Eine Ausstellung und zwei Oldtimer-Auktionen bei Bonhams und Sotheby’s in Paris widmen sich der Schönheit des Schnellen – mit legendären Sportwagen von Ferrari bis Bugatti
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18.01.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 1
Manchmal ist Technik ja schon vorausschauend: „La Jamais Contente“ nannte der belgische Ingenieur und Rennfahrer Camille Jenatzy den torpedoförmigen Boliden, mit dem er 1899 erstmals die 100-Stundenkilometer-Marke knackte. Die „niemals Zufriedene“ passt aber auch gut in die heutige Zeit: Angetrieben wurde das Gerät nämlich von einem Elektromotor, ehrfürchtig rief man Jenatzy „roter Teufel“ nach. Gut hundert Jahre später hat der monegassische Wagenbauer Venturi das Modell quasi wiederbelebt. Im Jahr 2009 erreichte sein an einen Flugzeugrumpf erinnernder, gleichwohl noch per Radantrieb beschleunigter VBB-2 487 Stundenkilometer. Im September 2016 stellte der Testpilot Roger Schroer dann mit dem Venturi VBB-3 den bisher unübertroffenen Rekord für Elektrofahrzeuge von 549 km/h auf.
Als ganzer Stolz des Museumsleiters Rodolphe Rapetti, steht das Modell nun im Château de Compiègne. Noch bis 28. März präsentiert dort Frankreichs nationales Automobilmuseum, eine rasche Autostunde im Nordosten von Paris gelegen, solche und andere Geschichten vom Traum grenzenloser Propulsion. Die über 50 Objekte, 77 Zeichnungen und zehn Gemälde der Schau stammen größtenteils aus der hauseigenen Sammlung. Die ist üppig, schränkt allerdings das Thema auf affirmative, meist mit männlicher Virilität und Macht assoziierte Exponate ein. Kenner kritischer weiblicher Diskurse über den „Rausch am Raschen“ werden enttäuscht.
Nichtsdestotrotz bieten die Objekte vom Beginn der Lokomotion bis in unsere Zeit hinein reichlich Anschauungsmaterial dazu, wie sich die Gestaltung des Schnellen immer wieder überbot. Das gilt nicht nur für motorgetriebene Fahrzeuge. Ein Lächeln dürfte über das Gesicht der inzwischen an Leihfahrräder gewöhnten Pariser huschen, wenn sie vor dem Rekordfahrrad von José Meiffret stehen. Dessen mächtiger Pedal-Zahnkranz katapultierte den Radpiloten 1962 auf die unglaubliche Geschwindigkeit von 204 km/h. Aristokratischer als Meiffrets Eigenbau verblüfft ein anderer Rekordgleiter: Der üppig dekorierte Schlitten von Kaiserin Josephine, unpraktisch mit seiner den Blick verstellenden antiken Statue auf dem Kutschbock, erreichte um 1810 sagenhafte 15 km/h. Geschwindigkeit, so Museumsleiter und Kurator Rodolphe Rapetti im Interview, sei immer relativ.
Sie zu gestalten, war der Antrieb der Moderne. Luigi Russolo malte 1913 „Automobile in corsa“ – und machte nebenbei sichtbar, was beim Rennen auf der Strecke bleibt: der Mensch. Inspiriert von futuristischer Bildauflösung, huldigte Reynold Arnould 1957 bis 1960 mit „Vitesse“ automobiler Geschwindigkeit. Interessant, dass er auch „La Grégoire Sport Coupé“ in Öl festhielt. Mit diesem Modell, damals zu einem Preis gehandelt, für den man auch zehn Citroën 2CV – also „Enten“ – kaufen konnte, erregte die Schriftstellerin Françoise Sagan 1956 Aufsehen. Die „Bonjour tristesse“-Autorin, die schnelle Autos liebte, verunglückte im Jahr darauf schwer mit einem Aston Martin, den es mit 160 km/h von der Straße hob.
Die Endgeschwindigkeit eines Fahrzeugs, so Rapetti, ist nicht nur aus aerodynamischen Gründen maßgeblich fürs Automobil-Design. Denn wenn ein Auto schnell ist, dann soll das auch auf dem Parkplatz sichtbar sein. Das gilt sicher für den Ferrari 166 MM „Barchetta“, mit dem der italienische Autobauer 1949 erstmals das Rennen in Le Mans gewann. Als eines der Glanzstücke der Ausstellung unterstreicht gerade dieser fließend gestaltete rote Renner das Paradox der Dynamik: Geschwindigkeit wird erst zur Bezugsgröße, wenn das Gefährt bereits vorbeigefahren ist. Genau deshalb passen „schnelle“ Designs auch gut ins Museum.
Mit Tempo 30, das seit geraumer Zeit fast im gesamten Pariser Stadtgebiet nicht überschritten werden darf, kann man (vermutlich um einen Parkplatz verlegen) am 2. Februar zu Sotheby’s an der Place Vauban tuckern. Beseelt von einem Achtzigerjahre-Feeling, wie es der James-Bond-Film „Sag niemals nie“ verströmt, könnte man sogleich die Hand für den weißen Renault 5 Turbo 2 heben – eines von 3180 Sportflitzer-Modellen des braven Kleinwagens (Taxe 110.000 Euro). Aufregend: Der Vierzylinder-Turbomotor saß hier nicht mehr – wie sonst – unter der Vorderhaube, sondern dort, wo beim normalen Auto die Rücksitze sind. So wärmt einem ein 1,4-Liter-Vierzylinder mit 160 PS den Rücken, wenn man auf bis zu 205 km/h beschleunigt – so schnell war damals ein Porsche 924. Während der Porsche allerdings durch „gutes“ Design überzeugte, wagte Renault die Extravaganz: Weit ausgestellte hintere Kotflügel (plus elf Zentimeter auf jeder Seite) geben Platz für Lüftungsschlitze zur Motor- und Ölkühlung. Das brachte dem Brummer den Spitznamen „Backenturbo“ ein.