähnlich selten auf den Markt kommen wie Ölgemälde von Botticelli. Die meisten, durchaus auch qualitätvollen Vasen sind bereits zu vier- und fünfstelligen Preisen zu bekommen. Bei Gorny & Mosch in München beispielsweise erzielte eine um 390 v. Chr. entstandene rotfigurige Schale des Meleager-Malers (oder in seiner Art) im Juli 18.000 Euro (Taxe 12.500 Euro). Ein rund 1000 Jahre älterer mykenischer Stamnos, bemalt mit Linien, Spiralen und Efeublättern, wurde von 15.000 auf 20.000 Euro gesteigert.
Deutlich seltener als griechische Vasen sind gut erhaltene Terrakottaplastiken zu finden. Auch wenn die Figur einer sitzenden Göttin aus Böotien (um 550 – 500 v. Chr.) ihren Schätzpreis in einer kleinen Single-Owner-Auktion bei Christie’s London im Juli mit dem Zuschlag bei 75.000 Pfund fast vervierfachte, war der Preis für das höchst dekorative Stück, von dem es vergleichbare Beispiele im British Museum gibt, immer noch verhältnismäßig günstig.
In der zeitgleich ebenfalls online durchgeführten Hauptauktion fand sich eine erstaunliche Menge an Marmorköpfen, die meisten davon römischen Ursprungs. Die erzielten Preise spiegelten die großen Qualitätsunterschiede wider und reichten von 7000 Pfund (Taxe 15.000 Pfund) für den antoninischen Porträtkopf einer unbekannten Frau bis zu 160.000 Pfund (Taxe 80.000 Pfund) für die republikanische Porträtbüste eines Mannes, der eine auffallende Ähnlichkeit mit Julius Caesar hatte. Die Provenienzen spielten bei der Preisgestaltung allerdings auch eine nicht unerhebliche Rolle. Während beim Frauenkopf als Referenz lediglich eine New Yorker Auktion von 2001 angegeben wurde, tauchte die Porträtbüste erstmals 1910 auf einer Auktion auf und befand sich zuletzt in der Sammlung des Schweizer Waffenfabrikanten Emil Georg Bührle.
Auch Götter, Heroen und Fabelwesen standen hoch im Kurs. Bei Hampel in München stieg Anfang April die römische Marmorskulptur eines Kentauren von 30.000 auf 56.000 Euro. Als Besonderheit hat das Hybridwesen eine in die Unterseite des Sockels gemeißelte Signatur, die angibt, dass es 1618 durch den bekannten Bildhauer François Duquesnoy (1597 – 1643) restauriert wurde. Bei dem monumentalen Kopf aus der römischen Kaiserzeit, den Gorny & Mosch am 16. Dezember versteigerte, handelte es sich wahrscheinlich um eine Darstellung Poseidons. Hier fiel der Hammer bei 45.000 Euro (Taxe 30.000 Euro). Mit einer Höhe von 65 Zentimetern nochmal deutlich größer war der graue Marmorkopf der Minerva aus dem 2. Jahrhundert, den Christie’s am 16. Dezember in London zur Taxe von 500.000 Pfund weiterreichte.
Als im Februar 2020 im kleinen englischen Auktionshaus Adam Partridge (Macclesfield) eine Marmorbüste als französischer Herkules aus dem frühen 19. Jahrhunderts zum Aufruf kam, war sich die Fachwelt offenbar einig, dass das Auktionshaus komplett danebenlag und korrigierte die lächerliche Taxe von 600 Pfund für die wohl antike Skulptur des Löwenkopf tragenden Alexanders des Großen auf den Hammerpreis von 320.000 Pfund. Allein die Provenienz hätte das Auktionshaus zur genaueren Recherche animieren müssen, denn die Büste war einst Teil der Gartenausstattung von Sutton Place, dem Tudor-Herrenhaus in Guildford, das später John Paul Getty und Stanley Seeger gehörte.
Wenn Antiken mit der Grand Tour des britischen Adels in Zusammenhang gebracht werden können, spielen sie in der Regel automatisch in einer höheren Preisliga. Dazu gehörte in der Londoner Dezemberauktion bei Christie’s die 127 Zentimeter große Marmorfigur der Venus aus dem 1. / 2. Jahrhundert, die sich einst in der berühmten „Wilton House Collection“ befand, die um 1700 von Thomas Herbert, 8. Earl of Pembroke, gegründet wurde (Taxe 250.000 Pfund, Zuschlag 440.000 Pfund). Bis zu ihrer Entdeckung im Jahr 1775 in der Hadriansvilla in Tivoli reicht sogar die spektakuläre Provenienz der Hermenfigur des Dionysos zurück, die in die Sammlung von Lord Shelburne (1737 – 1805) wanderte. Die circa 1,5 Meter hohe Marmorskulptur aus dem 2. Jahrhundert wechselte in derselben Auktion taxgemäß bei 700.000 Pfund den Besitzer.
Während beim Marmor neben ganzen Figuren vor allem Köpfe und Torsos begehrt sind, sind es bei der Bronzeplastik die Extremitäten. Bei TimeLine Auctions in Harwich, Essex, stieg Anfang Juni ein 28 Zentimeter langer römischer Fuß mit Sandale von 15.000 auf 75.000 Pfund. Der knapp einen halben Meter lange rechte Arm (römisch, 1. Jh.) aus der Sammlung des Londoner Händlers Daniel Katz wurde Ende Mai bei Sotheby’s London von 30.000 auf 140.000 Pfund gehoben. Die nahezu lebensgroßen Statuen, zu denen diese Gliedmaßen einst gehörten, sind nicht erhalten. Komplette Bronzefiguren findet man auf dem Kunstmarkt nur im deutlich kleineren Maßstab. Ein besonders schönes etruskisches Exemplar hatte Sotheby’s im Juli im Angebot: Die fein gravierte Votivfigur einer Kore der Zeit um 480 v. Chr. ließ ihre Schätzung von 40.000 Pfund mit dem Zuschlag bei 180.000 Pfund weit hinter sich. Die Figur eines Togatus capite velato aus der frühen Kaiserzeit spielte bei Gerhard Hirsch Nachfolger im September 26.000 Euro ein.
Fast immer aus Bronze sind auch die griechischen und römischen Helme, die regelmäßig auf Auktionen auftauchen. Ein attischer Helm des späten 4. Jahrhunderts v. Chr. brachte im Juli bei Gorny & Mosch taxgerechte 40.000 Euro. Ein korinthischer Helm aus der Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. stieg Mitte Oktober bei Christie’s New York von 150.000 auf 280.000 Dollar. Hermann Historica, Spezialist für antike Waffen, machte im letzten Jahr weniger durch seine Helme von sich reden, sondern durch zwei außergewöhnliche Schmuckstücke, die in der Sonderauktion „Aus Burgen und Schlössern“ am 25. September auf Schloss Greding unter den Hammer kamen. Ein Paar feinst gearbeiteter frühhellenistischer Goldarmbänder mit reliefierten Medusenhäuptern erzielte 75.000 Euro. Zwei prachtvolle römische Goldarmreife aus dem 2. / 3. Jahrhundert, bestehend aus massiv goldenen tordierten Bändern und jeweils einem Medaillon mit gefasstem Karneol, brachten 30.000 Euro. Zeitlos elegante Schmuckstücke, die – sofern man sich traut – auch heute noch problemlos getragen werden können.