Ausstellungen

Von der Schwierigkeit, Comics auszustellen

 Die Bundeskunsthalle in Bonn widmet sich der Geschichte als Geschichte mit ernüchterndem Ergebnis

Von Peter Dittmar
01.09.2017

Die Bundeskunsthalle in Bonn gibt sich gern enzyklopädisch. Nachdem über die Jahreswende „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ abgehandelt wurde, die, hübsch zusammengeknüllt wie ein Seidentuch in einer Nußschale, „100.000 Jahre Kulturgeschichte“ in eine Short Story ohne Pointe verwandelte, geht es diesmal mit „Comics! Mangas! Graphic Novels!“ um die lange Geschichte eines Genres, das sich gern „Neunte Kunst“ nennen läßt, der Kunst jedoch nur selten begegnet. Besonders wenn man sich auf die Vereinbarung der Comic-Afficionados einläßt, dass die Sonntagsausgabe von „The World“ vom 20. September 1896 mit dem Auftreten des „Yellow Kid“ die Geburtsstunde sei. Denn diese Seite, noch sprechblasenlos wie alle Vorgänger von Rodolphe Toepffer bis Wilhelm Busch, jedoch mit allerhand Texten im Bild, hatte, abgesehen vom Kontinuum des Erscheinens, noch wenig davon, was diese Bildunterhaltung auszeichnet. Das wurde erst mit den „Katzenjammer Kids“ manifest, bei denen das Geschehen als Bildfolge, brav gereiht oder raffiniert verschränkt wurde. Aber es dauerte noch einige Jahre, ehe aus den komischen Serien alltägliche oder heroische Erzählungen erwuchsen, banal oder anspruchsvoll, konventionell oder eigenwillig gezeichnet.Gewöhnlich nur Dutzentware eines Massenmediums und eher zufällig kunstnah. Bonn hat sich, obwohl die Texte in der Ausstellung wie im Katalog mit dem Tremolo des verkannten Genies auf die „Neunte Kunst“ verweisen, für eine Kulturgeschichte des Comic mit allen seinen Facetten entschieden – und sich dabei übernommen.

Keine „Blasenbilder für Analphabeten“

120 Jahre Comicgeschichte sollen mit etwa 250 Beispielen auf einen Nenner gebracht werden. Schließlich will man darlegen, dass es keine „Blasenbilder für Analphabeten“ sind, sondern die Serien in den Kanon der Künste gehören. Neu ist das nicht. Das unterstrichen in jüngster Zeit Ausstellungen in Brüssel, Lüttich, Frankfurt, allerdings stets thematisch eingegrenzt. Bonn aber versucht den Blick für die ganze Welt des Comics öffnen, indem es die unordentlich disparate Welt des Comics in sechs teils formale, teils regional Kapitel gliedert: Comic Strips, Comic Hefte, Comic in Europa, Underground & Independent , Mangas und Graphic Novels (nur die ungebärdigen Kinder, die die Comics mit den Mitteln des Comic travestierenden Eight Pager und ähnliche, nicht minder pornographische Geschwister – von John Willie bis Georges Pichard – dürfen nicht mitspielen, weil sie den Ruf der Familie beeinträchtigen könnten).

Und damit die Ausstellungsbesucher die hehre Absicht begreifen, wird ihnen in den Bildbeischriften versichert, dass der eine „einer der prominentesten Comic-Autoren der Gegenwart“, ein anderer „einer der ganz großen Experimentatoren des Comic“ sei. Und bei „Blueberry“ erfährt man oberlehrerhaft, daß sich die Geschichte „zu einem erzählerisch komplexen und ästhetisch furiosen Meisterwerk“ entwickelte. Aber warum das so ist, worum es dabei geht, wird nicht gesagt und wird nicht deutlich. Denn stets wird nur eine Seite gezeigt. Und selbst dem, der englisch, französisch, japanisch zu lesen vermag (auf Übersetzungen wurde verzichtet), bleibt verborgen, was in den Geschichten vorher geschah und nachher geschieht. Anscheinend sind die Kuratoren überzeugt, jedes Objekt – ob Entwurf, Reinzeichnung, Druckvorlage oder Zeitungsseite – sei ein Kunstwerk, das für sich selbst spreche. Das mag bei „Krazy Kat“, „Nemo in Slumberland“, einzelnen Seiten von Moebius, Enki Billal und Philippe Druillet der Fall sein. Aber die Mehrheit der Comics will als Geschichte mit Anfang und Ende gelesen werden – wobei die Bilder ihren Sinn oft erst durch die – nicht selten umfangreichen – Texte gewinnen. Da hilft auch nicht weiter, dass auf Tischen in der Ausstellung die Hefte und Alben liegen, weil bereits das, was an den Wänden hängt, Lesestunden erfordert. Gewiß, es sind Raritäten dabei. Aber es ist wie einst in den Kunst- und Wunderkammern: Sammeleifer und Sammelmöglichkeiten stimmen nur selten miteinander überein. Man bewundert das eine und vermißt zugleich das andere. Und vor allem: Von der Äußerlichkeit „Comic“ abgesehen, läßt sich „Prinz Eisenherz“ so wenig mit Mattottis „Stigmata“ vergleichen wie die Salonmaler mit den Expressionisten lediglich verbindet,nur weil die einen wie die anderen „Gemälde“ schufen. Zuviel kann auch zu wenig sein.

Service

Abbildung oben:

Die Ausstellung „Comics! Manga! Graphic Novels!“ in der Bundeskunsthalle, Bonn (Abb.: Simon Vogel. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH)

Ausstellung

„Comics! Manga! Graphic Novels!“
Bundeskunsthalle, Bonn
bis 10. September
Katalog: 32€

Eine weitere aktuelle Ausstellungsbesprechung zum Thema Comics wird in KUNST UND AUKTIONEN Nr. 15 am 22. September 2017 erscheinen

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