Kurz vor seinem Tod hat der renommierte Ausstellungsmacher Kasper König rund 400 Werke seiner Sammlung zur Versteigerung beim Kölner Auktionshaus Van Ham ausgewählt
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27.09.2024
Vielleicht gibt es ja doch so etwas wie ein Kunst-Gen, das Dynastien von talentierten Kunstvermittlern hervorbringt. Dann jedenfalls wäre Kasper König einer der herausragenden Vertreter. Sein Bruder Walther König zählt zu den renommiertesten Kunstbuchhändlern in Deutschland, und seine Söhne Leo und Johann sind erfolgreiche Galeristen, der eine in Berlin, der andere in New York.
Aber niemand aus der Familie hat es als Ausstellungsmacher zu so einer internationalen Bedeutung geschafft wie der 1943 in Mettingen als Rudolf Hans König geborene Kasper König, der am 9. August dieses Jahres im Alter von 80 Jahren starb. Er kannte die Mechanismen des Kunstbetriebs bis in die feinsten Verästelungen, war selber Teil der Maschinerie und dem Markt gegenüber trotzdem stets kritisch eingestellt. In einem Interview mit dem ZEITmagazin anlässlich seines 75. Geburtstags gestand er ganz unverblümt: „Das Kuriose an meinem Alter ist ja, ich kann nach über fünfzig Jahren Kunstwelt Geschichten erzählen, dass sich die Balken biegen.“ Dann kommt er zu dem entscheidenden Punkt. „Es gibt kaum einen Bereich, der so manipulativ ist wie die Kunstwelt.“ Mit diesem Wissen um die Wirkmacht von Kunst und Kunstgeschichten choreografierte er seine Projekte, viele wurden legendär.
Gemeinsam mit Klaus Bußmann initiierte er die weltweit beachteten „Skulptur Projekte Münster“, die seit 1977 alle zehn Jahre stattfinden, und als Kurator komponierte er impulsgebende Ausstellungen wie die „Westkunst“ 1981 in Köln oder „von hier aus“ 1984 in Düsseldorf. Seine Schauen waren Besuchermagnete, die von den Feuilletons regelmäßig gefeiert wurden.
Trotzdem nannte sich Kasper König immer mal wieder, und das nicht ohne Ironie, „Analphabet“. Er war Professor, aber ohne akademische Ausbildung, als Schulabbrecher hatte er noch nicht einmal Abitur. Damit kokettierte er gern, um andere vorzuführen, die mit wissenschaftlichen Weihen gesegnet weniger erfolgreiche Ausstellungen organisierten. Wozu braucht man ein Studium, wenn einem das Kunst-Gen, die Intuition gegeben ist?, war seine Botschaft.
Seine ersten Kunsterlebnisse hatte er in den 1960er-Jahren in London und New York. Kasper Königs Kunsttipps aus New York wurden zur Geldmaschine für Galeristen, denn seine Empfehlungen entwickelten sich zu den neuen Stars des Kunstbetriebs. So widmete er der Pop-Art von Claes Oldenburg und Andy Warhol schon sehr früh Ausstellungen. Ab 1985 war er Professor für „Kunst und Öffentlichkeit“ an der Kunstakademie in Düsseldorf, danach ging er 1988 an die Frankfurter Städelschule, wurde dort bald Rektor und gründete den wirkungsmächtigen Ausstellungsraum Portikus, in dem Ausstellungen von Marlene Dumas oder Gerhard Richter und Bruce Nauman stattfanden. Jörg Immendorff und Franz West wurden von ihm als Professoren nach Frankfurt berufen, und die Stadt begann, künstlerisch aufzublühen.
Aus seiner größer werdenden privaten Kunstsammlung verkaufte König immer mal wieder Werke, zum Beispiel eine Brillo-Box von Andy Warhol, um sich dafür in Berlin eine Wohnung zu finanzieren. Seit 2000 war er schließlich für zwölf Jahre Leiter des Museums Ludwig, das er mächtig in Schwung brachte. Sein weit verzweigtes Netzwerk sorgte dafür, dass das Museum immer wieder hochkarätige Schenkungen erhielt. Er selber folgte dem Beispiel der von ihm aufgespürten Mäzene und übergab zu seinem 80. Geburtstag als großzügiges Herzensgeschenk ein Konvolut von rund fünfzig Bildern, Skulpturen und Multiples an das Museum. Darunter sind Werke von On Kawara, Hanne Darboven und Isa Genzken, Maria Eichhorn und Dan Graham. Es ist übrigens eine Schenkung ohne Bedingungen – solche hat er immer abgelehnt.
Den größeren Teil seiner Sammlung bestimmte er zum Verkauf über eine Auktion, dafür hatte er sich das Kölner Auktionshaus Van Ham ausgesucht. Die Auktion, die auf den 1. und 2. Oktober terminiert ist, kann König, der an einer Krebserkrankung starb, nun nicht mehr erleben. Die hochkarätigsten Werke, sechzig Lose, offeriert Van Ham am 1. Oktober in einem „Evening Sale“, einen Tag später folgen weitere 190 Lose. In einer „online only Auktion“ werden schließlich die niedriger taxierten Werke, ungefähr 150 Positionen, angeboten. Kasper König wusste, dass er nicht mehr lang zu leben hatte, und war sich sicher, dass die Auflösung der Sammlung für seine Nachkommen die bessere Alternative sei. Geld lässt sich gut teilen – ungleich schwieriger wäre es wohl gewesen, die Kunst als Erbmasse unter seiner Frau, seinen vier Kindern und seinen Enkelkindern aufzuteilen.
Was wird im Rahmen der Auktion aufgerufen? Sigmar Polkes „Meisterwerk als Ramsch versteigert“, Mischtechnik auf Leinwand, schnappte König 2008 auf dem Stand von Erhard Klein auf der Art Cologne einem Privatsammler vor der Nase weg. Er kaufte es aus Empörung darüber, dass der erste Interessent den Galeristen gleich nach einem Rabatt gefragt hatte, statt über die Kunst zu sprechen. So jemandem wollte er das Werk, das seinem schrägen Humor genau entsprach, nicht gönnen. Jetzt wird Polkes Arbeit für 30.000 bis 50.000 Euro in der Auktion angeboten.
Die größere Anzahl der Werke liegt bei niedrigeren Taxen. Eine überraschende Ausnahme in der Gesamtofferte, die den Schwerpunkt in der zeitgenössischen Kunst hat, ist die romantische „Tannenlichtung“ von Caspar David Friedrich, eine 1812 entstandene Zeichnung, die mit einer Schätzung von 50.000 bis 70.000 Euro ins Rennen geht. König erwarb die Studie bei der Münchner Galerie Friedrich.
Weitere Highlights sind Arbeiten von Thomas Bayrle zur Taxe von 8000 bis 12 000 Euro, William Copley (70.000–90.000 Euro), mit dem König eine Freundschaft pflegte, wie auch Arbeiten von Maria Lassnig (7000–9000 Euro), Nicole Eisenman (4000–6000 Euro), Niele Toroni (50.000–70.000 Euro) oder Richard Artschwager (150.000–200.000 Euro). Ein „Date Painting“ von On Kawara, das Datumsbild „May 7, 1967“ in originalem Karton mit zugehöriger New York Times desselben Tages, soll bis zu 700.000 Euro einspielen. Insgesamt ist die Auktion also ein Who’s who der Kunst, das durch eine Reihe unbekannterer Positionen ergänzt wird, die anschließend vielleicht zu den überraschenden Entdeckungen zählen werden – so wird diese Auktion auch zum Nachruf auf den Großmeister der Ausstellungskunst.
„The Kasper König Collection – His Private Choice“
Van Ham in Köln
1./2. Oktober