Der Markt für afrikanische und ozeanische Kunst wird durch hitzige Debatten erschüttert. Auf einmal, so scheint es, steht der ganze Handel unter Raubkunstverdacht. Fünf Auktionshäuser haben sich zur Zukunft des traditionsreichen Sammelgebiets geäußert
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03.02.2022
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Kunst und Auktionen 2/22
Der Markt für die traditionelle Kunst aus Afrika und Ozeanien – die sogenannte Tribal Art – ist jahrelang gewachsen, ohne dass die breite Öffentlichkeit größeren Anteil daran genommen hätte. Die Nische der Aficionados traf sich bevorzugt in Brüssel und Paris – auf Auktionen und auf den jährlichen Messen wie dem „Parcours des Mondes“. Die großen Geschäfte wurden allerdings mit Investoren gemacht. Und mit Prestige-Käufern, die die expressiven Masken und Figuren als spannende Ergänzungen zu ihren Sammlungen aus anderen Themengebieten ansahen.
Aktuell wird dieser traditionsreiche Markt durch hitzige Diskurse disruptiv erschüttert. Sie drehen sich im Grunde um die Frage, wie afrikanische und ozeanische Kunst in den Besitz westlicher Museen gelangte und wie man aus postkolonialer Perspektive nun damit umgehen soll. So forderte beispielsweise die New York Times am 6. Januar in einem Artikel bezüglich der Ausstellung „The African Origin of Civilization“ im MET, es müsse klar werden, „how the wondrous works got here“. Auf einmal, so scheint es, steht der ganze Sektor unter Raubkunstverdacht. Mittlerweile haben diverse Museen afrikanische Kunst aus ihrem Besitz auch bereits restituiert oder planen deren Rückführung. Dabei erscheint es fast schon als Ironie der Geschichte, dass mit den Königreichen Dahomey (heute Benin) und Benin (heute Teil von Nigeria) just die beiden Länder zuallererst bedacht wurden, die früher zu den größten Sklavenhändlern auf dem afrikanischen Kontinent gehörten und mit den Europäern jahrhundertelang gute Geschäfte gemacht haben. Aber das nur am Rande.
KUNST UND AUKTIONEN hat fünf große internationale Auktionshäuser, bei denen die afrikanische und ozeanische Kunst eine wichtige Kategorie ist – aber bei Weitem nicht die wichtigste –, über ihre weiteren Strategien bezüglich des Sektors befragt. Stellvertretend für ihre jeweiligen Häuser haben sich geäußert: Victor Teodorescu, Head of Sale für African and Oceanic Art bei Christie’s; Fred Backlar, International Director des African, Oceanic and Pre-Columbian Art Department bei Bonhams; Doris Krumpl, Pressesprecherin des Dorotheums; Tim Teuten, Experte für Afrikanische und Ozeanische Kunst bei Lempertz; und eine Sprecherin von Sotheby’s.
Und die entscheidende Nachricht vorab lautet: Entgegen anderslautender Gerüchte setzen alle Häuser weiter auf das Pferd „Tribal Art“. Dass Christie’s „die Geschäfte wie gewohnt weiterführen“ würde, wie Teodorescu angab, war freilich anzunehmen: Das Auktionshaus war 2021 der unangefochtene Leader auf dem Gebiet. Aber auch die anderen Befragten wollen zunächst nichts an ihrer Ausrichtung ändern, sondern eher offensiv in ihre nächsten Auktionen gehen – bei denen das Dorotheum unter anderem Objekte aus der Sammlung Leopold und der Sammlung Phillip Goldman anbieten wird. Sotheby’s bereitet „große Auktionen“ für den Beginn des Jahres vor, und auch Lempertz möchte wieder Kontinuität durch „regelmäßige Verkäufe“ erlangen, nachdem der Zeitplan „durch Covid durcheinandergebracht wurde.“
Äußerst optimistisch bewertet Backlar von Bonhams die Sitiuation: „Qualitativ hochwertige Kunstwerke aller Preisklassen, die frisch auf dem Markt sind, werden weltweit sowohl von erfahrenen als auch von neuen Sammlern stark nachgefragt. Für unsere Auktionen haben sich in den letzten zwei Jahren erheblich mehr Kunden angemeldet – vor allem aufgrund von Online-Aktivitäten. Und unsere E-Mail-Datenbank wächst weiter: In diesem Jahr haben wir über 35.000 neue Abonnenten dazubekommen.“
Aber wie sieht es mit der Vermarktungsstrategie der traditionellen afrikanischen und ozeanischen Kunst aus? Sollen die Spezialabteilungen unabhängig bleiben? „Das Hauptaugenmerk von Bonhams“, sagt Backlar, „liegt auf der Förderung und Entwicklung des Markts für afrikanische und ozeanische Kunst. In diesem Zusammenhang suchen wir natürlich nach neuen Möglichkeiten des Cross-Marketings mit anderen Sammelgebieten. Entweder direkt mit Abteilungen wie der modernen oder der zeitgenössischen afrikanischen Kunst. Oder auch mit anderen Abteilungen bei Themenverkäufen“.
Auch bei Sotheby’s setzt man auf Cross-over-Effekte: Man sei ohnehin das erste Auktionshaus gewesen, „das Vorverkaufsausstellungen organisierte, in denen moderne und zeitgenössische Kunst mit Werken afrikanischer Kunst kombiniert wurden. Diese Ausstellungen“, so Sotheby’s, „veranschaulichen die westliche Wertschätzung afrikanischer Kunst, die auch die Künstler der Moderne im frühen 20. Jahrhundert inspiriert hat – allen voran Picasso.“