Sotheby’s versteigert in New York Oppenheimers hochbedeutende Sammlung Meissener Porzellane. Sammler, Händler und Museumsleute fiebern der Auktion entgegen
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09.09.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 14
Das Ergebnis befriedigte Johann Gregorius Höroldt offenbar nicht, denn seine Experimente in den Jahren 1726 und 1727 mit eingefärbtem Porzellan gab er bald wieder auf. Stattdessen nutzte der Meissener Innovator, dessen Bildfindungen und technische Erkenntnisse die Porzellanmalerei in ganz Europa beeinflussten, für Gefäße mit einem monochromen Fond Emailfarbe, die auf der Glasur aufgetragen und danach mit niedrigeren Temperaturen gebrannt wurde. Eines dieser Meisterwerke kommt bei der Auktion der Sammlung Oppenheimer zum Aufruf. Die Vase hat eine herrliche Seladonfarbe in hellem Türkis, in weißen Vierpassmedaillons sind ein chinesischer Reiter sowie „indianische“ Blumen und Vögel aus Fernost dargestellt. Der Stil ist so exzellent, dass mancher Experte dabei schon an den genialen Porzellanmaler Adam Friedrich von Löwenfinck als Urheber gedacht hat.
Eine große, verschlungene AR-Marke auf dem Boden zeugt von der besten (und immer teuer bezahlten) Herkunft: Kurfürst August der Starke, der mit der Gründung der Meissener Manufaktur den europäischen Porzellanboom auslöste, gab das Stück um 1730 für seine Porzellanpräsentation im Japanischen Palais in Dresden in Auftrag. Die Taxe von 30.000 Dollar ist sicher nicht das Ende vom Lied für die Seladon-Vase: Sammler, Händler und Museumsleute fiebern der Versteigerung am 14. September bei Sotheby’s in New York entgegen. Denn eine so bedeutende Porzellankollektion, die auch noch so weit zurückreicht, kam seit Jahrzehnten nicht mehr auf den Markt.
Margarethe und Franz Oppenheimer (geboren 1878 und 1871) sammelten in Berlin frühes Meissener Porzellan und konzentrierten sich dabei vor allem auf außergewöhnliche Werke, die Vorbilder aus China und Japan aufgriffen. Ludwig Schnorr von Carolsfeld, Konservator im Berliner Schlossmuseum, katalogisierte 1927 die Sammlung für eine aufwendige Privatpublikation. Die damals 239 Objekte sind auf den Böden der Stücke mit den entsprechenden Katalognummern in Schwarz gekennzeichnet. Nach 1927 erwarb das Ehepaar mindestens weitere 127 Werke; sie erhielten rote Nummern.
Unter dem Nazi-Regime waren die Oppenheimers wie alle deutschen Juden zunehmend Repressalien ausgesetzt, sodass die Familie im Dezember 1936 nach Wien emigrierte. Als Hitler im März 1938 Österreich besetzte, flohen die Oppenheimers abermals; zum Glück gelang ihnen über Budapest und Stockholm die Einwanderung in die USA. Entweder noch in Berlin oder von Wien aus verkaufte Franz Oppenheimer unter dem Druck der Umstände mehr als 100 Einzelstücke und Werkgruppen an Fritz Mannheimer in Amsterdam. Der Deutsch-Niederländische Bankier besaß eine der kostbarsten Kunstsammlungen in Europa, darunter einen damals schon legendären Bestand an Meissener Porzellan.
Mannheimer starb 1939, und als die Deutschen ein Jahr später in den Niederlanden einmarschierten, sicherten sie sich durch Zwangsverkauf aus dem Nachlass einen Großteil der Sammlung. Diese kam nach dem Krieg in die Niederlande zurück und gelangte nach einer Einigung mit der Familie in den Besitz des Staats. Mehr als 800 Meissener Werke erhielt das Rijksmuseum übereignet, auch Museen in Den Haag und Rotterdam wurden bedacht. Mit dabei immer der Oppenheimer-Bestand.
Im Jahr 2015 reichten die Erben ihren Anspruch auf die Porzellansammlung der Oppenheimers ein; wichtige Kronzeugen dabei waren die schwarzen und roten Inventarnummern auf den Stücken. Vor zwei Jahren empfahl das niederländische Restitutionskomitee die vollständige Rückgabe. Und jetzt ist die ganze Porzellanwelt von der Qualität der 117 Lose bei Sotheby’s elektrisiert, denn die Oppenheimers kauften mit hoher Kennerschaft nur außergewöhnliche, oft höchst seltene Stücke aus der Zeit der frühen Meissener Produktion vor 1740. Die Schätzpreise rangieren von 3000 bis 200.000 Dollar, mehr als zwei Millionen erwartet das Auktionshaus von dem Sale. Das Spitzenobjekt ist ein Gehäuse für eine Pariser Luxusuhr, fast so etwas wie die Travestie einer architektonischen Skulptur, überreich mit exzentrischen Dekorationselementen besetzt und wahrscheinlich von Höroldt selbst mit chinesischen Szenen bemalt.
Doch zurück zum eingefärbten Porzellan, das nur in ganz wenigen Meissener Stücken überliefert ist, fast alle davon in Museen. Zweifellos wird es auf der Auktion ein Bietergefecht um die herrliche, völlig hellblaue Vase geben, auf der ein Relief aus weißem Weinlaub emporwächst, dazwischen Chinoiserie-Malereien. Für solche Raritäten mit einer ganz besonderen Ästhetik hatten die Oppenheimers ein Gespür. Schon sprechen die ersten Kenner von einer Jahrhundertauktion.
Sotheby’s, New York
Auktion 14. September,
Besichtigung bis 13. September
www.sothebys.com