Goldschmiede Hermeling

Mittelalterliche Moderne

Die Kölner Gabriel Hermeling und Joseph Kleefisch schufen in der Gründerzeit Meisterwerke in Email und Silber. Nagel versteigert nun rare Stücke

Von Sabine Spindler
09.05.2022
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 198

Fast jeder auf der Düssel​dorfer Gewerbeausstellung blieb vor dieser blauen Emailtafel stehen und staunte. Es war nichts zu sehen außer einer perfekt glänzenden Fläche, deren Farbe magische Kräfte entwickelte. So schön war sie. Die Zeit von Yves Klein, der in den 1950er-Jahren erste monochrome Bilder zeigte, lag noch weit in der Zukunft. Wir schreiben das Jahr 1880. Das Deutsche Reich war jung. Der Kölner Hofgoldschmied und Emailleur Gabriel Hermeling hatte die Platte als Hintergrund für den Hochaltar der Kölner romanischen Kirche St. Maria im Kapitol gefertigt und wieder einmal bewiesen, dass er diese Technik des Mittelalters bestens beherrscht.

Miniaturhausaltar Joseph Kleefisch Nagel Auktion
Der Miniaturhausaltar von Joseph Kleefisch kommt bei einer Taxe von 2500 bis 4000 Euro zum Aufruf. © Nagel Auktionen, Stuttgart

Hermeling und sein Schwiegersohn Joseph Kleefisch gehörten Ende des 19. Jahrhunderts zu den gefragtesten Kunsthandwerkern, wenn es um Silber- und Emailarbeiten im karolingischen und gotischen Stil ging. Eine Reihe von Arbeiten, die Nagel aus dem Besitz der Nachfahren anbietet, lässt keinen Zweifel daran. Das Besondere an dieser Suite ist, dass es sich nicht um Repräsentationsstücke aus der goldenen Ära dieser Erfolgsfirma handelt, die in öffentlicher Hand sind. Das kleine, auf 2500 bis 3000 Euro geschätzte Email-Andachtsbild einer thronenden Madonna von 1878 erzählt von privaten Vorlieben. Auch im Familienkreis Hermeling-Kleefisch, in dem der Mittelaltersammler Alexander Schnütgen verkehrte, war man dem Gotik-Revival verfallen. Vielleicht spielte Hermeling auf Stefan Lochners Madonna im Rosenhag an, als er die Gottesmutter von einer Schar Engel begleiten ließ und mit einem Plafond aus rankenden Rosen umrandete. Schon bei dieser Arbeit hat ihn die Unendlichkeitsverheißung der Farbe Blau fasziniert. Gekonnt variierte er im Hintergrund, Gewand und auf dem Teppich diverse Töne. Der Rahmen mit seinen Fialen und Spitzbogenornamenten ist eine Verbeugung vor der Architektur der Kathedralen des 14. Jahrhunderts. Auch auf den anderen, oft einzelnen Emailplaketten zu Taxen zwischen 500 und 2000 Euro zeigt sich die starke Nähe zu mittelalterlichen Vorbildern.

Wer die Bedeutung der Goldschmiede Hermeling-Kleefisch verstehen möchte, kann die Wirkmacht, die in der Vollendung des Kölner Doms seit den 1840er-Jahren lag, nicht ausblenden. Der Bau wurde zum Symbol deutscher Kultur, Mittelalter und Gotik zu einem Identitätsanker der herbeigesehnten vereinten Nation. Künstler und Gelehrte versetzten sich mit wissenschaftlichem Eifer in den Geist früherer Jahrhunderte. Werner Hermeling, Firmeninhaber bis 1864, fertigte im Sturm des erwachten Geschichtsbewusstseins nicht nur neogotische Kelche und Monstranzen, er restaurierte zahlreiche Kirchenkunstwerke in Köln. Alte Techniken wurden vertraut. Je höher die Domtürme wuchsen, desto größer der Ruhm der Firma. Nach der Reichsgründung 1871 kamen staatstragende Aufträge hinzu. Den sogenannten Kaiser-Pokal für das große Dinner mit Wilhelm II. 1891 im Kölner Gürzenich schuf das Haus Hermeling.

Plakette Nixen Hermeling Nagel Auktion
Die Plakette mit Nixen war ein Probestück für Hermelings Vater-Rhein-Tafelaufsatz und ist auf 4000 bis 6000 Euro geschätzt. © Nagel Auktionen, Stuttgart

Nagels Angebot ist nicht nur auf Email die ganze Klaviatur des Historismus. Eine Mode der Gründerzeit spiegeln die Hammerschlag für Hammerschlag aus Goldmünzen herausgearbeiteten Broschen in Form von Mädchenköpfen. Und hervorhebenswert ist der silberne Deckelpokal im Renaissancestil. Ganz wilhelminisch ist die Wahl der Tugendallegorien auf der Wandung: Glaube, Liebe Hoffnung. Den Schritt in die Moderne wagte die Firma, die um 1900 etwa 50 Mitarbeiter hatte und bis in die 1970er-Jahre existierte, erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Davon zeugt ein dekorloses silbernes Kaffee- und Teeservice in noch weicher Formsprache von 1910/20, geschätzt auf 800 Euro.

Ein Stück ist mit der opulentesten Arbeit des einst renommierten Unternehmens, dem Vater-Rhein-Tafelaufsatz, verbunden. Die Plakette mit den badenden Nixen entstand als Probestück für eine Reihe von Emailbildern mit Sagengestalten des Rheins. Das Wasser wirkt so grün und lebendig auf dem guillochierten Untergrund, als schaute man in die Quelle eines Flusses.

Silberwaren Joseph Kleefisch Nagel Auktion
Mit dekorlosen Silberwaren läutete Joseph Kleefisch die Moderne ein, das Kaffee- und Teekannen-Set von 1910/20 ist auf 800 bis 1000 Euro taxiert. © Nagel Auktionen, Stuttgart

Service

Auktion

Nagel, Stuttgart,

Auktion: 17. /  18. Mai

Besichtigung: 13. – 15. Mai

auction.de

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