Ausstellungen

Strich in der Landschaft

Nach mehrjähriger Restaurierung zeigt die Kunsthalle Bremen erstmals rund 180 Zeichnungen des Goldenen Zeitalters aus der eigenen Sammlung

Von Radek Krolczyk
12.04.2018

In der Kunsthalle Bremen kann man derzeit eine ganze Menge darüber erfahren, wie sich wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Aufbruch in Farbe und Fläche übersetzen lässt. Die große Ausstellung zeigt mit 180 Arbeiten einen kleinen Ausschnitt der eigenen Bestände an niederländischen Meisterzeichnungen des „Goldenen Zeitalters“. Insgesamt 950 solcher Blätter befinden sich in der Sammlung, viele wurden bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erworben. Die Darstellungen von Schiffen, wie sie Hendrik Kobell in Rotterdam beobachtete, oder Alltagsszenen in Delft, wie sie bei Leonaert Bramer vorkommen, scheinen beliebt gewesen zu sein. Der aufkommende Überseehandel macht sich auf Zeichnungen wie diesen bemerkbar.

In vierjähriger Arbeit wurden die Blätter restauriert und gesichert, durch Wässerung von Flecken befreit und aus säurehaltigen Passepartouts gelöst. Diese Vorgänge sind in der Ausstellung gut dokumentiert. Gezeichnet wurde mit festen und verwässerten Materialien, mit Kalk und Schiefer ebenso wie der aus Eisensulfat und Galläpfeln gewonnenen Tinte. 

Im Gegensatz zu den Seestücken wirken die ausgestellten Interieurs oft unheimlich, finster und geradezu klaustrophobisch. Der aus Haarlem stammende Adriaen van Ostade zeigt im späten 17. Jahrhundert stets niedrige, vollgestopfte Hütten. Bei Jan Philipsz. van Bouckhorst und Cornelis Bega sieht man die Halböffentlichkeit der Haarlemer Gaststätten, die trotz entgrenzender Szenen wenig offen wirken: Betrunkene drängen sich, ein Mann versucht eine Frau zu küssen, jemand kotzt auf den Boden. Bei alldem hat man den Eindruck, es habe in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts an Platz und Licht gemangelt. Aus den Ölszenen von Meistermalern wie Rembrandt kennt man dieses Phänomen, doch auf seinen Werken dient die gemalte Dunkelheit der mystifizierenden Inszenierung. 

Etwas Utopisches vermitteln am ehesten die Zeichnungen von Josua de Grave oder des bereits erwähnten Kobell. Hier spürt man den Aufbruch in eine neue Welt. Die Flächen sind groß, die Farben geklärt. Der Seeweg führte die niederländische Gesellschaft nicht nur ökonomisch in andere Sphären, auch klimatisch und landschaftlich gab es viel zu entdecken, das weit über das flache Land hinausging. 

Service

Ausstellung

Kühles Licht und weite See: Niederländische Meisterzeichnungen und ihre Restaurierung,
Kunsthalle Bremen, bis 1. Juli

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