Ferdinand Leeke

Bayreuths Bilderbuchmaler

Durch Mappenwerke und Postkarten prägte der Maler Ferdinand Leeke lange die deutsche Wagner-Ikonografie. An der Preisspitze liegen heute Werke von ihm außerhalb des Bayreuther Kosmos

Von Michael Lassmann
02.08.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 12

Endlich ist es wieder so weit: Nach der Corona-Pause im letzten Jahr eröffnete am 25. Juli mit dem „Fliegenden Holländer“ die Bayreuther Festspielsaison. Zaungäste, die nach dem Défilé der Premierenbesucher noch ausharrten, erhaschten vielleicht sogar einen Blick auf die übliche Runde gutgelaunter Herren, die das mitunter recht fordernde Erlebnis europäischer Hochkultur nicht weiter vertiefen mochten und lieber im umliegenden Park den Bericht ihrer Gattinnen über die verpassten Highlights erwarteten – während sie ihren Leidensgefährten verschwörerisch mit einem guten Tropfen zuprosteten.

Schade eigentlich, dass Ferdinand Leeke (Burg bei Magdeburg 1859 – 1937 Nürnberg) keinen Seitenblick für solche Stimmungsbilder übrighatte – stattdessen wird der in München tätige Maler und Illustrator nun gern als Hauptschuldiger an der „Germanisierung“ des Bühnenwerks Richard Wagners in der öffentlichen Wahrnehmung identifiziert. Dabei hatte sich der eindimensionale Tunnelblick auf Wagners multipel geplagte Handlungsträger längst durchgesetzt, bevor Leeke mit der Arbeit an seinem umfangreichen Illustrationszyklus mit Schlüsselszenen aus den letzten zehn Opern des Maestro begann: Bereits für den ersten Bayreuther „Ring“ von 1876 hatte der Kostümbildner Carl Emil Doepler die Heldensänger in bester historisierender Absicht Fell-geschürzt mit Flügelhelm und angeklebtem Rauschebart auf die Bühne geschickt und damit die Wagner-Ikonografie noch im wilhelminischen Deutschland entscheidend geprägt.

Obwohl Leeke vor allem für sein Illustrationswerk zu Wagner bekannt ist, sind an der dünnen Preisspitze überwiegend andere Themen zu finden. So realisierte ein 118 mal 152 Zentimeter großer „Wikingerüberfall“ in Öl auf Leinwand von 1901 am 4. September 2016 auf Schloss Ahlden 23.000 Euro. © Schloss Ahlden GmbH
Obwohl Leeke vor allem für sein Illustrationswerk zu Wagner bekannt ist, sind an der dünnen Preisspitze überwiegend andere Themen zu finden. So realisierte ein 118 mal 152 Zentimeter großer „Wikingerüberfall“ in Öl auf Leinwand von 1901 am 4. September 2016 auf Schloss Ahlden 23.000 Euro. © Schloss Ahlden GmbH

Sven Friedrich zufolge, Museums- und Archivdirektor des Richard Wagner Museums Bayreuth, war Leeke selbst nie in die Gestaltung von Bühnen- oder Kostümbild involviert. Er scheint sich in seinen szenischen Darstellungen überwiegend an der gängigen und im internationalen Vergleich rückständigen Wagner-Rezeption in Deutschland orientiert zu haben, ohne einen eigenständigen Zugang zu seinem Werk zu suchen. Unstreitig ist aber, dass er durch die enorme Verbreitung seiner Motive über Mappenwerke, Kalender und Postkarten entscheidend zur Zementierung solcher Klischees beitrug. Ohnehin wurde die verengende Auslegung des Wagnerschen Œuvres – „Werktreue“ genannt – auch durch den deutsch-national gesinnten „Bayreuther Kreis“ um Cosima Wagner und Houston Stewart Chamberlain unterstützt, der darüber wachte, dass sich keine zersetzenden Modernismen in die Bayreuther Aufführungspraxis einschlichen. Intellektuelle wie George Bernard Shaw, der in seinen Kritiken das unbarmherzige Bonmot vom „Bayreuther Gebell (the Bayreuth bark)“ prägte, mochten über die Provinzialität dieser Konzeption spötteln, waren damit allerdings in der Minderheit: Bedingt durch den erstarkenden Nationalismus fand die identitätsstiftende Rückbesinnung auf die angeblich germanischen Wurzeln des noch relativ jungen Kaiserreichs auch beim gebildeten Bürgertum Zustimmung.

Wer den kaum 30-jährigen Leeke mit dem gewaltigen Zyklus betraute, ist bis heute nicht völlig geklärt; gemeinhin wird Wagners Sohn Siegfried als Auftraggeber genannt. So ist es auch auf der Webseite des Richard Wagner Museums Bayreuth zu lesen, das im Frühjahr 2016 mit der Ausstellung „Germanenkult – Wagner-Illustrationen von Ferdinand Leeke“ Tendenzen der Wagner-Rezeption wie auch der Aufführungspraxis der Jahrhundertwende aufzeigte.

Nach 20 Jahren im Archiv waren damit 29 Opernszenen als Dauerleihgabe des Bundes erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich – sieben allein zum „Ring“: Das Rheingold (Alberich und die Rheintöchter, 1894); Die Walküre (Todesankündigung, 1894 / Die schlafende Brünnhilde, 1893); Siegfried (Wotan und Erda, 1884(?) / Brünnhildes Erweckung durch Siegfried, 1894); Götterdämmerung (Gutrune reicht Siegfried den Vergessenheitstrank, 1894) / Siegfried und die Rheintöchter); ferner sechs zu den „Meistersingern“: Stolzing wird von Eva gekrönt / Das Preislied / Hans Sachs und Eva / Hans Sachs mit Beckmesser, Eva und Stolzing / Eva, Hans Sachs, Stolzing / Eva in der Kirche, alle 1895. Weitere fünf zu „Tristan und Isolde“: Isoldes Liebestod / Tristan nimmt den Trank der Brangäne / Der kranke Tristan / Isolde winkt / Tristan und Isolde. Liebesnacht, alle 1895; vier zu „Parsifal“: Parsifal im Zaubergarten / Parsifals Fußwaschung. Kundrys Taufe / Der Gral, alle 1894 / Klingsor und Kundry, 1895; drei zu „Lohengrin“: Lohengrin und Elsa im Brautgemach / Elsa auf dem Balkon / Lohengrin hat Telramund im Kampf besiegt, alle 1894; und schließlich jeweils zwei zum „Fliegenden Holländer“: Der fliegende Holländer tritt ins Zimmer, 1893 / Spinnstube. Sentas Ballade, 1894; sowie „Tannhäuser“: Gebet der Elisabeth / Venuserscheinung, beide 1894.

Ferdinand Leeke Wagner Wotans Abschied Ketterer
Im November 2019 wurde bei Ketterer eines der bekanntesten Wagner-Motive Leekes, „Wotans Abschied“ von der ungehorsamen Brünnhilde, von 5500 auf 12.000 Euro gehoben. © Ketterer, München

Bereits 1894 brachte der Münchner Verleger Franz Hanfstaengl den ersten „Bildercyclus“ mit 15 Tafeln in der damals neuen Heliogravure-Technik heraus; weitere folgten. Schon deshalb hält Friedrich es für wahrscheinlich, dass Bestellungen von Bildmotiven zu Wagners Werk vor allem von Kunstverlagen ausgingen, zumal Dokumente über eine Auftragsvergabe durch Siegfried Wagner nicht vorliegen. Denkbar ist für ihn jedoch, dass der junge Wagner das Projekt anstieß, um eine breite Öffentlichkeit für das musikalische Erbe seines Vaters zu interessieren – und nicht zuletzt wohl auch für das Familienunternehmen „Richard Wagner-Festspiele“! Mit Sicherheit waren die Illustrationen zu Wagners Opern für Leeke karrieredefinierend, denn er griff auf diesen Themenkreis zeitlebens immer wieder zurück. Daneben malte er allerdings auch bäuerliche Genre-Szenen, Beutezüge blutrünstiger Wikinger, wilde „Germanen unter deutschen (!) Eichen“, tutige Amazonen und sogar einige in der intimen Auffassung atypisch fortschrittliche Landschaften.

Auf dem heutigen Auktionsmarkt ist der Bilderbuch-Historist immer noch gut vertreten, obwohl die Offerte seit 2011 mit 94 Losen um gut ein Fünftel geschrumpft ist; dafür sank die Quote der Rückgänge insgesamt auf 40, im letzten Jahrfünft sogar auf 30 Prozent. Unverändert versorgten deutsche Anbieter drei Viertel der Ware. Auch das Preisniveau hat sich kaum verschoben. Der Anteil der Hammerpreise über 10.000 Euro stieg zwar um ein paar Prozentpunkte, blieb aber weiterhin unter 10 Prozent. Signifikant war allenfalls der Anstieg der Notzuschläge bis 1000 Euro, die mittlerweile über 40 Prozent ausmachen. Obwohl Leeke vor allem für sein Illustrationswerk zu Wagner bekannt ist, sind an der dünnen Preisspitze überwiegend andere Themen zu finden. Im April 2013 verbesserte sich eine „Bacchantin“ im Wiener Dorotheum von geschätzten 5000 auf 12.000 Euro, ein „Wikingerüberfall“ von 1901 realisierte im September 2016 auf Schloss Ahlden das erste von lediglich zwei Ergebnissen über 20.000 und wurde für die erwarteten 23.000 Euro abgegeben. Nur einen knappen Tausender mehr erzielte das Spätwerk „Triumphzug mit jungen Frauen für einen heimkehrenden Ritter“ im September 2019 bei Hampel, München, doch das reichte immerhin für den Bestwert des vergangenen Jahrzehnts, der sich dort bereits gegen Jahresende allerdings wieder in Luft auflöste.

Ferdinand Leeke Auktionshaus City Nord Fliegender Holländer Richard Wagner
Im September 2020 erzielte im Auktionshaus City Nord die Szene „Senta trägt die Ballade vom fliegenden Holländer vor“ taxgerechte 2200 Euro. © City Nord, Hamburg

Wagner-Themen machen etwa ein Fünftel der Offerte aus und werden zu erstaunlich wechselhaften Kursen gehandelt. Immerhin konnte das Dorotheum, Wien, die Schätzung von 4000 Euro für die Szene „Siegfrieds Rheinfahrt“ aus dem 1. Akt der „Götterdämmerung“ mit dem Kammersänger Hubert Leuer als Siegfried im April 2019 verdoppeln. Im darauffolgenden November wurde bei Ketterer, München, eines der wohl bekanntesten Wagner-Motive Leekes, „Wotans Abschied“ von der ungehorsamen Brünnhilde – dort vorgestellt in einer Version von 1910 – von 5500 auf 12.000 Euro gehoben. Im September 2020 kam im Auktionshaus City Nord, Hamburg, die Szene „Senta trägt die Ballade vom fliegenden Holländer vor“ nicht über den Startpreis von 2200 Euro hinaus; wenige Tage später wurden „Die Rheintöchter“ im Dorotheum wieder für 5500 Euro vermittelt. Dafür blieb im November bei Peege, Freiburg, eine allerdings auch recht hastig abgehandelte Szene aus dem 3. Aufzug der „Götterdämmerung“ bereits bei 1000 Euro stehen.

Resümee

  • Mit 94 Losen ging der Umfang der Offerte seit 2011 um ein Fünftel zurück; der Anteil der Rückgänge konnte zuletzt auf 30 Prozent gedrückt werden.
  • Drei Viertel der Ware wurden wie zuvor von deutschen Anbietern versorgt. Weniger als 10 Prozent der vermittelten Lose kamen über die Schwelle von 10.000 und nur zwei Werte über 20.000 Euro.
  • Zuschläge unter 1000 Euro häuften sich auffällig; immerhin 44 Prozent der vermittelten Lose kamen über diese Schwelle nicht hinaus.
  • Wagner-Motive stellten rund ein Fünftel der Offerte, blieben an der dünnen Spitzengruppe über 10.000 Euro allerdings unterrepräsentiert.

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