Bassenge versteigert ein Selbstbildnis der Berliner Porträtistin Anna Dorothea Therbusch und ein Stillleben von Giovanna Garzoni. Beide Malerinnen werden nur selten gehandelt
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30.05.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen 9/22
Die Berliner Porträtistin Anna Dorothea Therbusch (1721 – 1782) gehörte dank so mächtiger Auftraggeber wie Friedrich II. von Preußen und Katharina II. von Russland zu den erfolgreichsten Malerinnen des 18. Jahrhunderts; trotzdem war sie bald nach ihrem Tod vergessen. Erst im vergangenen Jahr zeigte eine Ausstellung der Berliner Gemäldegalerie anlässlich ihres 300. Geburtstags die Ausnahmekünstlerin im Licht wiedererlangter Aktualität.
Aufbereitet wurde ihre Geschichte dort als idealer Stoff für Frauen-bewegte Romane und Drehbücher, doch wenigstens in der ersten Hälfte ihres Erwachsenenlebens erfüllte Therbusch fügsam alle Erwartungen, die ihre Zeit mit dem Rollenbild der Frau verband. Nach der Ausbildung zur Malerin durch ihren Vater, den preußischen Hofmaler Georg Liesiewski, stellte sie ihre beruflichen Ambitionen zunächst zurück, heiratete einen wohlhabenden Gastwirt und wurde Mutter von fünf Kindern. 1761 aber reichte es ihr offenbar: Sie ließ ihre Familie zurück und folgte dem Ruf des Herzogs von Württemberg an seinen Hof in Stuttgart; ihren weiteren Aufstieg sicherte die Ernennung zur Hofmalerin durch den badischen Kurfürsten Carl Theodor in Mannheim.
Als dorniger erwies sich der wichtige Karriereschritt nach Paris: Die Aufnahme an der konservativen Académie Royale, dank einer Frauenquote von 4 zu 70 ohnehin schwierig genug, gelang erst im zweiten Anlauf – ihre Autorschaft an den eingereichten Arbeiten hatte die Jury zunächst mit der einleuchtenden Begründung angezweifelt, dass sie schlicht „zu gut für eine Frau“ seien. Zudem sorgte ihre mythologische Historie „Jupiter und Antiope“ im Pariser Salon für einen Eklat, da ihre Darstellung der nackten Nymphe eine eingehendere Kenntnis der menschlichen Physis verriet, als für Frauen damals als schicklich empfunden wurde. Der Freidenker Diderot sah das entspannter: Als ihn die Malerin seinen Erinnerungen zufolge bei einer Sitzung darum bat, den oberen Knopf seines Hemdes zu öffnen, verschwand er kurz hinter einem Vorhang, um seinen Platz vor der Staffelei gleich darauf mit gänzlich entblößtem Oberkörper wieder einzunehmen; anders als gelegentlich kolportiert, behielt er seine Beinkleider dankenswerterweise an.
Er wie auch Therbuschs späterer Dienstherr Friedrich II. von Preußen gefielen sich vor allem wohl im schmeichelhaft blühenden Ton des Inkarnats, den die Künstlerin durch eine aufwendige Lasurtechnik erzielte und zu einem Markenzeichen kultivierte. Das häufig zitierte „Therbusch-Rosa“ nahm im Bildnis Friedrichs fast ungesunde Züge an, doch der alternde König war zufrieden und konstatierte nicht ohne Selbstironie: „Um ihren Pinsel nicht zu entehren, hat sie mein verzerrtes Gesicht wieder mit der Grazie der Jugend aufgeschmückt.“
Die Grazie der Jugend … auch die Malerin selbst mochte nicht davon lassen und präsentierte sich noch 1778 – als immerhin 57-Jährige – mit jugendlich rosigen und gerundeten Wangen in ihrem französisch inspirierten „Selbstbildnis als Bacchantin“, das bei Bassenge, Berlin, Anfang Juni zum Aufruf kommt. Helmut Börsch-Supan, der auch das Gutachten schrieb, vermutet hinter der Selbstdarstellung als vitale und unverändert attraktive „Frau ohne Alter“ freilich mehr als nur weibliche Eitelkeit. Nach der Ankunft des 30 Jahre jüngeren Johann Heinrich Wilhelm Tischbein in Berlin ein Jahr zuvor habe die dominierende Porträtistin der preußischen Hauptstadt möglicherweise dadurch kommunizieren wollen, dass es für sie derzeit keinen Grund gab, ihren angestammten Markt bereits an die nachfolgende Generation zu übergeben.
Tatsächlich gelang es ihr, ihre Rolle im Berliner Kunstleben gegen den jüngeren Konkurrenten erfolgreich zu verteidigen und ihrer Karriere neuen Schwung zu geben. Mit den erwarteten 45.000 Euro orientiert sich das Haus vermutlich an dem Ergebnis bei Grisebach Ende 2020 für ein rund zehn Jahre früher entstandenes Selbstbildnis als „Flora“. Unberücksichtigt bleibt dabei allerdings das Potential, das die Berliner Ausstellung für die weitere Rezeption der Malerin erschlossen haben dürfte; dazu kommt, dass lediglich ein halbes Dutzend Gemälde von ihr in den vergangenen zehn Jahren auf dem Auktionsmarkt angeboten wurde.
Fast ebenso selten gehandelt wird Giovanna Garzoni, eine Zeitgenossin und Freundin Artemisia Gentileschis. Nicht über alle Stationen ihrer Biografie herrscht Klarheit: Geteilter Meinung ist man etwa über ihre kurzlebige Ehe mit dem Porträtmaler Tiberio Tinelli, die sie aufgrund eines Keuschheitsgelübdes aufgelöst haben soll. Vorgeschlagene Aufenthalte in Frankreich und England sind ebenso denkbar, aber nicht schlüssig belegt. Aber auch ohne solche mutmaßlichen Ausschmückungen war ihre Vita bewegt genug: 1616 findet man die erst 16-Jährige in Rom, vier Jahre später in Venedig, wo sie eine Kalligrafie-Schule besuchte und für die Kirche des Ospedale degli Incurabili einen „Heiligen Andreas“ schuf.
1630 ging sie gemeinsam mit ihrem Bruder nach Neapel; dort konzentrierte sie sich im Dienst des spanischen Vizekönigs vor allem auf Porträt-Aufgaben. Nach einem weiteren Aufenthalt in Rom erhielt sie 1632 eine Anstellung am Hof des Herzogs von Savoyen in Turin – angeblich als Miniaturistin am Gericht. Eine Frage für Spezialisten: Welches Aufgabenfeld erschloss sich im 17. Jahrhundert für einen Miniatur-Maler an einem Gericht? Die Dokumentation eines Zankapfels oder eines corpus delicti für das Akten-Archiv? Oder beruht diese Angabe schlicht auf einem Übersetzungsfehler? Für die Forschung gibt es jedenfalls noch ausreichend zu tun. Den Höhepunkt von Garzonis Laufbahn markieren ohnehin die Jahre in Florenz ab 1642, wo sie für mehrere Mitglieder der Medici-Familie arbeitete, darunter Großherzog Ferdinand II. und seine Frau Vittoria della Rovere; die letzten zwei Jahrzehnte ihres Lebens verbrachte die Malerin in Rom.
Neben ihrer Leistung im Stillleben-Fach, für die erste Beispiele in die Jahre in Neapel fallen, wird ihre Bedeutung vor allem im Bereich der wissenschaftlichen Illustration gesehen. Dabei richtete sie ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf so „weibliche“ Sujets wie Blumen und Früchte, sondern auf alles, was in einer Epoche der Erforschung und Ausbeutung junger Kontinente in den zeittypischen „Wunderkammern“ angehäuft wurde: von chinesischem Porzellan bis zu exotischen Pflanzen und Tieren, zu denen – wenigstens für Garzoni – offenbar auch englische Schoßhündchen zählten.
Mit der Verlagerung der Themenschwerpunkte fiel auch die Hinwendung zu Tempera- und Gouache-Arbeiten zusammen, die sie bevorzugt auf Pergament ausführte. Ein besonders qualitätvolles Beispiel kann das Haus im Kontext des Sonder-Katalogs „Delikatessen“ anbieten. Das kleine Pergament zeigt eines der gesuchten botanischen „Stillleben mit Birnenzweig, gedörrten Birnen, einer Mandel in Schale und einer Stubenfliege“. Angedacht sind dafür 60.000 Euro – eine wahrhaft maßvolle Taxe für eine Künstlerin, die dem Vernehmen nach zu Lebzeiten für ihre Werke jeden gewünschten Preis aufrufen konnte!