Sotheby’s kehrt mit Versteigerungen nach Deutschland zurück und will von Köln aus den Markt aufrollen. Doch auch andere global agierende Auktionshäuser nehmen vermehrt die deutschen Käufer ins Visier
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25.06.2021
Es war abzusehen nach dem Brexit. Nur dass es so schnell ging und Sotheby’s schon ab September wieder Versteigerungen in Deutschland veranstalten wird, ist schon eine Überraschung. Der Kunsthandel zwischen Großbritannien und dem europäischen Kontinent ist komplizierter geworden, besonders der Transfer von Werken wird durch Kontrollen, viel Bürokratie und höhere Kosten erschwert. Da ist es eine logische Konsequenz, dass die Global Player des Auktionsmarkts ihre Präsenz im EU-Gebiet ausbauen. Die Expansion geht vor allem nach Paris, das durch den Brexit sichtlich aufblüht, immer häufiger Rekordzuschläge auch bei den französischen Versteigerern vermelden kann und demonstriert, dass London das europäische Monopol auf achtstellige Ergebnisse nicht mehr länger gepachtet hat. Seit jetzt Nagel am Mittwoch in Stuttgart die Bronzeskulptur einer chinesischen Gottheit für 14 Millionen brutto versteigert hat, ist auch Deutschland in diese Liga aufgestiegen.
Schon seit Jahren ist Deutschland im Fokus der internationalen Häuser: nicht als Land, wo sie gut verkaufen können, aber als ein Terrain der Akquise. Hier gibt es – neben einem immer noch guten Reservoir alter Kunst – vor allem die vielen Sammlungen von Nachkriegskunst, die in den Wirtschaftswunderjahrzehnten aufgebaut wurden und jetzt voller Ueckers, Richters, Polkes und anderer Schätze sind. Aber auch die Pop-Art und andere begehrte amerikanische Strömungen wurden von deutschen Kunstliebhabern früh und intensiv gesammelt. Vieles davon wird jetzt vererbt und kommt auf den Markt. Auf diese Schätze zielen nicht nur Sotheby’s und Christie’s, sondern mit ihren Repräsentanten auch Bonhams, Artcurial, das Wiener Dorotheum und andere. Koller warb neulich in der FAZ mit einer dicken Hochglanzbroschüre, genannt „Deutschland Spezial“. Vertretungen in München und Düsseldorf hat das Zürcher Haus ohnehin schon seit Jahren.
Sotheby’s eröffnet seine neue Niederlassung, wo mit vergrößertem Team zunächst Online-Auktionen stattfinden sollen, in einer ehemaligen Villa der Bankiersfamilie Oppenheim, direkt am Kölner Rheinufer. Dort sucht man die Nähe der potenten rheinischen Käufer – und Einlieferer. Auch die Bedeutung der Art Cologne wird in den Statements aus London hervorgehoben sowie die Nähe zu den Beneluxländern.
Das alles sind natürlich Angriffe auf die hiesigen Aktionshäuser. Nicht nur auf die florierenden Platzhirsche in Köln, Lempertz und Van Ham, sondern auf die gesamte deutsche Branche, die sich in der Coronakrise sehr gut behauptete und zum Teil sogar mit Rekordumsätzen glänzte. Das liegt an guten Einlieferungen, aber bei allem Zuwachs an weltweit Bietern auch an einer stabilen Käuferschaft vor Ort. Von diesem Kuchen will sich die internationale Konkurrenz dicke Stücke abschneiden, und die einheimischen Häuser müssen sich gut überlegen, wie sie darauf reagieren. Sie haben einiges einzubringen: langjährige Kundenbindung und gesellschaftliche Präsenz, erfahrene und bestens vernetzte Experten, einen guten Ruf in ihrer Region. Nicht jeder Käufer oder Verkäufer lässt sich vom Glamour der Marktgiganten blenden, sondern bevorzugt den kleineren, privateren Rahmen.