100 Jahre Karl & Faber

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In diesem Jahr feiert das Auktionshaus Karl & Faber ein großes Jubiläum. Seine bewegte Münchner Geschichte begann vor 100 Jahren mit einem Buchantiquariat, doch längst ist es eine internationale Adresse für Kunst aller Medien und Epochen

Von Stefan Weixler
22.06.2023
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 205

Als Georg Karl und Curt von Faber du Faur 1927 ihre erste Auktion abhielten, war der Topzuschlag mit 1750 Goldmark eine Erstausgabe des 1668 erschienenen Romans „Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch“ von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Ausgerechnet, könnte man meinen. Denn abenteuerlich hatten die beiden Kunst- und Literaturhistoriker selbst agiert, als sie just im Schicksalsjahr 1923 in München das Buchantiquariat Karl u. Faber ins Leben riefen. In einer Zeit, als die Wirtschaft am Boden lag, der Staat pleite war, die Weimarer Republik zu kollabieren drohte und – wie Thomas Mann es später ausdrückte – „ein gerader Weg zum Wahnsinn des Dritten Reiches führte“. Vermutlich hätte damals niemand auch nur einen Pfifferling auf ihre waghalsige Unternehmung gesetzt. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Firma nun ihr hundertjähriges Bestehen feiern kann. Das Münchner Traditionshaus Karl & Faber Kunstauktionen hat mittlerweile 28 festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wird von der Kunsthistorikerin Sheila Scott und dem Juristen Rupert Keim geführt. Sie freuen sich über wachsende Umsätze: 2021 waren es inklusive Private Sales 22 Millionen Euro.

Zur Zeit der Firmengründung herrschte Hyperinflation. Quasi stündlich gab die Währung weiter nach – am Ende kostete eine Essiggurke 4, ein Ei 80 und ein Glas Bier 150 Milliarden Mark. Untergangsstimmung machte sich breit, die rechte Agitatoren für ihre Zwecke zu nutzen wussten. „In Politik und Wirtschaft herrscht hier ein schlimmeres Chaos als je zuvor“, schrieb damals ein Münchner Professor. „Die Zukunft ist in ägyptische Finsternis getaucht.“ Im November 1923 versuchte Hitler bei einem Marsch auf die Feldherrnhalle den Putsch. Dennoch gelang es Georg Karl und Curt von Faber du Faur in diesen dunklen Tagen, die Geschäfte zum Laufen zu bringen. Und nach Einführung der stabilen Reichsmark 1924, die durch Gold und wertbeständige Devisen gedeckt war, begann sich ihre Risikobereitschaft sogar richtig auszuzahlen. Mit der Geschichte des Hauses in allen Höhen und Tiefen geht die Geschäftsführung übrigens transparent um.

Der wachsende Erfolg machte es möglich, das Stammhaus in der Corneliusstraße aufzugeben und zunehmend repräsentativere Standorte anzusteuern. 1932 hatte das Unternehmen schließlich die Topadresse Karolinenplatz 1, inmitten des sogenannten Antiquariatsviertels. Innerhalb weniger Jahre war Karl & Faber zu einer treibenden Kraft der Münchner Kulturszene aufgestiegen.

Daran änderte sich auch nichts, als Curt von Faber du Faur 1931 aus dem operativen Geschäft ausschied, um ins Ausland zu gehen; erst nach Italien, später in die USA, wo er als Professor für Literatur in Harvard und Yale unterrichtete. Und auch die Weltwirtschaftskrise und die „braunen“ Jahre unter den Nationalsozialisten ab 1933 brachten das Unternehmen nicht aus dem Tritt, höchstens ins Schlingern. Zwar musste man 1937 in die Brienner Straße ausweichen, weil die Nazis das ganze Viertel um den Karolinenplatz zur bürokratischen Zentrale ihrer „Hauptstadt der Bewegung“ ausbauten. Auch fiel die internationale Kundschaft zunehmend weg: Denn die Münchner Szene war schlicht inkompetenter geworden, nachdem SA und Gestapo die jüdischen Kunsthändler brutal enteignet, inhaftiert und ermordet hatten. Auf der anderen Seite profitierte das Haus vom Konkurrenzverlust. Und als NSDAP-Mitglied der ersten Stunde scheint Georg Karl die Fahne ganz bewusst nach dem Wind gedreht zu haben. Nach Ende des Dritten Reichs stufte ihn die Spruchkammer Weilheim/Oberbayern im Zuge eines Entnazifizierungsverfahrens als „Mitläufer“ ein. Für die Firma hieß das: Die Geschäfte konnten nach dem Zweiten Weltkrieg quasi bruchlos weitergehen.

Rembrandt Karl & Faber
Rembrandt ist eine sichere Bank: Die seltene Radierung „Adam und Eva“, um 1638, spielte 87 500 Euro brutto ein. © KARL & FABER Kunstauktionen

Nach 1945 hat das Haus die anfängliche Spezialisierung auf den Buchmarkt zunehmend aufgegeben – eine ebenso weitsichtige wie pragmatische Entscheidung, denn das deutsche Antiquariatswesen war damals international ohnehin isoliert. 1949 kam Druckgrafik erstmals separat zur Auktion. Und als Louis Karl, der Sohn des Unternehmensgründers, 1971 die Geschäfte allein übernahm, machte er die bildende Kunst endgültig zum zentralen Geschäftsfeld – unter wachsender Berücksichtigung der Moderne. Im Zuge seiner Restrukturierung wurde die Buch- und Autografenabteilung erst ausgegliedert, dann komplett abgestoßen. Dem inhaltlichen Neustart folgte 1977 ein Umzug in den Luitpoldblock an der Brienner Straße, der eine Zeit diverser Standortwechsel beendete. Noch immer ist Karl & Faber dort, am Rande der Münchner Altstadt, zu finden.

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