Jahresübersicht

Druckgrafik

Namhafte Sammlungen blieben zwar aus, dennoch gab es trotz Pandemie und wirtschaftlichen Turbulenzen im letzten Jahr enorm viele Rekordzuschläge bei den Altmeistergrafiken

Von Richard Lange
30.06.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 10/22

Die Nachfrage nach Druckgrafik ist in den letzten Jahren gestiegen – hohe Gemäldepreise, ein globaler Markt und niedrigschwellige Onlineauktionen haben Anteil daran. Den letztjährigen Topzuschlag erzielte Banksy mit 2,8 Millionen, es folgten Warhol und Picasso. Auf Platz 11 und erstmalig über die Millionenmarke kam Albrecht Dürer – zumindest in Dollar. Das war bei den Altmeisterdrucken zuvor nur Rembrandt gelungen. Begrenzte Materialressourcen und ein recht starres Preisgefüge legen hier Zügel an. Und doch gab es trotz Pandemie und wirtschaftlichen Turbulenzen im letzten Jahr enorm viele Rekordzuschläge. Zu Beginn warfen der Brexit, das Geldwäschegesetz und Corona die Frage auf, ob die Karten auf dem Auktionsmarkt neu gemischt würden. Aber trotz deutlicher Zunahme der Onlineverkäufe reüssierten spätestens ab Herbst 2021 die Saalauktionen mit ihrem Wechselreigen aus Pult, Bieterhänden und Telefon. Auch behauptete sich der Marktplatz London für die Altmeisterdrucke gegenüber New York und dem Euro-Raum, indem er mit der Schweiz für die höchsten Zuschläge sorgte. Auf die EU entfiel weniger als ein Sechstel der Ergebnisse über 20.000 Euro, doch liegen die meisten Lose ohnehin unter 5000 Euro.

Francisco de Goya Modo de Volar Swann
Welchen Einfluss die Druckqualität auf den Preis hat, zeigen die 16.000 Dollar, die Swann für Francisco de Goyas „Modo de Volar“ aus der Folge „Los Proverbios“ erzielte. © Swann, New York

Die Kataloge waren umfangreicher als im Vorjahr, kamen aber selten an die Zeit vor der Pandemie heran. Namhafte Sammlungen blieben aus. Allerdings gab es seit einigen Jahren nicht mehr so viele fünfstellige Schätzungen, und zwei Drittel davon hatten Erfolg. Noch besser sah es bei den sechsstelligen aus: Seit 2015 wurden nicht mehr so viele Toplose aufgerufen, offiziell alle 18 verkauft. Es waren die üblichen Verdächtigen: Dürer (10), Rembrandt (4), Goya (2) sowie Martin Schongauer und William Blake. Höchst ambitioniert taxiert, brachen einige davon Rekorde und ließen frühere Zuschläge weit hinter sich. Oft waren es Titel, die schon im Vorjahr Erfolg hatten, was wohl Einlieferer und Käufer gleichermaßen ermutigte. So auch ein sehr früher, marktfrischer Abzug von Dürers Kupferstich „Adam und Eva“, der bei Kornfeld in Bern mit einem Zuschlag von 800.000 Franken seine Taxe und den erst jüngst errungenen Bestpreis verdoppelte. Weitere neue Höchstmarken und gute Steigerungen erreichten auch ein Probedruck-Exemplar der Holzschnittfolge „Das Marienleben“ (Zuschlag 400.000 Franken) sowie zwei Meisterstiche: „Die Melancholie“ bei Christie’s (Zuschlag 420.000 Pfund) und „Der Hl. Hieronymus im Gehäus“ bei Sotheby’s (Zuschlag 260.000 Pfund). Allein vom „Hl. Eustachius“ kamen insgesamt sechs Exemplare zwischen 20.000 und 200.000 Euro unter den Hammer. Letztlich gab es für Dürer nur wenige Rückgänge und viele Zuwächse ab 5000 Euro, wobei zwei Drittel der fünfstelligen Zuschläge über der Schätzung lagen.

Das Angebot an Rembrandt-Radierungen ist größer und variantenreicher, ein Loserfolg aber unsicherer. Unter den Zuschlägen über 30.000 Euro waren diesmal mehr Landschaften und Porträts als biblische Historien – allen voran „Die Landschaft mit den drei Bäumen“. Seit jeher einer der teuersten Titel, erzielte Christie’s im Juli mit 320.000 Pfund das bisher zweitbeste Ergebnis. Zugleich gab es einige fünfstellig taxierte Blätter, die trotz ihrer niedrigen Taxen scheiterten – bis auf „Die Windmühle“ im Dezember (Zuschlag 55.000 Pfund). Konkurrent Sotheby’s überraschte im Gegensatz zu den selektiven Vorjahren mit einem umfangreichen Angebot. Glanzlicht war „Der Omval“, eine Ansicht der Amstel, die selbst mit der Taxe von 150.000 Pfund ein Spitzenergebnis einspielte. Der Schwerpunkt lag aber eher auf den Bildnissen. Karl & Faber erzielte 53.000 Euro für das „Selbstbildnis mit aufgelehntem Arm“, Christie’s 48.000 Pfund für das „Selbstbildnis mit Mütze, aufgerissenen Augen und geöffnetem Mund“ sowie Kornfeld 280.000 Franken für „Jan Uytenbogaert, der Goldwäger“, dessen bisherige Rekordmarke sich verdreifachte. Hingegen bewegten sich Rembrandts Genremotive und Darstellungen von Bettlern meist im vierstelligen Bereich, hier konnte Swann, New York, mit taxgerechten 26.000 Dollar für den Rattenfänger eines der besseren Ergebnisse erzielen.

Kornfeld Schongauer Tod Marias
„Der Tod Marias“ von Martin Schongauer erzielte bei Kornfeld 400.000 Franken – der bisheriger Höchstzuschlag für einen Druck des Künstlers. © Kornfeld, Bern

Seit drei Jahren gab es nicht mehr so ein qualitätvolles Angebot an Goya-Drucken. „Die Stiere von Bordeaux“ schuf der Spanier 1825 in der noch neuen Lithografietechnik im Exil. Die Auflage der vier Stierkampfszenen betrug 100 Exemplare, eines davon konnte Kornfeld mit 400.000 Franken unter Schätzung, aber zum neuen Höchstpreis zuschlagen. Mehr als die doppelte Taxe folgten für „Los Caprichos“ mit 80 Aquatinten (Zuschlag 360.000 Franken). Während der Hammer für die „Tauromaquia“ nur zu vierstelligen Summen fiel, konnten „Los Desastres de la Guerra“ in der Erstauflage von 1823 bei Ansorena, Madrid, nach einigem Hin und Her für 70.000 Euro weitergereicht werden. Am häufigsten von den berühmten Folgen kamen „Los Proverbios“ aufs Pult. Koller, Zürich, vermittelte die erste Auflage der 18 Aquatinten mit 40.000 Franken weit über Ausrufpreis, bei Christie’s erlosch das Interesse der Bieter schon angesichts einer Taxe von 30.000 Pfund. Welchen Einfluss die Druckqualität hat, zeigen die 16.000 Dollar, die Swann für „Modo de Volar“, ein Einzelblatt der Folge, erzielte. Dementsprechend nehmen Rückgänge unter 3000 Euro Taxe deutlich zu.

Altdeutsche Drucke bilden eines der breitesten und stabilsten Marktsegmente, wobei gerade frühe Werke rar sind. So ein kolorierter, um 1460 entstandener Metallschnitt der „Hl. Katharina von Alexandrien“, der bei Christie’s fast aufs Dreifache gehoben wurde (Zuschlag 22.000 Pfund). Kaum jünger, aber künstlerisch reifer ist „Der Tod Marias“ von Martin Schongauer. Kornfeld bot einen tadellosen Frühdruck an, der von 250.000 auf 400.000 Franken stieg – bisheriger Höchstzuschlag für einen Druck des Künstlers. Sein Hauptwerk „Die große Kreuztragung“ ließ Ähnliches vermuten, doch ging das marktfrische Spitzenexemplar mit einer Schätzung von 80.000 Franken zurück. Unter den Holzschnitten überraschte der „Hl. Georg und der Drache“ von Wolfgang Huber bei Christie’s (Zuschlag 42.000 Pfund, Taxe 20.000 Pfund). Ungeachtet dessen verkauft sich das Gros der Altdeutschen im drei- bis vierstelligen Bereich. Für soliden Absatz sorgten hier Heinrich Aldegrever oder die sogenannten Nürnberger Kleinmeister.

Frühe italienische Stiche stellten ein kleineres Angebot, konnten diesmal aber kaum Akzente setzen. Besser sah es mit dem Cinquecento aus. Bei Bassenge erreichten seltene Radierungen trotz kleiner Mängel mehr als das Doppelte, darunter eine venezianische „Flusslandschaft mit Liebespaar von einem Satyr gestört“ (Zuschlag 7500 Euro) oder „Der entweihte Parnass“ des Monogrammisten HFE (Zuschlag 13.000 Euro). Wählerisch war das Engagement für die Manieristen aus dem Umfeld der Schule von Fontainebleau. Während Blätter von Fantuzzi oder Davent zurückgingen, eiferten die Bieter bei Christie’s um Jean Mignons „Anbetung der Könige im ornamentalen Rahmen“ bis 11.000 Pfund, boten bei Kornfeld für eine „Pyramide de six hommes“ von Juste de Juste 55.000 Franken. Als schwierig gestaltete sich dort der Verkauf teurer Blätter von Jacques Bellange. Sein Landsmann Callot erfuhr allgemein mehr Zuspruch.

Wolfgang Huber Hl. Georg und der Drache Christie’s
Unter den Holzschnitten überraschte der „Hl. Georg und der Drache“ von Wolfgang Huber bei Christie’s mit einem Zuschlag von 42.000 Pfund. © Christie's images limited 2022

Ein ganz eigenes Gebiet bilden Chiaroscuro-Drucke von mehreren Holzstöcken wie „Die Madonna mit Kind“ von Francesco Parmigianino, dessen Seltenheit die Bieter bei Bassenge mit 6500 Euro honorierten. Das Zehnfache wurde 2020 noch für „Herkules und Cacus“ von Hendrick Goltzius bewilligt, nun hob sich in München und London keine Hand. Stattdessen überzeugte der gefragte Haarlemer Manierist in Berlin mit „Die Hochzeit von Amor und Psyche“, einem seltenen, von drei Platten gedruckten Stich nach Spranger (Zuschlag 32.000 Euro).

Begehrt war das gute Angebot von Drucken nach Pieter Bruegel d. Ä.: Auf mehr als das Doppelte stieg bei Christie’s die Moralsatire „Die großen Fische fressen die kleinen“ (Zuschlag 35.000 Pfund) oder „Der Esel in der Schule“ bei Bassenge (Zuschlag 32.000 Euro). Für „Das Jüngste Gericht“ wurden bei Karl & Faber 18.000 Euro bewilligt. Von den übrigen Niederländern war auch Lucas van Leyden gut vertreten, doch überzeugten die fünfstelligen Schätzungen nicht.

Pieter van der Heydens nach Pieter Bruegel d.Ä. gescbaffener Kupferstich „Das Jüngste Gericht“ erzielte bei Karl & Faber 18.000 Euro. © Karl & Faber, München
Für den Kupferstich „Das Jüngste Gericht“, den Pieter van der Heyden nach Pieter Bruegel d. Ä. schuf, erzielte Karl & Faber 18.000 Euro. © Karl & Faber, München

Landschaft und Genre des Goldenen Zeitalters zeigten sich ruhig, wie auch das europäische 18. Jahrhundert unauffällig blieb. Für Interesse sorgten mitunter kolorierte oder farbige Drucke. Veduten und Capricci liefen bis 4000 Euro gut, in höheren Regionen scheiterte so mancher Verkauf eher an der Schätzung als an der Qualität.

Wie eine langjährig mit Kennerschaft aufgebaute Kollektion zu Neubewertungen führen kann, zeigte bei Bassenge die Versteigerung der Sammlung Stephan Seeliger. Der Münchner Kunsthistoriker bemühte sich auch privat um seltene und bedeutende Blätter des 19. Jahrhunderts. Darunter heute nur wenig bekannte Namen wie Carl Russ oder Julius Hübner. Lithografierte Faust-Illustrationen von Ludwig Gottlieb Nauwerk erkämpfte sich ein amerikanisches Museum (Zuschlag 12.000 Euro). Ebenfalls aufs Vielfache gesteigert wurde „Die Verkündigung“ des Joseph Anton Rhomberg (Zuschlag 5000 Euro) oder ein jugendliches Selbstbildnis von Scheffer von Leonhardshoff (Zuschlag 11.000 Euro). Denn generell scheint das Thema Künstlerporträt derzeit gefragt.

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