Auf dem Kunstmarkt für Designobjekte weckte kalkulierbar Wertbeständiges wie die Silberarbeiten des Bauhaus Begehrlichkeiten. Auffällig gefragt war in jüngster Zeit aber auch Schmuck der Seventies bis Nineties
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21.11.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen 18/22
„Zwei ganz verschiedene Dinge behagen uns gleichermaßen: Die Gewohnheit und das Neue“, erkannte schon der französische Moralist Jean de la Bruyère (1645–1696). Das galt auch für den Designmarkt der letzten zwölf Monate. Vieles blieb beim Gewohnten, hie und da gab es Überraschungen. Und bei herausragenden Objekten von namhafter Hand fiel der Hammer in Deutschland im fünfstelligen Bereich, international oft auch im sechsstelligen. Sonderthemen der Designgeschichte bereicherten das Altbekannte – etwa das „Radical Design“ der späten Sechzigerjahre, auf das sich unter anderem das aktuelle „Critical Design“ bezieht. Vielschichtige Entwürfe im Grenzbereich zwischen Angewandter und Bildender Kunst fielen als willkommene Ausnahmen ins Auge.
Die nationalen und internationalen Erwartungen waren groß, als Lempertz am 7. Mai in Berlin – in seinem neuen Format „Berlin Salon“ – ein bedeutsames Möbelensemble von Walter Gropius und Adolf Meyer versteigerte. Das zehnteilige Herrenzimmer, das 1923 in der Tischler-Werkstatt des Bauhauses noch in konventioneller Machart und Stil hergestellt wurde, konnte außerdem auf eine attraktive Provenienz verweisen. Denn es befand sich in ununterbrochenem Besitz der Familie von Georg und Ilse Hanstein. Zur einstigen Auftragsarbeit waren mitversteigerte Dokumente – sechs Briefe und zu jedem der zehn Objekte jeweils Aufrisszeichnungen im Maßstab 1 : 1 – erhalten geblieben. Ein glücklicher, auch forschungsrelevanter Umstand. Denn entwurfsbezogene Dokumente sind Anfang der Zwanzigerjahre im Bauhaus selten. Bei 90.000 Euro (Taxe 100.000 Euro) ging das Ensemble aus dunkelgebeiztem Eichenholz am Ende an eine Berliner Privatsammlung.
Ein lang gestreckter, eleganter Polstersessel mit Bezug zur Darmstädter Mathildenhöhe aus dem Besitz des Malers und Grafikers Paul Bürck (1878–1947) kletterte von 9000 auf stattliche 20.000 Euro. Der vielseitige Kunstgewerbler Patriz Huber hatte ihn und mindestens einen zweiten für die jugendstilrelevante, zugleich allererste „Internationale Bauausstellung“ (IBA) 1901 in Darmstadt entworfen. Ein historisches Foto des Ausstellungskatalogs – „Teil-Ansicht des Bürck’schen Ateliers im Ernst Ludwigs-Hause“ – belegt das. Insgesamt startete der erste „Berlin Salon“ von Lempertz allerdings mit mäßigem Erfolg, da elf weitere von insgesamt 18 Positionen in den Nachverkauf gingen. Das waren Sitzmöbel im Umkreis von Henry van de Velde sowie Peter-Behrens-Zuschreibungen.
Das Interesse an gesicherten Entwürfen ist generell groß. Das galt immer schon, war aber besonders in den krisengeschüttelten letzten zwölf Monaten festzustellen. Da weckten viele kalkulierbar wertbeständige Objekte Begehrlichkeiten – etwa aus Silber. Abzulesen ist das beispielsweise an den verhältnismäßig hohen Zuschlägen in der Winterauktion „Schools of Design“ am 7. Dezember 2021 bei Quittenbaum in München. Ein Tortenheber aus hochwertigem 900er-Silber des noch wenig bekannten Hans Heck (1906–1972) war da mit seinem Ergebnis von 9500 Euro (Taxe 800 Euro) eine echte Überraschung. Das schlichte, um 1928 entstandene Stück in typischer Bauhaus-Optik mit der markanten zylindrischen Griffrolle (wie sie schon bei der berühmten sogenannten Gropius / Meyer-Türklinke von 1922 vorkam) ist mit der begehrten Bauhaus-Marke gestempelt. In der Fachliteratur sind zwei Fassungen – „ME 51 a (Preis RM 21, Silbergehalt 835 / 1000) und „ME 51 b“ (Preis RM 22, Silbergehalt 900 / 1000) – bekannt. Klaus Weber konnte die beiden Tortenheber 1992 in Die Metallwerkstatt am Bauhaus noch keinem konkreten Namen zuordnen, da gerade für diese Zeit die Unterlagen fehlten oder lückenhaft waren.
2019 hatte Quittenbaum in der Auktion 146 C bereits einen identischen Tortenheber offeriert, gestempelt „HANDARBEIT H. HECK“. Das Objekt erreichte damals aber nur 400 Euro, weil der konkrete Bauhaus-Bezug fehlte. Der in Plauen ansässige Silberschmied, der 1928 kurzzeitig als „Silberschmiedegehilfe“ am Dessauer Bauhaus gelistet ist, dürfte dieses Werk also später ausgeführt haben. Spannend wird die ganze Angelegenheit aber dadurch, dass zu Hecks Bauhauszeiten Alfred Schäfter (1902 – 1970) als Werkmeister die Metallwerkstatt technisch leitete – und zwar von 1927 bis 1931. Und so dürfte weniger Heck als vielmehr der Karl-Müller-Schüler Schäfter, der für seine funktionalen Aluminium-Lampen bekannt ist, alleiniger oder zumindest der hauptsächliche Entwerfer des Tortenhebers sein. Darauf deutet auch hin, dass Schäfters Sohn Wolfgang (* 1930), ein in Leipzig ansässiger Silber- und Goldschmied, 2011 dem Leipziger Grassi-Museum ein Exemplar des Tortenhebers (Modell „ME 51“) schenkte – was die Urheberschaft seines Vaters letztlich mehr als glaubhaft macht. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass Heck als Silberschmiedegehilfe einige Exemplare des Tortenhebers in seiner Zeit am Bauhaus mithergestellt hat. Diese handwerklichen und gestalterischen Verflechtungen sowie die Tatsache, dass die Werke anonym liefen, führen die Arbeitsweise am Bauhaus in Dessau vor Augen, das bekanntlich 1928 mit dem neuen Direktor Hannes Meyer einen radikalen Richtungswechsel weg von luxuriösen Einzelstücken aus Silber hin zu industriellen Serienstücken beschritt. Der Luxusartikel Tortenheber, der aber durchaus Potenzial für eine Serienproduktion besaß, stand gedanklich also gewissermaßen noch mit einem Bein in Weimar, mit dem anderen bereits in Dessau.
In derselben Auktion konnte sich ein weiteres Silberobjekt sehr erfolgreich von 700 auf 2100 Euro verbessern. Und zwar ein schlichtes, gehämmertes, nur 10,5 Zentimeter hohes und als Wasserkanne bezeichnetes Gefäß mit einem Griff aus Elfenbein, das Emmy Roth (1885–1942) in den Dreißigerjahren – wohl noch im Atelier in Berlin-Charlottenburg – mit sicherem Gefühl für schlichte, moderne Formen schmiedete.
Schon seit einigen Jahren existiert ein reges Interesse am Autorenschmuck der Siebziger- bis Neunzigerjahre. Das Sammelgebiet hat den Vorteil, dass die Exponate wegen ihrer kleinen Formate Vitrinen bestücken oder – noch besser – gleich am Körper getragen werden können. Eine gute Gelegenheit zum Erwerb gab es am 30. Juni in der Quittenbaum-Auktion „Worn to be alive“. Mehr als die Hälfte der 327 eingelieferten Positionen wechselten dort den Besitzer. Ein deutsches Sammlerehepaar hatte sich nach 40 Jahren leidenschaftlichen Zusammentragens zum Verkauf entschieden. Versteigert wurde unter anderem fast das komplette Werk des niederländischen Designers Herman Hermsen (* 1953), der – vom Produktdesign kommend – seit den Achtzigerjahren neben den traditionellen Schmuckmaterialien wie Perlen und Gold auch linear-filigrane oder massiv-puristische Objekte aus bunt lackiertem Stahl, Aluminium und Glas in Kleinserien fertigt. Viele Positionen aus diesem 97-teiligen Konvolut wechselten für zweistellige Beträge den Besitzer. Das teuerste Objekt – ein auf 15 Stück limitierter Halsschmuck „1 / 3-1 / 3-1 / 3“ aus 585er-Gelbgold – lag mit 2500 Euro im Bereich der Schätzung.
Besondere Aufmerksamkeit hat auch die Glasperlenarbeit „Venusia“ der US-Künstlerin Joyce J. Scott (* 1948) von 1989 in dieser Quittenbaum-Auktion bekommen. Ein lebhaftes Bietergefecht begann bei 1400 Euro, das am Ende ein Museum mit einem Gebot über 8000 Euro beendete – dem höchsten des Tages. Die Künstlerin – eine aus Baltimore stammende Historikerin, Grafikerin, Bildhauerin, Performerin, Pädagogin und Sängerin mit afrikanischen Wurzeln – vermag komplexe Themen mithilfe der von ihr favorisierten indianischen Glasperlentechnik („Peyote Stich“) – ihrem Markenzeichen – aussagekräftig umzusetzen. Man schmückt sich mit ihrem Schmuck also nicht nur – man verbreitet auch eine Botschaft! „Ich bin sehr daran interessiert, Fragen aufzuwerfen“ – äußerte sich Scott bezüglich ihrer Mission. „Ich bewege mich an der Grenze zwischen Komik, Pathos, Freude und Schrecken. Ich glaube daran, mit Stereotypen zu spielen, den Betrachter zum Umdenken anzuregen, die Leute zum Hinschauen zu bewegen.“
„Plate 1, Part 1, Page 1“ – eine Installation von Edmund de Waal, die bei Phillips in New York als eines von sieben Highlights der Design-Auktion vom 7. Dezember 2021 offeriert wurde und 42.000 Dollar (Taxe 50.000 Dollar) erzielte – will auch mehr sein als nur ein Designobjekt. Und tatsächlich hätte das Werk genauso gut in eine Auktion für Gegenwartskunst gepasst. „Plate 1, Part 1, Page 1“ – das sind 37 flache Porzellangefäße, aufgereiht in jeweils drei schmalen, dunkelbraunen Eichenholzregalen.
Der vielschichtige britische Keramiker und Buchautor de Waal hat diese Arbeit 2011 gewissermaßen als Fortsetzung seines ein Jahr zuvor erschienenen, gefeierten Familien- und Kunstsammlungsromans Der Hase mit den Bernsteinaugen als weiteren Dialog zwischen Fragment und Ganzem konzipiert. „In einer frühen Ausgabe von Gullivers Reisen gibt es eine wunderschöne Karte mit dem Titel Tafel 1, Teil 1, Seite 1. Diese Installation ist eine Art räumliche Kartierung meiner Reisen – eine Überlegung, wie man sich vorstellen kann, sich gleichzeitig an einem realen und einem imaginären Ort zu bewegen“, bemerkte de Waal hierzu, der in seinen Installationen gerne auf literarische Quellen verweist. Das aus einer Privatsammlung in Hongkong stammende und für de Waal äußerst typische Werk hatte sich von 2013 bis 2021 als Dauerleihgabe im Jüdischen Museum in Wien befunden.
Fast alle der 98 Lose der Philipps-Auktion wurden weitergereicht – darunter zahlreiche schon seit einigen Jahren international gefragte Studiokeramiken von Lucie Rie, Hans Coper, Doyle Lane oder Axel Johan Salto. Teils konnten sich die Lose sogar drastisch verbessern – wie die schlichten Gefäße von Georges Jouve. Bei den Sitzmöbeln überragte der dezente, äußerst seltene Aluminiumhocker „Model No. 307“ von Jean Prouvé aus den frühen Fünfzigerjahren mit erreichten 90.000 Dollar seinen Schätzpreis von 40.000 Dollar deutlich. Die hohe Zuschlagsquote erklärt sich durch die ausgesuchten, äußerst exquisiten Entwürfe namhafter Designer, die auf eine internationale Resonanz ohne finanzielle Limits stießen.