Auktion bei Phillips

Giganten der Studiokeramik

Zwei Sammlungen mit mehr als 100 Arbeiten von Lucie Rie und Hans Coper kommen bei Phillips in London zur Auktion. Es kann ein Fest für die moderne Keramik werden

Von Mayako Forchert
31.10.2023

Es gibt Auktionen, die noch lange im Gedächtnis haften bleiben. Der Termin bei Phillips in London am 1. November hat das Potenzial dazu. Das Haus am Berkeley Square gibt sich dann nämlich die Ehre, zwei Sammlungen mit insgesamt 106 Werken von Lucie Rie (1902 – 1995) und Hans Coper (1920 – 1981) zur versteigen. Schon seit vielen Jahren erzielen Werke dieser beiden Giganten der Studiokeramik auf Auktionen schwindelerregende Preise: Im April 2021 kletterte eine Schale von Rie bei Sotheby’s in New York von 40.000 auf 270.000 Dollar – das war der bislang höchste Zuschlag für eines ihrer Werke. Im selben Jahr konnte Phillips in London auch für Coper einen Rekord verbuchen, als eines seiner Gefäße von 80.000 auf 520.000 Pfund stieg. Reges Interesse von Sammelnden, besonders aus Großbritannien, Japan, Deutschland und den USA, ist dieser Versteigerung also gewiss. Man darf gespannt sein.

Die meisten Lose stammen aus dem Nachlass der vor einem Jahr verstorbenen Fotografin Jane Coper, der Witwe des Keramikers. Darunter befinden sich Stücke Copers für den täglichen Gebrauch des Paars und keramische Geschenke von Lucie Rie an die beiden. Eine kleine, nur 4 Zentimeter hohe Porzellanschale von ihr mit der umlaufenden Sgraffito-Botschaft: „Für Hans Coper Weihnachten 1949 von seiner Chefin Lucie Rie alle Schulden gestrichen“ ist als persönliches Geschenk eine Sensation (Taxe 30.000 Pfund).

Lucie Rie Schale Auktion Philips
Lucie Rie (1902–1995), Fußschale, Porzellan, rosa Linien, türkisfarbenen Band, Manganglasur, 1981 Ø 22cm, Taxe 50.000 Pfund. © Phillips, London

Aus der Sammlung des Regisseurs Cyril Frankel kommen 16 weitere Lose. Frankel, der 1953 sein erstes Objekt von Rie kaufte, war bald zu ihrem Vertrauten geworden, avancierte dann zum Keramikexperten bei Bonhams und publizierte 2000 das Buch Modern Pots: Hans Coper, Lucie Rie and Contemporaries.

Sowohl Rie als auch Coper mussten vor den Nationalsozialisten flüchten, teilten miteinander also eine existenzbedrohende Erfahrung. Sie, eine Jüdin, floh 1938 aus Österreich. Er, ein sogenannter Halbjude, ein Jahr später aus Deutschland. Die Kriegsjahre auf der Insel waren für Rie, die 1926 an der Kunstgewerbeschule in Wien die Keramikklasse von Michael Powolny abgeschlossen hatte, von großer materieller Not geprägt. In dieser Zeit fertigte sie für Londoner Modehäuser, Schneider und Kaufhäuser Knöpfe aus Keramik in Form von Schleifen, Muscheln und Blüten. So entstanden zu diesen Textilien formal und farblich passende Miniaturkeramiken – hinreißende kleine Schmuckstücke, die jetzt zu den Highlights der Auktion gehören (Taxe 2000 Pfund).

Lucie Rie Vase Auktion Philips London
Lucie Rie (1902–1995), Kragenvase, verschiedefarbiger Ton, glasiert, 1979, H.35 cm, Taxe 30.000 Pfund © Phillips, London

Im Alter von 26 Jahren lernte Hans Coper, ein einstiger Ingenieurstudent aus Chemnitz, die ihm damals handwerklich überlegene, dazu noch selbstbewusste Lucie Rie in London kennen. Er war im Anschluss an eine Gefangenschaft in Kanada nach England gekommen, wo er zunächst als Soldat bei der Britischen Armee diente. 1946 schließlich stellte ihn Rie als Gehilfen in ihrer Werkstatt ein – eine schicksalhafte Begegnung voll gegenseitiger künstlerischer Befruchtung, die auch noch andauern sollte, nachdem Coper 1958 seine eigene Werkstatt in Hertfordshire nördlich von London eingerichtet hatte.

Copers skulpturale Arbeiten, denen man seine Bewunderung für Constantin Brâncuși oder Alberto Giacometti ansieht, wirken oft archaisch – zu sehen etwa an den für ihn so typischen, auf der Scheibe gedrehten Spaten-Vasen mit ihren rauen, an Steine erinnernden Oberflächen (Taxen 30.000 und 60.000 Pfund). Es handelt sich hier um geritztes Steinzeug mit geschichteten Porzellanmassen und färbenden Engoben, manche von ihnen sind innen mit einer Manganglasur veredelt. Copers schlichte, schwer wirkende Formen waren alles andere als einfach in der Herstellung, denn sie entstanden aus zusammengesetzten, geworfenen Formen (Taxe 60.000 Pfund). Das fällt nicht gleich ins Auge, weil Ränder und Nähte fein geglättet wurden.

Hans Coper
Hans Coper (1920–1981), Form „Sack und Scheibe“, Steinzeug, Manganbemalung, innen mit Manganglasur, um 1972, H. 15,5 cm, Taxe 60.000 Pfund © Phillips, London

Im Gegensatz dazu sind Ries Arbeiten von betörender Klarheit und in ihren Dimensionen verhältnismäßig klein. Bei der Herstellung arbeitete sie sehr exakt, wobei sie sich über die Grenzen des technisch Machbaren hinwegzusetzen schien. Typisch für ihre Vasen und Schalen waren seit den Sechzigerjahren feine Scherben und elegante, zeitlose Formen, die sie mit aparten Farbglasuren, mal diffus, mal kontrastreich, zu betonen wusste. Ritzdekore verleihen vielen ihrer Objekte – alle zauberhafte Einzelstücke mit starker Ausstrahlung – zusätzliche Raffinesse. Ihrer Faszination kann man sich nicht entziehen. Dass Rie sich mit der traditionellen ostasiatischen Formenwelt auseinandergesetzt hat, sieht man beispielsweise an einer 1979 gedrehten Kragenvase, die zu den Toplosen der Auktion gehört, weil sie als Vorlage für eine Briefmarkenserie der Royal Mail aus dem Jahr 1987 diente (Taxe 30.000 Pfund). Eine besondere Offerte ist das wohl einzige von Rie gefertigte Möbelstück aus dem Besitz von Cyril Frankel, der es 1961 in Auftrag gab. Der 120 Zentimeter lange Couchtisch besitzt eine Platte aus 16 glasierten Schamott-Steinen, die in ein schlichtes, aber vergoldetes Messinggestell eingepasst wurden (Taxe 20.000 Pfund).

Lucie Rie, stets eine elegante Erscheinung, wurde mehrfach ausgezeichnet: 1969 erhielt sie die Ehrendoktorwürde des Royal College of Art, 1991 wurde sie sogar in den Adelsstand erhoben.

UPDATE: Die Auktion bei Phillips hat insgesamt 8,2 Millionen Pfund eingespielt und übertraf damit die Erwartungen deutlich. Und sie ergab einen Künstlerrekord für Lucie Rie: Ihre Fußschale von 1981 (siehe oben), taxiert auf 50.000 Pfund, erzielte 330.200 Pfund brutto.

Service

Auktion

„Lucie Rie and Hans Coper, Exceptional Ceramics“

Phillips, London

1. November 2023

phillips.com

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