Auktionen in London

Alt, aber überraschend

Ein seltenes Renaissance-Gemälde, ein wiederentdeckter Rembrandt und ein heiliger Sebastian von Rubens sind die Highlights der Sommerauktionen alter Meister in London

Von Heidi Bürklin
03.07.2023

Das „Pfingstfest“ spielt sich in einem opulenten Wohnraum in Brügge ab, wo sich die Apostel um die blaugewandete Madonna geschart haben. Über ihren Köpfen züngeln schon die Flammen des Heiligen Geists. Schwarzgekleidet flankiert ein Stifterpaar die detailreiche Szene. Von Sotheby’s als eines der „bedeutendsten Gemälde aus dem späten 15. Jahrhundert in Brügge“ angepriesen, wird es dem Meister der Baroncelli-Porträts zugeschrieben. Dieser anonyme Nachfolger von Hans Memling und Petrus Christus verdankt seinen Notnamen den Doppelporträts, die er von dem italienischen Bankier Pierantonio Baroncelli und seiner Frau malte und die in den Uffizien in Florenz zu finden sind. Von bemerkenswertem Erhaltungszustand und nur im Besitz von drei Familien registriert, wird die frühe niederländische Rarität für 7 bis 10 Millionen Pfund angeboten.

Peter Paul Rubens malte seinen von der klassischen Laokoon-Gruppe beeinflussten „Heiligen Sebastian mit zwei Engeln“ im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Das 124 mal 97,8 Zentimeter messende Gemälde wurde jetzt als Vorläufer einer größeren Version in der Galleria Corsini in Rom anerkannt. Einst lange im Besitz der aristokratischen Spinola-Familie in Genua fand es nach vielen Umwegen schließlich seinen Weg nach St. Louis in Missouri, wo es zuletzt 2008 vom jetzigen Besitzer als ein Werk des weitaus weniger bekannten Pariser Barockmalers Laurent de La Hire erworben wurde. Nun wieder Rubens zugeordnet, hofft der Einlieferer auf 4 bis 6 Millionen Pfund. An die Bewunderer der napoleonischen Ära appelliert Jacques-Louis Davids Porträt seines Schwiegersohnes. Zwischen 1810 und 1813 posierte Baron Claude Marie Meunier für ihn in der französischen Generalsuniform und mit der typischen Haltung des Kaisers: die Rechte in die Weste gesteckt. Davids Bildnisse tauchen nur selten auf dem Markt auf. Dieses ist jetzt auf 3 bis 4 Millionen Pfund geschätzt.

Liebhaber der britischen Geschichte können indessen das aus dem Besitz des Earl of Jersey angebotene Bildnis von Katherine Parr aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zum Schätzpreis von 600.000 bis 800.000 Pfund erwerben. Die sechste und letzte Frau von König Heinrich VIII. zählte zu den wenigen Überlebenden ihres frauenmordenden Manns, abgesehen von der ins Kloster geschickten Anna von Kleve.

Keine einschlägige Auktion ohne Verockung durch die Serenissima. Canalettos kleines venezianisches Veduten-Paar, wohl Ende der 1720er-Jahre als Souvenir für die Grand-Tour-Touristen gedacht, bietet den Blick vom Dogenpalast und der Dogana unter mit Federwolken durchsetztem, blauem Himmel. Dank ausgezeichneter Erhaltung soll die spritzige Peinture zum Gebot von mindestens 3 Millionen Pfund verführen.

Christie’s folgt seinerseits mit einem ganz besonderen, jüngst entdeckten Juwel: Bei der Routineschätzung eines Hausinventars stießen Experten auf ein kleines Bildnis-Paar von Rembrandt. 1635 saßen seine Verwandten, das 70 Jahre alte Ehepaar Jan Willemsz. van der Pluym und Jaapgen Carels in Leiden dem damals 29-jährigen Maler Modell. Die nur knapp 20 cm hohen und 16,5 cm breiten Ovale gehören zu seinen intimsten spontan gemalten Bildnissen. Bis 1760 im Familienbesitz wechselte es mehrfach aristokratische Käufer in Warschau und Paris, bis es 1824 von einem Vorfahren des jetzigen Einlieferers erworben wurde. Diese Entdeckung wird jetzt für 5 bis 8 Millionen Pfund angeboten. Ob es sich tatsächlich um „das letzte Porträt-Paar Rembrandts in Privathand“ handelt, wie das Auktionshaus konstatiert, sei dahingestellt. Rembrandt sorgt immer wieder für Überraschungen.

Rembrandt Porträt Christie’s London
Rembrandts Porträts von Jan Willemsz. van der Pluym und Jaapgen Carles ruft Christie’s in London zur Taxe von 5 bis 8 Millionen Pfund auf. © Christie’s

Aus Frankreich wurde jetzt in die King Street ein ebenfalls bisher unbekanntes Bild des Flamen Michael Sweerts eingeliefert. Der Blick in sein römisches Studio zwischen 1646 und 1652 akzentuiert mit dramatischer Beleuchtung eine dekorativ in Blau und Weiß gewandete Stickerin sowie aufeinandergehäufte Gipsabgüsse antiker Skulpturen. Dieser Dialog zwischen der Darstellung nach der Natur und der Antike war bereits in mehreren anderen Versionen bekannt. Jetzt verlangt er nach 2 bis 3 Millionen Pfund.

Malerinnen dürfen auch bei den Altmeistern nicht fehlen. In Antwerpen spezialisierte sich Clara Peeters auf Stillleben mit Blumen, Früchten und Fischen und schmuggelte oft diskret ihr eigenes Bildnis hinein. Unter ihren nur vierzig bekannten Gemälden zeigt dieses signierte Beispiel von etwa 1612 Früchte in einem Bastkorb und auf einer Silbertazza, flankiert von einem Eichhörnchen und einem Hummer (Taxe 500.000 bis 700.000 Pfund).

Bei Bonhams schließlich führt der Nachfolger eines niederländischen Renaissancemalers dessen Markenzeichen vor: Der Steuereintreiber, der Geldverleiher, das war eine Spezialität von Marinus van Reymerswaele. Nur wenige signierte Werke aus dem 16. Jahrhundert sind von ihm erhalten, dafür etliche Versionen aus seiner großen Werkstatt. Das jetzt von Bonhams angebotene Motiv der Steuereintreiber stammt von einem anonymen Nachfolger, der das bekannte Thema der mit überquellenden Akten beschäftigten Anwälte leicht abgewandelt schildert. Eines der beiden Originale besitzt die Alte Pinakothek in München. Über 100 Jahre befand sich diese moralische Satire im Besitz einer einzigen Familie. Jetzt wird das Bild für 40.000 bis 60.000 Pfund angeboten. So authentisch sind übrigens die hier gezeigten Dokumente, dass man jetzt vermutet, dass van Reymerswaele eine zweite Karriere als Administrator oder Anwalt verfolgte. Ein Fall für Kunstdetektive.

Service

Auktionen

Bonhams, London, Alte Meister, 5. Juli

Christie’s, London, Alte Meister, 6./7. Juli

Sotheby’s, London, Alte Meister, 5./6. Juli

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