Sammlung Eberhard Kornfeld

Ein Leben in Bildern

Die Sammlung von Eberhard Kornfeld spiegelt seine Vorlieben ebenso wie seine Freundschaften mit Künstlern wie Alberto Giacometti und Sam Francis

Von Christian von Faber-Castell
22.08.2024
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 230

Begriffe wie „Jahrhundertsammlung“, „-Versteigerung“ oder „-Gelegenheit“ sind im übertreibungsträchtigen Kunstmarkt mit Bedacht zu verwenden. Doch für die vom Berner Auktionshaus Galerie Kornfeld auf den 12. und 13. September anberaumte Versteigerung und deren Angebot lassen sich alle drei Aussagen plausibel begründen, wobei für Museen und Sammler insbesondere die Jahrhundert-Gelegenheit von Bedeutung ist. Zwar betont Bernhard Bischoff als Leiter des Auktionshauses, dass die neunzig „Meisterwerke aus der Sammlung Eberhard W. Kornfeld“, darunter allein 40 Werke von Ernst Ludwig Kirchner, nur einen kleinen Teil der monumentalen Sammlung des Kunstmarkt-Titanen darstellt, der im April 2023 mit 99 Jahren verstarb. Außerdem nennt er im ganzen Auktionsangebot noch zahlreiche weitere Museumsraritäten von Ferdinand Hodler bis Keith Haring.

Was diese von den Erben Eberhard W. Kornfelds und den Verantwortlichen des Auktionshauses ausgewählten neunzig Werke zu einer so einzigartigen, eben Jahrhundert-Gelegenheit machen, das ist zum einen ihre Marktfrische, befinden sich doch manche davon schon 70 Jahre in Privatbesitz. Ebenso wichtig ist zum anderen das enge persönliche Verhältnis, das sie mit einer Leuchtturmfigur des Kunstmarkts wie „Ebi“ Kornfeld verknüpft.

Sinnliche Freude, gepaart mit wissenschaftlicher Neugier prägten Kornfelds Liebe zur Altmeistergrafik, für deren intimes Studium er sich einst wochenlang in den großen Kupferstichkabinetten der Welt aufhielt. Besonders faszinierte ihn Rembrandts Virtuosität mit der kalten Nadel, der schon vor rund 400 Jahren eine geradezu impressionistische Wiedergabe von Licht und Schatten ermöglichte. Seine großen Kaltnadelradierungen „Die drei Kreuze“ von 1653 und „Ecce Homo – Christus dem Volke vorgestellt“ von 1655, beide in berühmten Drucken vorliegend und auf je 700.000 Franken geschätzt, sind Schulbeispiele dafür. Dagegen demonstriert Georges Seurats geheimnisvolle, zeitgemäße neuroästhetische Konzepte umsetzende Conté-Kreidezeichnung „Dame au bouquet, de dos“ um 1882, geschätzt auf 2 Millionen Franken, in Konkurrenz zur jungen Fotografie die ungebrochene Kraft der Schwarz-Weiß-Zeichnung.

Die Taxen bemessen sich in Millionen Franken: Seurats Zeichnung „Dame au bouquet, de dos“ soll 2 Millionen Franken bringen
Die Taxen bemessen sich in Millionen Franken: Seurats Zeichnung „Dame au bouquet, de dos“ soll 2 Millionen Franken bringen. © Galerie Kornfeld Auktionen, Bern

Kornfelds Suche nach einem persönlichen, direkten Draht zum Künstler und seinen schöpferischen und experimentellen Intentionen spiegelt sich auch in seiner Vorliebe für Handzeichnungen, Arbeiten auf Papier sowie für Skizzen, Vorzeichnungen und Entwürfe, die Ausnahmen in einem Œuvre. So zeigt etwa Francisco de Goyas kleine, auf 800.000 Franken taxierte Sepia-Pinselzeichnung „Jäger mit Hund“ aus der Zeit um 1815 bis 1820 eine unverhoffte Leichtigkeit gemessen an der Düsternis anderer Arbeiten des damals schon schwer gehörgeschädigten und psychisch leidenden Künstlers.

Auch Marc Chagalls 1912 entstandene und auf 1,75 Millionen Franken angesetzte „Esquisse pour le marchand de bestiaux“ hebt sich stark und spannend von seinen im weiteren Auktionsangebot natürlich auch vertretenen, zum Teil fast fünfzig Jahre späteren dekorativen Prachtwerken ab. Ähnliches gilt für Egon Schieles als aquarellierte Bleistiftzeichnung ausgeführte und auf 1,5 Millionen Franken taxierte Vorstudie „Friederike Beer in gestreiftem Kleid mit erhobenen Armen“ zu seinem lebensgroßen Bildnis „Fräulein Beer“. Piet Mondrians 1914 geschaffene Kohlezeichnung „Ocean 4“ wiederum ist ein rares frühes Beispiel seiner vom Kubismus angeregten „Plastik in der Malerei“ mit einer Schätzung um 1 Million Franken.

Demgegenüber skizziert Paul Cézanne mit seiner auf 1,5 Millionen Franken veranschlagten provenzalischen „Paysage“ von 1904 eine geradezu visionäre Annäherung an eine „Peinture pure“ im Zwischenreich zwischen Impression, Abstraktion und Expression. An Edvard Munchs mit einer Taxe von 800.000 Franken angebotenen Farblithografie „Madonna – Liebendes Weib“ in der zwischen 1895 und 1902 gedruckten Version von drei Steinen in Schwarz, Rostrot und Blau auf blassgrünem Velin dürfte den Grafikkenner Kornfeld dagegen die Vollendung der Lithografie in einem Motiv von zeitloser Ästhetik begeistert haben.

Egon Schieles aquarellierte Vorstudie für das lebensgroße Bildnis „Fräulein Beer“ ist auf 1,5 Millionen Franken taxiert
Egon Schieles aquarellierte Vorstudie für das lebensgroße Bildnis „Fräulein Beer“ ist auf 1,5 Millionen Franken taxiert. © Galerie Kornfeld Auktionen, Bern

Die auf 400.000 Franken geschätzte Tuschfederzeichnung „Jeune Femme couchée“ von Henri Matisse aus dem Jahr 1920 erinnert in ihrem tänzerisch-leichten Strich schließlich an seine kongeniale Mitarbeit an Bühnenbild und Kostümen zu Stravinskys Ballett „Gesang der Nachtigall“, die in den Folgejahren seine berühmten Odalisken-Bilder beflügeln sollten – und vielleicht auch Kornfelds unverhohlene lebenslange Freude an weiblicher Schönheit.

Am stärksten offenbart sich die von Kornfeld so gesuchte und geschätzte Nähe in den Werken von Künstlern, mit denen ihn langjährige persönliche Freundschaften verbanden, darunter an erster Stelle Alberto Giacometti, der hier gleich mit drei Höhepunkten vertreten ist. Mit 7,5 Millionen Franken am höchsten taxiert ist darunter die 1958 in nur sechs Exemplaren gegossene und schon 1959 von Kornfeld für seine Sammlung erworbene Bronze „Stele III“, die Albertos Bruder Diego zeigt.

Mit einer Schätzung von 5 Millionen Franken folgt das auffallend skulpturale, 1960 gemalte Bildnis der Tochter seines Schneiders, „Femme assise (Aika)“. Als Geschenk des Künstlers an Ebi Kornfeld ein besonderes Zeugnis dieser Freundschaft ist seine 1950 geschaffene und nach nur zwei Güssen 1951 überarbeitete und farbig gefasste Gipsskulptur „Buste de Diego au col roulé“, die nun für 2,5 Millionen Franken zu haben sein könnte.

Eine enge Freundschaft verband Kornfeld sodann mit dem gleichaltrigen kalifornischen Künstler Sam Francis, den er nicht nur seit 1957 in seiner Galerie ausstellte, sondern der zeitweilig auch bei der Familie Kornfeld in Bern arbeitete und wohnte. Aus seinem privatem Bestand stammt nun das 1958 in Paris entstandene und mit einer Schätzung von 3 Millionen Franken angebotene Drip Painting „Paris Summer“.

Ein separater Katalog mit vierzig Werken ist schließlich dem Werk des deutschen Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner gewidmet, den Kornfeld zwar kaum persönlich kannte, war er doch erst 15-jährig, als Kirchner 1938 bei Davos starb. Umso stärker entwickelte sich jedoch Kornfelds geistige Verbindung mit dem von 1917 an in Davos lebenden Wahlschweizer, und zwar sowohl in Form zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und Kataloge über Kirchner und sein Werk als auch mit seinem Engagement für die Pflege desselben und für den Erhalt von Kirchners Wirkstätten in und um Davos.

Kirchners „Villa im Park“ wird für 1,75 Millionen Franken ausgerufen
Kirchners „Villa im Park“ wird für 1,75 Millionen Franken ausgerufen. © Galerie Kornfeld Auktionen, Bern

Die für die kommende Auktion vorgesehene Auswahl reicht von der Ölskizze „Fränzi mit Freundin (Fränzi und Marcella) – zwei liegende Akte“ aus dem Jahr 1910 mit einer Taxe von 1 Million Franken über die ein Jahr später gemalte hochexpressionistische Parklandschaft „Villa im Park – Villa bei der Waldschlösschenbrauerei in Dresden“ (Verso: „Lehmgrube bei Dresden“) im Schätzwert von 1,75 Millionen Franken bis zu seinem plakativen „Selbstbildnis“ aus den Jahren 1925 bis 1926 für das etwa 800.000 Franken erwartet werden.

Service

Auktion

Galerie Kornfeld Auktionen, Bern,

12. und 13. September

kornfeld.ch

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