Robert Capa

Krieg und Frieden

Robert Capa wuchs in Budapest auf, bevor er als Kriegsfotograf berühmt wurde. Nun präsentiert das dortige Robert Capa Contemporary Photography Center die erste ständige Ausstellung mit seinen Bildern

Von Ivo Kranzfelder
18.12.2023
/ Erschienen in Kunst und Auktionen 20/23

Am 13. Juni eröffnete in Budapest die erste ständige Ausstellung mit Bildern von Endre Ernö Friedmann, der sich später Robert Capa (1913–1954) nannte. Ort ist das seit 2013 existierende Robert Capa Contemporary Photography Center, das im 1912 in einer Mischung aus Jugendstil und Gründerzeit erbauten Haus des Kunstmäzens und Sammlers Lajos Ernst untergebracht ist. Es befindet sich in Pest, wo Friedmann am 22. Oktober 1913 geboren wurde, mitten im Künstlerviertel hinter der Oper, drumherum Theater, Cafés, Restaurants und Clubs.

Robert Capa hat während seines kurzen und ereignisreichen Lebens in turbulenten Zeiten circa 70.000 Fotografien aufgenommen. Daraus haben zwischen 1990 und 1992 sein Bruder Cornell Capa und sein Biograf Richard Whelan eine Auswahl getroffen. Die Serie dieser 937 Fotos – 2001 bei Phaidon als mächtiges Buch veröffentlicht – wurde in drei Exemplaren abgezogen. Ein Exemplar erwarb das Tokyo Fuji Art Museum, ein zweites gab Cornell Capa in das von ihm 1974 gegründete International Center of Photography (ICP) in New York, das dritte erwarb im Jahr 2008 der ungarische Staat mit der Auflage, der Sammlung eine permanente Heimstatt zu geben. Nach dem ersten Schritt 2013 wurde nun die museale Präsentation mit ungefähr 138 Fotografien eröffnet.

Natürlich wird zu Beginn auf die Herkunft Friedmanns Wert gelegt, in Budapest wuchs er auf und wurde er politisiert, ohne auch nur im Geringsten an eine Tätigkeit als Fotograf oder Fotojournalist zu denken. Links sozialisiert und aktiv, musste Friedmann das Land unter Miklós Horthy verlassen und ging nach Berlin, wo er über die ungarische Community einen Dunkelkammer-Job bei der Agentur Dephot bekam und so zur Fotografie fand. 1933 floh er als Jude vor den Nazis nach Wien und dann weiter nach Paris, in die Stadt, die seiner Art und seinem Temperament am ehesten entgegenkam. Dort traf er unter anderem auf Gisèle Freund, Henri Cartier-Bresson und David Seymour, genannt Chim, mit dem er 1947 die berühmteste Fotoagentur der Welt gründen sollte, und zwar als Genossenschaft, deren Mitglieder ihre Bildrechte behalten und selbst vermarkten: Magnum.

Berühmt wurde Friedmann im Alter von 23 Jahren, 1936 – im selben Jahr, als Gerda Taro, seine Managerin oder Agentin und zeitweise Gefährtin, und er „Robert Capa“ erfanden, als der er fürderhin firmierte. Sein Bild eines republikanischen Milizsoldaten, der im spanischen Bürgerkrieg von hinten von einer Gewehrkugel getroffen wird, ist bis heute – wie sonst nur noch Nick Úts Aufnahme eines Mädchens im Vietnamkrieg, das von Napalm verbrannt schreiend vor Schmerz vor einem US-amerikanischen Angriff wegläuft – zu einer zeitlosen Ikone der Antikriegsbilder geworden. Veröffentlicht wurde es zuerst 1936 in Vu, ein Jahr später in Life.

Gerda Taro Robert Capa
Gerda Taro, „Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg, Mai 1937“. © Wikimedia Commons

Capa wurde in der Folge zum berühmtesten Kriegsfotografen des 20. Jahrhunderts. Er sah sich als Bildjournalist, nicht als „Künstler“, wozu ihn unter anderem Richard Whelan machen wollte. Auf dem hochpreisigen Markt gibt es demzufolge frühe Agentur-Abzüge der Aufnahme, der Begriff „Vintage“ wird hier schwammig. Es ging ausschließlich um die Veröffentlichung des Bildes. Im April 2018 erzielte ein Abzug aus den späten Dreißigern oder frühen Vierzigern bei Phillips in New York 130.000 Dollar, im November desselben Jahres notierte Westlicht in Wien ebenfalls mit einem frühen Abzug und dem Stempel des Black Star-Archivs mit 120.000 Euro einen Rekordpreis. War man nur am Motiv interessiert, konnte man das 2022 bei Ostlicht in einem Abzug aus den Achtzigerjahren für 1600 Euro erwerben.

Von der Landung der alliierten Truppen in der Normandie am Omaha Beach 1944 sind aufgrund eines Entwicklungsfehlers in der Dunkelkammer nur wenige Aufnahmen erhalten geblieben. Steven Spielberg hat sie für seinen Film „Saving Private Ryan“ als Vorbilder genutzt. Ein früher Abzug (vor 1954) mit Magnum- und anderen Stempeln aus dem Besitz eines Mitglieds der US Air Force stieg 2020 bei Phillips immerhin auf 35.000 Dollar. Viele andere Motive bleiben im vierstelligen Bereich, manchmal, je nach Ort, Abzug und Interesse, sogar nur im dreistelligen.

Nun war Capa nicht nur der berühmte Kriegsreporter, sondern zum Beispiel auch in Hollywood tätig. Er hatte eine Liaison mit Ingrid Bergmann, die ihn heiraten wollte, was wiederum seinem Naturell widersprach. Eine andere berühmte Aufnahme, die überall auftaucht, zeigt Picasso, der Françoise Gilot den Sonnenschirm trägt. Das Bild stammt von 1948, wurde in Life veröffentlicht und brachte mit eben diesem Stempel letztes Jahr bei Bonhams 9500 Pfund, ein Jahr zuvor hatte das Motiv an selber Stelle in der Picassomania-Auktion immerhin 6000 Pfund erreicht. Gelegentlich passiert es, dass sich jemand schlicht für ein tolles Motiv begeistert, wie etwa 2019 bei Cambi in Mailand: Eine sizilianische Landschaft mit einem Bauern und einem Soldaten in Interaktion von 1943 schoss bei einer Taxe von 1500 auf 13.000 Euro.

Das wilde, unstete und atemlose Leben Capas kann man hier nicht schildern, selbst sein Biograf konnte nicht anders, als eine eher buchhalterische chronologische Aufzählung von Geschichten und Anekdoten wiederzugeben. Wäre es anders möglich, hätte es schon längst ein Hollywood Biopic über Capa gegeben. Möchte man mehr über ihn erfahren, sollte man nach Budapest reisen und sich die Ausstellung anschauen, die in sehr gelungener und kurzweiliger Weise sein Leben mit seinen Fotografien verknüpft. Capa war vor allem ein bedingungsloser Menschenfreund, ein wahrer Humanist, der stets auf der Seite der Unterdrückten und Entrechteten stand. Das machte ihn zu einem so außergewöhnlichen und faszinierenden Fotografen. Gleichzeitig – und vielleicht damit untrennbar verbunden – war er, nach eigener Aussage, ein Spieler, der das Risiko liebte. Im ersten Indochina-Krieg, der später zum Vietnamkrieg werden sollte, trat Capa 1954 in einem Moment der Unachtsamkeit auf eine Personenmine, die ihn tötete. Er wurde nur 41 Jahre alt.

Service

MUSEUM

Robert Capa Contemporary Photography Center

Budapest, Ungarn

capacenter.hu

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