Die Werke des Südtiroler Malers Leo Putz sind erfreulich wertbeständig. Im Fokus der Sammlerinnen und Sammler stehen seine psychologisch feinsinnigen Porträts junger Frauen
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22.07.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 11/22
Nach Umwegen über den Jugendstil stieg der Südtiroler Figuren- und Landschaftsmaler Leo Putz (1869–1940 Meran) zu einem der prominentesten Impressionisten im deutschsprachigen Raum auf. Der Schüler Gabriel von Hackls in München sowie Benjamin Constants und Adolphe Bouguereaus in Paris hatte bereits zu einer konsequenteren Gewichtung der Farbe gefunden, während seinen Münchner Kollegen die Preisgabe des harmonischen Gesamttons vielfach noch schwer fiel. Zudem war seine Bildwelt – auch hierin eher undeutsch – getragen zugleich von weltläufiger Eleganz und ungebremster Joie de vivre.
In seinen Darstellungen von Frauen – Modelle waren häufig seine Ehefrau Frieda Blell oder eine seiner Schülerinnen – feierte er nicht nur die Schönheit des weiblichen Geschlechts, sondern suchte immer auch eine intuitive Annäherung an sein Gegenüber. Der müßige Zeitvertreib, bei dem die Frauen meist gezeigt sind, spricht für ihren privilegierten Lebensstil; in Wirklichkeit jedoch verrät er über ihre Lebensumstände nichts – ob es sich nun um ein bezahltes Akademiemodell handelte, ein Mitglied seines privaten Kreises oder eine bürgerliche Porträtkundin. Auch die Art ihrer Präsentation – als Aktfigur, in konventioneller Bildnis-Pose oder bei einem Badeausflug mit Freundinnen – gibt darüber kaum Aufschluss. Die psychische Verfasstheit der Dargestellten während der Sitzung teilt sich dagegen unmittelbar mit. Dies gilt vor allem für die Einzelporträts – sofern es sich um solche handelt –, in denen seine Modelle nicht durch die Interaktion mit anderen Figuren im Bild von sich selbst abgelenkt werden.
Nach Aufenthalten in Brasilien und Argentinien in Verbindung mit einer Lehrtätigkeit an der Akademie der schönen Künste in Rio de Janeiro hatte Putz’ spät-impressionistischer Vortrag zunehmend expressive Züge angenommen, was ihn in den Augen der nationalsozialistischen Kulturwächter ebenso verdächtig machte wie seine der arischen Rassenideologie widersprechenden Darstellungen von indigenen Frauen, die der Heimkehrer 1933 aus Südamerika mitgebracht hatte. 1937 als entarteter Künstler mit Berufsverbot belegt, zog er sich vor dem wachsenden politischen Druck schließlich in seine Heimatstadt Meran zurück, wo er sich bis zu seinem Tod überwiegend Landschaftsthemen widmete.
Der Markt für seine Bilder zeigte in den letzten Jahrzehnten nur geringe Bewegung, oder, um es positiv auszudrücken: Seine Signatur erwies sich als erfreulich wertbeständig. Mit rund 170 Losen wurde die Offerte an Gemälden nur geringfügig aufgestockt, und auch der Anteil der Rückgänge blieb mit einem Drittel stabil. Zwar lassen sich mit Putz’ Namen auch international – vor allem in London – gute Zahlen machen, doch immer noch konzentrieren sich die Anbieter zu über 80 Prozent auf den deutschsprachigen Raum, wobei deutsche Häuser mit 60 Prozent unverändert den größten Warenanteil versorgten. Auch das Preisniveau hat sich seit 2012 nicht signifikant verändert. Zwar verdoppelte sich der Anteil der Transaktionen unter 10.000 Euro auf ein Fünftel, was jedoch wenigstens zum Teil damit zu erklären ist, dass manche Anbieter zunehmend ihren Anspruch über Bord warfen und ihr Glück auch mit wenig ersprießlichen Qualitäten versuchten. Bei gesuchten Motiven darf man jedoch getrost weiterhin mit sechsstelligen Ergebnissen rechnen. Preisspitzen über einer Viertelmillion Euro, wie sie in den Nullerjahren dreimal notiert wurden, blieben zwar außer Reichweite, doch immerhin konnten mit acht sechsstelligen Zuschlägen ebenso viele Lose in diesen Bereich gehoben werden wie vor 2012.
Solange ihnen kein wenig aussagekräftiges Frühwerk angedient wurde, zeigten sich die Käufer hinsichtlich der Datierungen auch wohltuend flexibel, denn unter den teuersten Losen fanden sich Gemälde aus der Zeit nach der Jahrhundertwende ebenso wie die häufiger gehandelten Arbeiten aus den Zwanzigerjahren – Hauptsache, attraktive junge Damen bildeten das Sujet, ob als Aktfiguren, als Repräsentantinnen der Boheme oder des bürgerlich-eleganten Genres. So wurde im November 2012 bei Sotheby’s, London, ein „Picknick“ in anscheinend recht zwangloser Atmosphäre nicht zuletzt wohl dank seiner repräsentativen Abmessungen von 70.000 auf 130.000 Pfund hochgesteigert.