Sotheby’s führt im Palais Oppenheim in Köln wieder Auktionen in Deutschland ein. Zur Premiere kommen nun bedeutende Werke des 20. und 21. Jahrhunderts zum Aufruf
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06.09.2021
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 14
Ui, das wird Karl & Faber, Grisebach, Lempertz, Ketterer, Koller und vor allem auch das Dorotheum nicht freuen“, kommentierte ein Leser online einen Artikel des Standard vom 4. Juni über die Ankündigung des Auktionsriesen Sotheby’s, nach einer langen Auszeit wieder auf den deutschen Markt zu expandieren. Die in dem Rundumschlag genannten Häuser hatten allerdings ausreichend Zeit gehabt, sich mit dem Gedanken anzufreunden, denn bereits im Mai hatte Sotheby’s CEO Charles Stewart die Öffentlichkeit in einem Exklusiv-Interview mit der FAZ über die Unternehmensentscheidung in Kenntnis gesetzt. Im Gegensatz zu dem besorgten Standard-Leser gibt sich die Branche allerdings gelassen. Bei Lempertz etwa zeigt man sich allenfalls erstaunt darüber, dass der Konkurrent so lange gewartet hat und verspricht sich von seiner Präsenz immerhin eine Aufwertung des Standorts Köln – und des Standorts Deutschland, möchte man ergänzen. Zumal Sotheby’s nicht das erste Unternehmen wäre, das den brexitbedingten Mehraufwand bei Ein- und Ausfuhr scheut und darum wenigstens Teile seines operativen Geschäfts vom britischen Königreich auf den europäischen Kontinent verlegt. Stewart allerdings lag es fern, solchen Überlegungen Ausdruck zu geben und dadurch ungewollt die weiterhin zentrale Bedeutung der Londoner Filiale zu relativieren. Stattdessen unterstrich er die „Stärke, die Größe und die Resilienz des heutigen deutschen Marktes“, und nannte die neue Adresse in Köln darum einen „ganz natürlichen nächsten Schritt“.
Vermutlich hatte auch das zweistellige Umsatzplus, das deutsche Auktionshäuser ausgerechnet im Corona-Jahr 2020 erwirtschafteten, diesen Schritt umso natürlicher erscheinen lassen. Deren medial euphorisch kommunizierte „Resilienz“ wie auch der um ein Mehrfaches gestiegene Anteil deutscher Bieter bei internationalen Online-Auktionen regten die Entscheider offenbar zum Umdenken an: Anstatt den hiesigen Markt wie gewohnt weiterhin ausschließlich als Ressource für die eigene Akquise zu begreifen, möchte man sich nun – in den Worten von Sotheby’s Deutschland-Chefin Franka Haiderer – als „First Mover“ unter den internationalen Häusern auch sein Absatzpotential zunutze machen. Die Entscheidung für den Standort Köln begründet man mit der hier besonders dichten Galerien- und Sammlerszene, der Attraktion der Art Cologne sowie der Nachbarschaft der Benelux-Länder, die man ebenfalls als Einzugsgebiet einplant. Entsprechend repräsentative Räume fand man im Palais Oppenheim über dem Rheinufer.
Wie es aussieht, ist der Global Player bereit, sich das Geschäft mit den anderen Häusern zu teilen. Jedenfalls kündigte Stewart an, dass man sich in der Kölner Filiale auf Moderne und Zeitgenossen, Design, Fotografie und Luxusartikel konzentrieren und sich vor allem zunächst auf Online-Auktionen beschränken wolle. Gerade damit hat Sotheby’s während der Pandemie beste Erfahrungen gemacht: Allein in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres erzielte man online mit 285 Millionen Dollar das Dreifache des Gesamtumsatzes von 2019. Auch der vom Haus ungewohnte Preis-Range (ab 3000 Euro) verdankt sich wohl den jüngsten Erfahrungen mit dem Online-Geschäft, denn im Rahmen einer physischen Auktion wäre die Vermarktung von Losen in dieser Preis-Kategorie unrentabel gewesen, den logistischen Aufwand für einen Transport etwa nach London nicht eingerechnet. Das soll mit dem neuen Standbein nun alles einfacher werden: Drei Online-Auktionen will das Kölner Team noch in diesem Herbst durchführen.
Sozusagen als Feuerprobe wird vom 10. bis 17. September unter dem Motto „Modern & Contemporary Art“ eine stattliche Auswahl an zum Teil bedeutenden Werken von Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts versteigert, darunter Originale von Max Liebermann, Max Pechstein, Alexej von Jawlensky, Emil Nolde und Rupprecht Geiger. Voraussichtlich am teuersten wird eines der begehrten Wannsee-Bilder von Max Liebermann. Das Motiv „Der Nutzgarten in Wannsee nach Westen“ entstand 1920, im gleichen Jahr, in dem der deutsche Vorzeige-Impressionist die Präsidentschaft der Berliner Akademie antrat. Trotz seiner exponierten Stellung im Berliner Kunstleben signalisiert die Reihe seiner seit 1915 / 16 einsetzen-den Gartenbilder bereits einen allmählichen Rückzug des alternden Liebermann vom Zeitgeschehen. Wider Willen wurde der in großbürgerlichen Verhältnissen lebende Künstler Augenzeuge der Revolution von 1918/19 und blutiger Straßenkämpfe direkt vor seinem Haus. Er nahm die wachsende Armut der Nachkriegsjahre wahr und auch die zunehmende Bedrohung durch den Antisemitismus. Und überhaupt empfand er Berlin nach eigenem Bekunden als „schmutzig und zerlumpt“. Zudem unternahm der über 70-Jährige in dieser Lebensphase auch keine größeren Reisen mehr, sodass der Garten seiner Sommerresidenz in Wannsee als Refugium und Gegenwelt zu einer zunehmend als fremd und feindlich wahrgenommenen gesellschaftlichen Realität immer mehr an Bedeutung gewann. Der im vorliegenden Bild gegebene Winkel des Gartens mit seinem dichten Baumbestand, der den Bildraum nach hinten abschließt, verleiht dem Ausschnitt einen intimen, interieurhaften Charakter. Veranschlagt sind dafür 300.000 Euro.
In der großen Krise der Berliner Secession von 1910, in der sich die unüberwindliche Kluft zwischen den bürgerlich-konservativen Impressionisten und der Generation der Expressionisten offenbarte, gebärdete sich Emil Nolde als erbitterter Gegner Liebermanns. Der Auslöser war: Unter dem Vorsitz Liebermanns hatte der Secessions-Vorstand 27 eingereichte Werke der Expressionisten zurückgewiesen. Nolde warf dem 20 Jahre Älteren empört Fortschrittsfeindlichkeit und diktatorische Allüren vor und giftete: „Dem so klugen alten Liebermann geht es wie so manchem klugen Mann vor ihm: Er kennt seine Grenzen nicht“. Der Eklat führte gegen Liebermanns Willen zum Ausschluss Noldes, der keine Zeit verlor und mit seinen Mitstreitern noch im gleichen Jahr mit der provokant titelnden Ausstellung „Zurückgewiesene der Secession Berlin 1910“ die „Neue Berliner Secession“ aus der Taufe hob. Von ihm wird ein Aquarell versteigert, das 1913 als Souvenir einer Südost-Asien-Reise entstand, für die der Künstler im Rahmen der Medizinisch-demografischen Neuguinea-Expedition des Reichskolonialamtes als Zeichner verpflichtet worden war. Das Fernweh-Motiv „Dschunken mit gelbem Segel vor violettem Himmel“ ist mit 24.000 Euro veranschlagt.
Max Pechstein zählte zu den prominentesten Mitgliedern der Secession, die 1910 mit Nolde gegen deren Vorstand opponiert hatten. Zusammen mit diesem trat er 1910 aus und gesellte sich ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern der „Neuen Secession“, als deren Präsident er schließlich gewählt wurde. Als er bei einer erneuten Wahl in seinem Amt wider Erwarten nicht bestätigt wurde, traten alle Brücke-Maler geschlossen aus und beschlossen, sich künftig auf Ausstellungen nur noch als geschlossene Gruppe zu präsentieren. Doch einmal erwiesene Loyalität fordert ihren Preis: Als der treulose Pechstein wortbrüchig wurde und gegen jede Absprache 1912 an einer Ausstellung der guten alten Berliner Secession teilnahm, erhielt er von den erbosten Brücke-Kollegen umgehend die Papiere. Überhaupt fehlte der Gruppe offenbar eine gewisse Fähigkeit zur Integration, denn schon bald darauf löste sie sich nach einem weiteren Zerwürfnis – diesmal mit Ernst Ludwig Kirchner – endgültig auf. 120.000 Euro erwarten die Kölner für sein sehr dekoratives Landschaftsgemälde „Herbstschatten“, in dem der Blick über eine von eng stehenden, leuchtend eingefärbten Bäumen gesäumte Allee in die Bildtiefe gelenkt wird. Angeboten werden unter anderem außerdem: ein kaum postkarten-großes Stillleben von Alexej Jawlensky („Blauvioletter Klang“, Taxe 30.000 Euro), eine unbetitelte Arbeit des Zero-Gründers Otto Piene von 1973 (Taxe 40.000 Euro), eine Mischtechnik des großen Einzelgängers Walter Stöhrer von 1981 („Kopf-Torso“, Taxe 35.000 Euro), sowie gewohnt Geometrisch-Abstraktes von Rupprecht Geiger aus dem Jahr 1957 (Taxe 30.000 Euro).
SOTHEBY’S Köln,
Auktion 10. – 17. September,
Besichtigung bis 16. September