Die Skulpturensammlung im Berliner Bode-Museum bietet erstmals die Gelegenheit, die drei berühmten Tänzerinnen Canovas nebeneinander zu sehen.
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14.12.2016
So anmutig und grazil wie Canova hat um 1800 kein anderer Bildhauer die Antike wiedererweckt: nicht als bloße Kopie, sondern als eine steingewordene Vision von Erhabenheit und idealer Schönheit. Niemand konnte den Marmor so makellos und fein bearbeiten und zugleich mit entrücktem Leben erfüllen. Schon zu Lebzeiten war Antonio Canova (1757–1822) ein Mythos. Aus ganz Europa pilgerten Kunstfreunde in seine Werkstatt in Rom, und die Herrscher zwischen Paris und Sankt Petersburg rissen sich um seine Werke. Als Zentralgestirn des Klassizismus ist er bis heute unbestritten. Jetzt bietet die Skulpturensammlung im Berliner Bode-Museum erstmals die Gelegenheit, die drei berühmten Tänzerinnen Canovas nebeneinander zu sehen. Eine davon, die 1809–1812 entstandene „Tänzerin mit den Zimbeln“, besitzt das Haus selbst seit 1981. Anmutig hebt die junge Frau ihre Arme, während sie mit ihrer rechten Fußspitze gerade aus einem leichten Sprung zu Boden kommt. Das Gewand ist so fein gemeißelt, dass der Leib darunter zu pulsieren scheint.
Canova liebte den Tanz seit seiner Jugend. Nichts verkörperte für ihn so sehr die weibliche Schönheit und Grazie. Schon auf einer frühen Zeichnung skizzierte er drei Tänzerinnen in verschiedenen Haltungen. Von Beginn an sollte es eine Trias werden, wobei zwischen 1807 und 1812 jede Figur als Einzelstück realisiert und verkauft wurde. Eine ist nur als Gips überliefert, aber das beeinträchtigt nicht den Eindruck. Die dritte Tänzerin, die in ländlicher Natürlichkeit ihre Arme in die Hüften stemmt, kam aus der Eremitage in Sankt Petersburg nach Berlin. Und mit Canovas berühmter „Hebe“, der Göttin der Jugend aus der Berliner Nationalgalerie, kommt noch ein viertes kapitales Hauptwerk dazu.
Reich bedacht aus dem Canova-Museum in Possagno und dem Zeichnungsnachlass in Bassano del Grappa, zeigt die Schau viele Skizzen, Studien, Druckgrafiken, einige Reliefs und Büsten und vor allem die selten zu sehenden Temperamalereien, auf denen der Künstler seinen Tanzvisionen freien Lauf ließ. So viel Canova war in Deutschland noch nie zu erleben.
„Canova und der Tanz“, Bode-Museum, Berlin, bis 22. Januar 2017