Das aktuelle Angebot der Auktionshäuser umfasst im Mai viele außergewöhnliche Werke von Malern des 19. Jahrhunderts. Manch einer von ihnen hat überraschende Verbindungen nach Sachsen
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16.05.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 226
Was für ein Leben! Allein durch seine geografische Weite sticht der Werdegang des Künstlers Raden Sjarief Bastaman Saleh Ben Jaggia aus allen anderen Biografien des 19. Jahrhunderts heraus. 1811 auf Java geboren, entstammte er einer indonesischen Fürstenfamilie, die unter den niederländischen Kolonialisten zu leiden hatte. Andererseits war es ein Kolonialmaler, der die Begabung des Jungen erkannte und förderte. Raden Saleh, der fließend fünf Sprachen beherrschte, ging zum Kunststudium nach Den Haag, 12.000 Kilometer Luftlinie von seiner Heimat entfernt, und zog dann, für die schönsten Jahre seines Lebens, so soll er gesagt haben, nach Dresden und Maxen, das heute zur Gemeinde Müglitztal gehört. Zwanzig Jahre blieb er in Europa. Ernst II. von Sachsen Coburg und Gotha wurde ein enger Freund, Raden Saleh zum gefragten Maler der Dresdner Spätromantik und zum Mitbegründer des Orientalismus. Mitte des 19. Jahrhunderts kehrte er nach Indonesien zurück, wo er 1880 starb und bis heute als Begründer der indonesischen Moderne verehrt wird.
Der Markt für seine Kunst, die in den vergangenen Jahren immer wieder siebenstellige Preise erzielt hat, wird von indonesischen Sammlern befeuert. Sein Rekord liegt bei einem Hammerpreis von 7,2 Millionen Euro für eine monumentale Jagdszene mit Stier, die vor rund fünf Jahren in Frankreich versteigert wurde. Ein ebenso bewegtes Motiv hat das Kölner Auktionshaus Van Ham vor einigen Jahren für 1,6 Millionen Euro versteigert, es zeigt einen Löwen, der sich in ein Pferd verbeißt und samt Reiter filmreif in eine Schlucht stürzt. In Hollywood hieße es „Mission Impossible“: Der Reiter hält sich in freiem Fall gerade noch an einem Ast fest. Wie es wohl am 17. Mai bei Van Ham für Raden Saleh ausgeht? Auch auf dem neu entdeckten Gemälde aus dem Jahr 1842, mit knapp einem Meter Breite um einiges kleiner als die Rekordhalter, geht es um den Kampf mit einem Löwen. Drei arabische Reiter haben die Löwin schon erlegt. Nun, mitten im Ritt, feuern sie eine Pistole auf den angreifen den Löwen ab. Die Schätzung liegt bei 300.000 bis 500.000 Euro.
Ruhiger, geradezu still, geht es auf dem Gemälde von Johann Hermann Carmiencke zu, das im Berliner Auktionshaus Bassenge zwei Wochen später für geschätzte 12.000 Euro zum Aufruf kommt. 1830, mit gerade einmal zwanzig Jahren, malte der Hamburger Künstler die verschneite „Winterlandschaft an der Elbe mit drei Reitern“, übrigens auf einer Leinwand, die noch auf den originalen Dresdener Keilrahmen aufgezogen ist. Die Reiter sind bei Carmiencke nur winzige Statisten. Die Hauptrolle spielen die majestätischen Bäume vor dem leuchtenden Abendhimmel. Damals studierte Carmiencke in Dresden bei dem berühmten norwegischen Romantiker Johan Christian Clausen Dahl. Später wurde er Hofmaler des dänischen Königs, bevor er 6000 Kilometer Luftlinie zurücklegte und in Amerika einer der Gründer der Brooklyn Academy wurde.
Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski, 1817 auf der Krim als Sohn einer armenischen Familie geboren, studierte in Sankt Petersburg, bereiste mit einem Stipendium große Teile Europas (auch Dresden) und wurde schließlich mit seinen Seestücken höchst erfolgreich. Bassenge hat von ihm das Gemälde „Morgenglühen über dem Hafen von Konstantinopel“ (1874) zur Schätzung von 25.000 Euro im Katalog.
Auch Kunst von Caspar David Friedrich kann man im Mai auf Auktionen kaufen. Eine böhmische Landschaft hat 1828 sein Aquarell „Morgennebel“ inspiriert, das nun bei Karl & Faber in München Erwartungen von mindestens 150.000 Euro weckt. Vor zwei Jahren ist das Werk bei einer New Yorker Auktion durchgefallen. Wie sich die gesteigerte Aufmerksamkeit im Jubiläumsjahr des Künstlers auf seinen Markt auswirken wird? Bei Grisebach in Berlin hat vor einigen Monaten Friedrichs sogenanntes Karlsruher Skizzenbuch von 1804 mit einem Hammerpreis von 1,45 Millionen Euro Schlagzeilen gemacht. Im aktuellen Grisebach Katalog ragt seine 50 mal 72 Zentimeter große Sepiazeichnung „Feuer in einer Kirchenruine“ von 1800/1801 mit einer Taxe von 200.000 bis 300.000 Euro hervor. Außerdem sind kleine Bleistiftskizzen von ihm im Angebot. Eine zeigt den „Blick auf den Wolfsgraben“ – ein Motiv aus der Sächsischen Schweiz –, sie soll mindestens 50.000 Euro einspielen. Vor genau zehn Jahren hat Grisebach die Zeichnung schon einmal für 40.000 Euro zugeschlagen.
Die Skizze der „Klosterruine Altzella in Nossen bei Dresden“ peilt mindestens 80.000 Euro an. Ein frühes Ölbild von Caspar David Friedrich entstand in seiner Kopenhagener Zeit. Daneben hat Grisebach auch Werke seiner Freunde akquiriert. Von Dahl stammt eine bezaubernde „Wolkenstudie mit Flusslandschaft“ in Öl auf Papier, die auf 15.000 Euro taxiert ist, von Carl Gustav Carus ein „Frühsommerlicher Weinberg in Pillnitz“ (um 1830/40), in Öl auf Karton, für 30.000 bis 40.000 Euro.
Bei Lempertz in Köln ist jetzt ein Porträt des Philosophen Friedrich Wilhelm von Schelling zu finden, der 1797 seine „Ideen zu einer Philosophie der Natur“ verfasst und mit diesen Gedanken die frühe Romantik beeinflusst hatte. Stieler war zu seiner Zeit einer der gefragtesten Porträtisten und stand jahrzehntelang im Dienst der bayrischen Könige. Er malte Ludwig van Beethoven, Lola Montez und – im Dresdner Albertinum – die sächsische Herzogin Maria Augusta. Eine Version des Schelling Porträts aus dem Jahr 1835 gehört den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Lempertz hat das Bild in seiner Mai Auktion auf 30.000 bis 40.000 Euro geschätzt.
Lempertz, Köln, 16. Mai
Van Ham, Köln, 17. Mai
Karl & Faber, 17. Mai
Bassenge, Berlin, 29. Mai bis 1. Juni
Grisebach, Berlin, 30./31. Mai