Nautiluspokal von Eugen Gutmann

Restituierte Kostbarkeit

Von den Nazis geraubt, jetzt den Nachfahren des ehemaligen Besitzers Eugen Gutmann zurückgegeben: Bei Sotheby’s erzielte ein bedeutender Nautiluspokal den angemessen hohen Preis

Von Sebastian Preuss
10.12.2021

Die Schatten der Geschichte sind lang, und immer noch ist der Kunstraub der Nazis vor allem aus jüdischem Besitz ein brennendes Thema in den Museen und am Kunstmarkt. Im Idealfall erhalten die Familien der einst beraubten – sehr oft auch umgebrachten – Sammler die verlorenen Kunstwerke zurück. Nach Jahrzehnten und viel zu spät, aber immerhin ist seit dem Washingtoner Raubgutabkommen 1998 Jahren weltweit die Einsicht gewachsen, dass aus dem erlittenenen Unrecht endlich die Konsequenten gezogen werden müssen.

Wird dann ein bedeutendes Kunstwerk an die Erben restituiert, ist das Interesse groß, weil die Provenienzketten oft klangvolle, ja legendäre Namen aufweisen. Und viele der Stücke sind von so hoher Qualität, wie sie heute am Markt selten geworden ist. Für den Nautiluspokal aus der Sammlung von Eugen Gutmann trifft das in beiden Punkten zu, sodass er jetzt bei Sotheby’s in London ein überragendes Ergebnis erzielte. Taxiert auf 400.000 bis 600.000 Pfund, kletterte das Goldschmiedewerk samt Aufgeld auf 1,8 Millionen Pfund.

Die nach dem Freilegen und Polieren des Perlmutts herrlich schimmernden Gehäuse des Nautilus-Kopffüßlers waren im 16. und 17. Jahrhundert sehr begehrt als Schaustücke der Kunst- und Wunderkammern. Um die Exotik der Schalen von den Riffbänken des Pazifiks mit ihrer charakteristischen Schneckenform gebührend herauszustellen, wurden sie mit aufwendigen Montierungen versehen. Besonders in den nördlichen Niederlanden, der Seefahrernation mit der Wohlstand und fernöstliche Kostbarkeiten ins Land bringenden Ostindien-Kompanie, standen diese maritimen Kuriositäten hoch im Kurs.

Nautiluspokal Jacob de Grebber Sammlung Eugen Gutmann Restitution Sotheby’s
Nautiluspokal des Amsterdamer Meisters Jacob Claesz. de Grebber, 1628. Das Goldschmiedewerk, ehemals in der Sammlung von Eugen Gutmann, kam nach der Restitution an die Familie am 7. Dezember bei Sotheby’s London zum Aufruf und erzielte 1,8 Millionen Pfund. @ Sotheby’s

Der Amsterdamer Goldschmied Jacob Claesz. de Grebber schuf 1628 die raffinierte skulpturale Fassung des Gutmann-Nautilus aus vergoldetem Silber. Allerlei Kreaturen, darunter fantasievolle Mensch-Tier-Figuren, bilden den bewegten Fuß, während auf der Öffnung des Nautilusgehäuse Neptun auf einem Seepferd den Triumph des Meeres verkörpert. Die bekrönende Figur ist womöglich der Kentaur Nessos aus der griechischen Mythologie. Das Stück wurde damals schon so geschätzt, dass es um 1645 auf einem Gerrit Willemsz. Heda zugeschriebenen Prunkstillleben (heute in der Londoner National Gallery) verewigt wurde.

Im Jahr 1904 verkaufte der Londoner Kunsthändler Charles Wertheimer den Nautiluspokal an Eugen Gutmann – für die damals stattliche Summe von 75.000 Reichsmark. Gutmann, leidenschaftlicher Sammler von Schatzkunst, stammte aus einer wohlhabenden Bankiersfamilie. 1872 gründete er die Dresdner Bank, die unter seiner Führung schnell zu einer der größten deutschen Geldinstitute aufstieg und auch international zunehmend eine Rolle spielte. Nach Gutmanns Tod 1925 erbte sein Sohn Fritz die berühmte Sammlung, die sich mit fürstlichen Kunstkammern messen konnte, und brachte sie in sein Anwesen in den Niederlanden. Wegen der jüdischen Herkunft der Familie gerieten Fritz und Louise nach dem Einmarsch der Deutschen 1940 in Lebensgefahr. Trotz verschiedener Versuche, die Kollektion zu retten, konfiszierte das NS-Regime den ganzen Besitz. Das Ehepaar wurde in Theresienstadt und Auschwitz ermordet, während ihr Sohn Bernard in London überlebte.

Simon Goodman, der Urenkel Eugen Gutmanns, erforscht seit den Neunzigerjahren das Schicksal der geraubten Familiensammlung und konnte bereits zahlreiche Stücke ausfindig und auch wieder in Empfang nehmen. So jetzt Grebbers Nautiluspokal, der nach dem Krieg verschiedene Besitzer hatte – zuletzt einen amerikanischen Sammler, dessen Erben sich mit der Gutmann-Familie einigte. Der kunsthistorische Rang und die faszinierende Aura des Kunstwerks, aber auch die bewegende Geschichte seiner Besitzer haben den Eindruck auf die Bieter nicht verfehlt.

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