Das polnische Auktionshaus Desa Unicum ruft das „Porträt einer Dame“ von Peter Paul Rubens für knapp 4 Millionen Euro auf. Schon lange wird gerätselt, wen das Bildnis zeigt
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14.03.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 4/22
„Durch alle seine Arbeiten zieht sich ein großer Mangel an jener feinen Vornehmheit und Eleganz des Geistes, die für die höheren Sphären der Malerei nötig sind.“ Sollte sich dieses harte Urteil über Peter Paul Rubens (1577 – 1640) auch auf das etwa lebensgroße „Porträt einer Dame“ beziehen, das am 17. März im Warschauer Auktionshaus Desa Unicum bei (umgerechnet) knapp 4 Millionen Euro aufgerufen wird? Für diesen Fall hätte sich Sir Joshua Reynolds, selbst Porträtist und Autor der viel beachteten Discourses on Painting, in seiner Vorlesung vom 10. Dezember 1775 gründlich geirrt. Sehr gut möglich ist aber, dass Reynolds – der sich des Öfteren über Bildnisse von Rubens äußerte, unter anderem über den bekannten „Strohhut“ – das Gemälde gesehen hat, das sich seit dem Verkauf 1626 / 27 (wohl direkt aus Rubens’ Werkstatt) an den ersten Herzog von Buckingham bis 1848 in englischem Adelsbesitz befand.
Mit einigem Stolz listet das Warschauer Auktionshaus, das auch seine starke Marktposition in Europa demonstrieren möchte, eine lückenlose Provenienz des Gemäldes auf. Sie reicht von jenem Buckingham bis in die jüngste Vergangenheit, als es 2012 aus der Familie des letzten ägyptischen Königshauses (dort seit 1950) in eine Londoner Privatsammlung überging. Überdies lässt Desa Unicum wissen, dass das „Porträt einer Dame“ gründlich restauriert worden ist und dass es um das teuerste je in Polen gehandelte Bild geht – und dies, obwohl die Rubens-Werkstatt bei seiner Entstehung mitwirkte. Arbeitsteilung war gerade in Rubens’ Antwerpener Atelier an der Tagesordnung. Im aktuellen Fall wird der Meister zumindest den schwierigsten Part, nämlich das Antlitz und die Hände als wesentliche Ausdrucksträger, selbst gemalt haben.
Offenbar hatte die Dame fast von Anfang an ihre gesicherte Identität verloren. Bereits 1635 tauchte sie in Buckinghams Inventar als „A Portugese Lady“ auf, 1682 dann in der Sammlung des Malers Sir Peter Lely als „The Picture of Reubens Wife“. Christie’s nannte sie 1848 „Helena Forman“ mit dem Zusatz „Rubens. A very fine portait of Rubens’ favourite wife“; wenig später, 1872, stand sie als „Eleanor Brand in a rich dress“ zum Verkauf. Fortan wechselte das „Portrait of his wife, by Rubens“ mehrmals den Besitzer, bis die schöne Dame 1910 – nun „Rubens, Isabelle Brandt“ bezeichnet – von Paris aus nach Kopenhagen verkauft wurde. Ob die auf dem Keilrahmen angebrachte Inschrift „RUBENS’ Wife, by RUBENS …“ zur Namensfindung beiträgt?
Danach dürfte, wenn man das Datum des ersten Verkaufs 1626 / 27 berücksichtigt, eigentlich nur Isabella Brant für das „Porträt einer Dame“ infrage kommen. Zur weiteren Enthüllung ihres Inkognitos bieten sich Vergleiche mit überlieferten Bildnissen seiner ersten Frau an. Das berühmteste entstammt Rubens’ „Selbstporträt mit Isabella Brant in der Geißblattlaube“ von 1609, auf dem der Maler ihr Antlitz und den aus dem Bild gerichteten Blick gleichermaßen leicht aus der Frontalität gerückt hat. Übereinstimmend mit dem „Porträt einer Dame“ zeigen sich – nicht nur auf dem Doppelporträt – Isabellas ein wenig schräg gestellte braune (?) Augen unter gebogenen Brauen, der gerade Nasenrücken und die geschwungenen Lippen. Allerdings ist das Gesicht, aus dem uns die Lady nach 400 Jahren so frisch anschaut, ein wenig schmaler, vielleicht auch nicht mehr ganz so blutjung, was der von Desa Unicum vorgeschlagenen Datierung des Gemäldes um 1620 / 25 entspräche. Isabella Brant ist 1626 gestorben. Übrigens hat auch der Rubens nahestehende Antonis van Dyck 1621 Isabella porträtiert und dieselben Merkmale ihrer Physiognomie herausgestellt.
Es wäre gewiss zu kühn, endgültig in ihr das Modell des Gemäldes erkennen zu wollen. Eines aber ist ziemlich sicher: Isabella hat Pate gestanden, zumindest in den Gedanken des Malers. Hier kommt eine Röntgenaufnahme ins Spiel. Danach handelt es sich bei dem Bildnis höchstwahrscheinlich um die präzise Übertragung von einem anderen Gemälde – doch von Isabellas Porträt? Später ist Rubens auch die zweite Frau, Hélène Fourment, beim Malen durch den Kopf gegangen. Sie schaut zweifelsfrei aus so manchem Bild, etwa als Madonna mit dem Jesuskind.
Die Meisterschaft dieses Gemäldes zeigt sich tatsächlich im Gesicht und an den Händen. Sanftmut liegt in diesem klaren Blick und in dem Mund, der im nächsten Augenblick zu lächeln ansetzen könnte. Zart wie Porzellan hebt sich das helle, rosig belebte Inkarnat vom braunen, sich natürlich kräuselnden Haar und dem dunklen Hintergrund ab. Wie dieses ruhige, entspannte Antlitz vermittelt die Geste der schmalen Hände Gelassenheit. Rubens schenkte den Händen stets besondere Aufmerksamkeit; sie insbesondere sind Ausdruck der Harmonie in seinem Doppelbildnis von 1609. Einen Ring und Armschmuck wie Isabella Brant trägt die Dame des Gemäldes allerdings nicht. Dafür rahmt eine Goldkette mit kostbarer Brosche ihr modisches Dekolleté. Den zarten Stoffen ihres Gewands galt nicht dieselbe Sorgfalt, wie man sie von Rubens’ Damenbildnissen kennt; hier beispielsweise könnte man die Assistenz eines Mitarbeiters vermuten. Dennoch möchte man dem „Porträt einer Dame“ jene „feine Vornehmheit und Eleganz des Geistes“ attestieren, die der kritische Sir Joshua Reynolds in Rubens’ Arbeiten vermisst hat.