Auktion bei Kornfeld

Verklärende Geschichten

Ein umfangreiches Chagall-Konvolut trifft im Berner Auktionshaus Kornfeld auf Werke von Otto Dix und Francisco de Goya

Von Ivo Kranzfelder
13.06.2022
/ Erschienen in Kunst und Auktionen 10/22

Aus dem umfangreichen und hochkarätigen Angebot bei Kornfeld seien noch hervorgehoben: eine seltene und kaum vollständig existierende Serie von zehn Kaltnadel-Radierungen von Otto Dix aus dem Jahr 1922, der sich Anfang der Zwanzigerjahre dieser Technik zugewandt hatte, weil seine (oft als pornografisch verschrienen) Bilder sich nicht verkauften. Sujet der im Selbstverlag herausgegebenen Serie ist der „Zirkus“, auch hier sind – obwohl vollständig – nicht alle Blätter aus derselben Serie. Das Thema – auch Beckmann sah die Welt als Bühne – bezog sich, noch im Nachklang des Ersten Weltkriegs, auf den Zustand dieser Welt und der Gesellschaft im Allgemeinen. Wie kaum anders zu erwarten (und im Gegensatz etwa zu Chagalls Zirkusszenen), zeigt Dix seinen Zirkus eher als Groteske, als Freak-Show. Die Taxe für die komplette Serie liegt bei 80.000 Franken.

Dix Zirkus Kornfeld Auktion
Kornfeld taxiert die seltene und kaum vollständig existierende Serie „Zirkus“ von Otto Dix, eine Folge von zehn Kaltnadel-Radierungen aus dem Jahr 1922, auf 80.000 Franken. Zu sehen ist hier Blatt 3 mit dem Titel „Sketch“. © Kornfeld, Bern

Daran anschließend oder – besser – als ebenso grimmige Vorläufer kann man die Radierzyklen Goyas sehen. Besonders eine davon sollte sich derzeit jeder ganz genau anschauen, sich in all die grausigen Details vertiefen: „Los Desastres de la Guerra“. Goya ergreift keine Partei, er schildert die widerlichen Grausamkeiten und Massaker, die sich auch heute wieder alle Kriegsparteien gegenseitig um die Ohren hauen, so, wie er sie damals, in den napoleonischen Kriegen, gesehen hat. „Tambien esto“ – „Auch dieses“ – steht unter dem Blatt Nummer 43, das Kornfeld als sehr seltenes Exemplar eines noch zu Goyas Lebzeiten, nämlich zwischen 1808 und 1814, angefertigten Probedrucks für eine Taxe von 45.000 Franken anbietet. Es zeigt, so wie es aussieht, Mönche und Kleriker auf der Flucht, aber wieder ist das Blatt nicht eindeutig. In diesem Krieg ermordeten sowohl die Franzosen Kleriker – die Revolution war eindeutig antiklerikal ausgerichtet – als auch die Kleriker Franzosen. Ein Franziskaner rühmte sich, „mit eigener Hand 600 Franzosen auf dem Altar des Herrn, König Ferdinand, geschlachtet zu haben“. Im Krieg, so zeigt Goya, gibt es keine „Guten“ – auf keiner Seite.

Goya, „Tambien esto“, Kornfeld Auktion
„Tambien esto“ – „Auch dieses“ – steht unter der Nummer 43 der Folge „Los Desastres de la Guerra“, in der Goya die Grausamkeiten der napoleonischen Kriege schildert. Das Blatt zeigt, wie es aussieht, Mönche und Kleriker auf der Flucht, aber das Motiv ist nicht eindeutig. Kornfeld ruft den sehr seltenen Lebzeitdruck bei 45.000 Franken auf. © Kornfeld, Bern

Eine gleichfalls sehr seltene Lithografie von Goya aus dem Jahr 1825 behandelt dasselbe Thema auf einer metaphorischen Ebene, die mindestens genauso treffend – wenn nicht treffender – ist als das konkrete Beispiel: ein Stier, der von wütenden Hunden angegriffen wird, einer überschlägt sich gar in der Luft, im Hintergrund zwei Männer, deren einer sich vermutlich gerade noch hat in Sicherheit bringen können, sein Stock und sein Hut liegen mitten im Kampfgetümmel. Mit dem vorliegenden Blatt sind insgesamt nur acht existierende Exemplare bekannt, 200.000 Franken beträgt der Schätzpreis.

Goya, Stier, Kornfeld Auktion
Die sehr seltene Lithografie von Goya aus dem Jahr 1825 mit einem Stier, der von wütenden Hunden angegriffen wird, behandelt das Thema Krieg auf einer metaphorischen Ebene. 200.000 Franken beträgt der Schätzpreis. © Kornfeld, Bern

Service

AUKTION

Kornfeld, Bern

Besichtigung: 9.–15. Juni 2022

Auktion: 16./17. Juni 2022

kornfeld.ch 

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