Wenn wir uns durch den Mittelpunkt der Erde graben, wo kämen wir auf der anderen Seite wieder heraus? Der Künstler Felix Kiessling hat dieses Gedankenspiel zum Kunstkonzept erhoben. Bevor er seine neuen Arbeiten in Berlin zeigt, blickt er für uns auf seine Recherchereise zurück
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08.09.2017
Für die Umsetzung seiner Werke reist der Künstler Felix Kiessling viel – sei es nach Äthiopien, ans Tyrrhenische Meer oder an den nördlichsten Punkt Europas, das Kap Nordkyn, in Norgwegen. Für seine Arbeit Erddurchstechung flog er nach Spanien, in den Parque Nacional de Cabañeros, und nach Neuseeland, in den Tongariro National Park. Gemeinsam mit einem befreundeten Mathematiker wurden nach genauen kartographischen Berechnungen an diesen Orten zwei Punkte lokalisiert, die einander diametral gegenüberliegen und durch die Installation einer Aluminiumstange sichtbar gemacht und miteinander verbunden wurden. Den Entstehungsprozess dieser Arbeit hat der Künstler fotografisch festgehalten und kommentiert. Bevor er seine neuen Arbeiten ab dem 9. September in der Galerie alexander levy in Berlin und gemeinsam mit anderen ehemaligen Studierenden von Olafur Eliassons Institut für Raumexperimente im Hamburger Bahnhof anlässlich des Festival of Future Nows (14. bis 17. September) ausstellt, teilt er seine Reiseeindrücke mit uns.
„Flughafen Tegel. Beginn der Erddurchstechung. 12.700 km misst die Erdkugel, 2 m Länge sind als Sperrgepäck zugelassen.“
„In London Gatwick. Full English Breakfast. Noch weiß ich, wo ich bin. Noch habe ich ein Gefühl für die Zeit, einen Rhythmus.“
„Hong Kong International Airport, ein Kalender-Tag später. Seit 11 Stunden keine Außenluft geatmet. Das sphärische Gefühl wächst.“
„Last supper: Weitere 9.139,43 km Flug vor mir. Ein spicy Ramen wird mich schlafen lassen.“
„Weitere 11 Stunden später. Anflug auf Auckland. Durch eine mysteriöse Wolkendecke werden die ersten neuseeländischen Landmassen sichtbar.“
„6 Stunden Autofahrt, Richtung Tongariro National Park. Der Punkt, den ich erreichen will, liegt in der Rangipo Wüste, östlich vom Mount Ruapehu.“
„Ich suche den Einstichpunkt. Mein Bio-Rhythmus ist durcheinander. Ich fühle mich schwindelig. Ein schönes planetares Gefühl.“
„TE WERO I TE AO“ ist Maouri, und heißt „Ich steche durch die Welt“ – habe ich unterwegs gelernt.
„Der Punkt ist erreicht, der Stab wird justiert. Das Wetter ist rau. Ein Regenbogen biegt sich über die Wüste.“
„Wieder Flughafen Tegel. Gepäckaufgabe nach Madrid. Wieder zum Sperrgepäck.“
„Flug nach Madrid. Der Parque Nacional de Cabañeros, Ausstichpunkt meiner Installation, befindet sich von dort etwa zwei Stunden Autofahrt entfernt.“
„Ein einfacher Bocadillo mit Schinken in der Tienda „EL ENTE“ in Cuerva.“
„Fahrt durch den Parque Nacional de Cabañeros. Während ich in die Weite blicke, entsteht dieses planetare Gefühl auf einer Kugel zu stehen. Zische ich an der Welt vorbei oder bleibe ich stehen und sie zischt an mir vorbei?“
„Eine Tankstelle im Nichts ist der letzte und zudem einzige Ort, an dem man sich stärken kann. Eine schwarze Sonne schmückt das Logo. Der exakt gegenüberliegende Punkt zu der in Neuseeland installierten Stange liegt nun noch etwa 30 Minuten von hier entfernt.“
„Das Gelände wird unwegsam. Der Wagen ist abgestellt, also geht es zu Fuß weiter.“
„12.700 km unter mit liegt Neuseeland. Ich fange an zu buddeln.
Ich spüre, dieser Tag könnte lang werden…“
„Die ganze Erde ist durchstochen. Spanien und Neuseeland mit einer Aluminiumstange verbunden.“
Galerie alexander levy
Felix Kiessling – Neuordnung II
Opening 9.9.2017 von 18–21 Uhr
10.09.–04.11.2017
Rudi-Dutschke-Str. 26, 10969 Berlin
Di-Sa 11-18 Uhr und nach Vereinbarung
Hamburger Bahnhof, Festival of Future Nows,
14.-17.09.2017