Auf dem Auktionsmarkt für traditionelle afrikanische und ozeanische Kunst fehlte es jüngst an Blockbuster-Versteigerungen, dafür ermutigten niedrige Schätzpreise neue Käuferschichten und sorgten für gute Ergebnisse
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05.07.2021
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Kunst und Auktionen Nr. 11
Im Pandemiejahr herrschte im Bereich der traditionellen Kunst aus Afrika und Ozeanien der Ausnahmezustand – mit dem einigermaßen schizophrenen Ergebnis: Der Gesamtmarkt brach ein, aber dennoch gab es zufriedene Gesichter. Die Datenbank „Artkhade“ weist für den Sekundärmarkt 2020 lediglich einen Umsatz von 32 Millionen Euro aus – fast die Hälfte weniger als 2019. Einzig Sotheby’s gelang es, zwei Lose für siebenstellige Eurobeträge zuzuschlagen. Beide stammten aus der Sammlung von Sidney und Bernice Clyman. Ein ikonischer Reliquiar-Kopf der Fang aus Gabun wechselte am 29. Juni 2020 in New York für umgerechnet 2,6 Millionen Euro den Besitzer, eine Skulptur der Kota erbrachte einen Tag später rund 1 Million Euro.
Der dramatische Umsatzrückgang hatte primär eine Ursache: Es fehlten die Blockbuster-Auktionen. Die großen Häuser trauten dem Corona-Braten nicht und befürchteten, Lose in Online-Versteigerungen unter Wert zu verkaufen. Zusätzlich wollten sich die Sammler nicht von ihren Stücken trennen, warteten lieber ab, wie sich die Lage entwickeln würde. Ein weiteres Hindernis erläuterte David Zemanek, der Chef des Spezialisten Zemanek-Münster in Würzburg gegenüber KUNST UND AUKTIONEN: „Die größte Herausforderung war zweifelsohne die Akquise. Da wir nicht wie gewohnt international reisen konnten, um unsere Sammler zu besuchen, gestaltete es sich schwieriger, interessante Arbeiten zu finden.“
Trotzdem zufrieden lächelnde Gesichter? Wieso das? Ganz einfach: Wer Auktionen in dieser problematischen Zeit wagte, traf generell auf motivierte und zahlungswillige Kunden. Denn die Sammlerschaft hungerte geradezu nach Kunst, da sie aufgrund der Reisebeschränkungen nicht zu ihren gewohnten Hotspots fahren konnte. Zwar fanden 2020 die Pariser Leistungsschau Parcours des Mondes und die Brüsseler Bruneaf statt, als gerade mal kein Lockdown war. Die Einheimischen blieben dort aber mehr oder weniger unter sich. Die charmante Bourgogne Tribal Art fiel 2020 komplett ins Wasser und teilte damit das Schicksal von Brafa und Tefaf im Jahr 2021, die sich immerhin an virtuellen Alternativen versuchten.
Die „Corona-Auktionen“ waren für alle Veranstalter eine Art Learning by Doing. Sogar die Auktionsgiganten mussten erst herausfinden, wie man in Zeiten der Pandemie am geschicktesten agiert. Christie’s Paris veranstaltete bis 11. März 2021 die erste Online-Spezialauktion des Hauses, die die Augen der älteren Sammler vor Rührung feucht werden ließ. Denn man wähnte sich geradezu zurück in den glorreichen alten Zeiten: Die Schätzpreise waren so niedrig wie in den Achtzigerjahren – wohl um viel Traffic zu generieren und junge Käuferschichten anzusprechen. Die Interessenten boten, was Telefone und Internet hergaben. Am Ende waren fast alle Lose für insgesamt über eine Million Euro verkauft. Typisch war das Ergebnis eines guten figurativen Löffels der Dan: Auf 2000 Euro taxiert, wurde er schließlich für 140.000 Euro weitergereicht. Noch erfolgreicher war die Präsenz-Auktion des Hauses am 3. Dezember 2020 verlaufen, als gute Qualität auf ausgehungerte Sammler traf. 90 Prozent der Lose wurden verkauft und damit 4,9 Millionen Euro erlöst. Mit 550.000 Euro am höchsten stieg eine Guro-Maske, die dem Maître de Bouaflé zugeschrieben war.
Mit soliden Ergebnissen warteten auch Bonhams in New York und Binoche et Giquello in Paris auf. Die Spezialauktionen der Pariser sind immer eine Art Überraschungsei, changieren zwischen Hausmannskost, hoher Qualität und Größenwahn.
Zemanek-Münster hingegen musste am 23. Mai 2020 Lehrgeld bezahlen, so schleppend verlief der Verkauf. Die reine Online-Auktion litt unter zweierlei: Man durfte die Objekte nicht vor Ort begutachten, was für Aficionados unerlässlich ist. Und es gab auch keine Videoübertragung, was mindestens genauso schwer wog. Denn wenn man schon nicht vor Ort mitbieten kann, dann möchte man sich doch zumindest so fühlen. Und dazu gehört nun mal der Auktionator mit seinem Hammer, selbst wenn er nur als kleines Bild gestreamt wird.
David Zemanek war insgesamt dennoch mit den letzten zwölf Monaten zufrieden. Die Auktion am 24. Oktober 2020, die aufgrund des Sicherheits-Konzepts vor Publikum stattfinden konnte, verlief nämlich sehr erfolgreich und bescherte dem Haus fünfstellige Zuschläge. Toplos war mit 40.000 Euro eine schöne Maternité der Vili aus dem Kongo, um die drei Telefonbieter buhlten. Kaum weniger schwach verkaufte sich mit einem Zuschlag bei 25.000 Euro eine überaus präsente Sitzfigur der Baule, die bereits in Karl-Ferdinand Schädlers Buch Afrikanische Kunst in Deutschen Privatsammlungen aus dem Jahr 1973 zu finden ist. Der Präkolumbien-Star der Veranstaltung war ein Steigbügelgefäß der Moche-Kultur, das mit erzielten 12.000 Euro seinen Schätzpreis versechsfachte.
Dass Zemanek-Münster auch online erfolgreich sein kann, demonstrierte das Haus dann mit der Auktion am 24. April 2021. Eine Vorbesichtigung war möglich, am Tag der Versteigerung aber waren nur Händler zugelassen. Nun war der Auktionator auch live zu hören und zu sehen. Eine seltene Korwar-Skulptur aus dem Wandammen-Gebiet fand für 17.000 Euro einen Käufer, eine Maske der Zombo ging für 12.500 weg.
Das insgesamt gute Abschneiden seines Hauses in Pandemiezeiten führt David Zemanek auch auf Glück zurück: „Wir hatten Fortune. Denn zwei Mal – im Frühjahr und Herbst – konnten wir gerade noch Präsenzauktionen durchführen, bevor das Land in den Lockdown ging.“
Online-Auktionen geradezu perfektioniert hat der Spezialist für außereuropäische Kunst Hammer Auktionen in Basel. Gefilmt von mindestens zwei Kameras, fegte der Chef des Hauses, Jean David, dabei stets mit einem Handy ausgerüstet durch die Räume, machte Detailaufnahmen der Objekte. Und nebenbei kämpfte er noch äußerst charmant in fünf Sprachen für seine Lose – gleich, ob sie im zwei- oder im vierstelligen Bereich lagen. Der Erfolg gab ihm recht: 2020 hat Hammer in 16 Auktionen 3100 Nummern offeriert, von denen 89 Prozent für insgesamt 800.000 Franken abgesetzt wurden.
Joris Visser, der Experte des Dorotheums, war ebenfalls zufrieden mit dem Jahr. Corona habe seine Auktionen kaum berührt, meinte er. Tatsächlich verliefen sowohl die Liveauktion am 18. Februar 2020 als auch die Online-Auktion am 15. Dezember des Jahres erfolgreich, was freilich auch am erstklassigen Material lag. Im Februar kamen Teile der renommierten Sammlung Udo Horstmann unter den Hammer, darunter eine Figur der Lobi, die 75.000 Euro einspielte. Ihren Schätzpreis vervielfachen konnten ein Elfenbein-Armband der Kikuyu und eine Ahnenfigur von der Insel Nias (Zuschlag 32.000 Euro). Visser legt besonderes Augenmerk auf Indonesien, weil „einige der wichtigsten Sammler in Wien leben“. Toplos der Dezember-Auktion war dann eine große Nkisi-Skulptur der Songe aus dem Kongo, die bei 34.000 Euro einen neuen Besitzer fand.
Das Auktionshaus Native aus Brüssel kombinierte bei seinen Versteigerungen erneut sehr erfolgreich traditionelle außereuropäische Kunst mit Moderne und Design. Lempertz dagegen hat sich in den letzten zwölf Monaten zu keiner Spezialauktion durchringen können, erst im Herbst dieses Jahres findet wieder ein Termin statt.
Aber gab es wirklich keine Verlierer im Corona-Jahr? Doch: die Händler – vor allem die, die bisher wenig Wert auf Online gelegt hatten. Ihnen fehlten die Messen und internationalen Besucher. Aber natürlich gab es auch beim Handel zunehmend digitale Aktivitäten. So veranstaltete beispielsweise die 7000 Mitglieder starke Facebook-Gruppe „Great or Fake. Discovering African Art“ mit beachtlichem Erfolg „Bazaar Weekends“, an denen nicht nur Sammler, sondern auch Händler partizipierten – wobei die Übergänge fließend sind. Stetig gewachsen ist auch der Zuspruch der Tribal Art Society (TAS), deren 30 Mitglieder sich wie ein Who’s who der Szene lesen. Den höchsten Verkaufspreis erzielte die TAS bei ihren regelmäßigen Online-Offerten mit einer Figur der Hemba, die mit 25.000 Euro bepreist war. Insgesamt reichten die Bemühungen des Handels aber nicht aus, um die schwachen Präsenz-Verkäufe während des Jahres auszugleichen.
Doch der Markt für die traditionelle afrikanische und ozeanische Kunst lebt! Am 23. Juni versteigerte Christie’s Paris die „Collection Michel Périnet“. Der 2020 im Alter von 90 Jahren verstorbene Juwelier und Kunstsammler kaufte nur bei den besten und teuersten Quellen. Das Gesamtergebnis: über 66 Millionen Euro – im kompletten Jahr 2020 konnte häuserübergreifend mit traditioneller außereuropäischer Kunst nur weniger als die Hälfte umgesetzt werden. 17 (!) Objekte erzielten in der Auktion siebenstellige Beträge, den höchsten Zuschlag erreichte eine weiße Maske von den Mortlock Islands im Archipel der Karolinen, die von 500.000 auf 7,8 Millionen Euro gesteigert wurde.