Ausstellungen

Meister von Licht und Schatten

Das Düsseldorfer Museum Kunstpalast zeigt ein großes Konvolut von Studien und Skizzen von Giovanni Battista Beinaschi

Von Angelika Storm-Rusche
24.09.2018

Immer mal wieder gelingt es Museen, in Ausstellungen mit unbekannten Superlativen aufzuwarten. Jüngstes Beispiel ist das „weltweit bedeutendste und größte Zeichnungskonvolut“ des Italieners Giovanni Battista Beinaschi (1634 – 1688) im Museum Kunstpalast Düsseldorf, das nun zum ersten Mal öffentlich gezeigt wird. Der Ausstellungstitel „Das Auge reist mit – G. B. Beinaschi zwischen Rom und Neapel“ lässt anklingen, dass der im Piemont geborene Künstler südwärts zog und zwischen den beiden Kunstmetropolen pendeln musste, um seine zahlreichen Aufträge zu erfüllen. Bisher weiß man recht wenig über die Biografie Beinaschis. Doch brachte er, als er 1651 – 17 Jahre jung – römischen Boden betrat, wohl schon einige Erfahrung mit, die er in der Accademia di San Luca vertiefen konnte.

Anfangs soll er für Privatleute gemalt, sich dann aber mit Aufträgen für Kirchen, Kapellen und Palästen einen Namen gemacht haben. Jedenfalls ist er bis heute vielerorts mit Ölgemälden und Fresken vertreten. Die von der Grafik-Expertin Sonja Brink ausgewählten rund 70 Zeichnungen erweisen sich zu weiten Teilen als flüchtige Skizzen, Figurenstudien oder Kompositionszeichnungen zu diesen prominenten Werken. Leider ist der Bestandskatalog aller 250 Düsseldorfer Blätter erst in einigen Monaten zu erwarten, der auch solche Zusammenhänge aufzeigen soll.

Einblicke in einen rasanten Werkprozess

Für die Ausstellung wurde die Bindung eines Skizzenbuchs gelöst, sodass nun sehr viele Blätter, gleichsam allererste Ideen des Künstlers, offen daliegen. Man sieht förmlich das Tempo, mit dem Beinaschi Figuren und ihre Bewegungen en detail getestet und wieder verworfen hat. Benutzt hat er einen schwarzen Stift, hier und da auch Rötel. Andere, weniger flüchtige Zeichnungen repräsentieren spätere Stadien seiner Werkprozesse, in denen er zu schwarzer Kreide und brauner Tinte gegriffen und Weißhöhungen mit Kreide oder Deckweiß gesetzt hat; Rötel bleibt letztlich die Ausnahme. Beispielsweise erprobte der Künstler den männlichen Akt mit schwellender Muskulatur und seinem durch heftige Schraffuren angedeuteten Umraum.

In zwei Studien näherte er sich dem Haupt eines „Reuigen Petrus“, variierte nicht nur den emotionalen Ausdruck des Apostels und seine Haartracht, sondern versuchte sich auch in einer den Kopf stützenden Hand und zugleich im Faltenspiel. Man kennt solche Versuche und insbesondere ganze Gewandstudien von sehr vielen Künstlern des 17. Jahrhunderts. Denn Gewänder prägen ganz wesentlich den barocken Figurenstil. Beinaschi aber lässt sich in der Zeichnung „Begegnung von Maria und Elisabeth“ kaum überbieten. Mit schwarzer und weiß höhender Kreide auf blauem Papier schwelgte er in gebauschten, gerafften und zu Boden fließenden Stoffmassen, die vor den Figuren fast ein Eigenleben führen. Auch tritt eine „Sitzende männliche Gestalt“ gänzlich hinter ihrem Gewand zurück.

Studien zeigen große Meisterschaft

Als Meister von Licht und Schatten zeigt sich der Zeichner in der „Allegorie der Reinheit“, wieder schwarze und weiße Kreide auf blauem Papier. Wunderbar leicht schweben vier Personifikationen über den Bildgrund; drei sind als „Nächstenliebe“, „Hoffnung“ und „Stärke“ bezeichnet, die vierte blieb namenlos. Beinaschi hat sie mit Feder und Pinsel in Braun als Ensemble skizziert. Wie vom Wind bewegt rauschen die Gewänder um ihre Körper. Die Allegorie der Stärke trägt mit ihrem Helm, der an Minerva erinnert, kriegerische Züge. Gedacht waren die vier Figuren für die Zwickel der neapolitanischen Kirche Santa Maria in Loreto. Sie sind also konsequent in Untersicht entworfen. Dies zeichnet auch eine „Weibliche Allegorie“ aus, doch nicht allein: Wie eine Signatur hat der Künstler ihr (s)eine den Pinsel haltende Hand zur Seite gesetzt – ein bildnerisches Aperçu. Allegorien und Heilige bevölkern Giovanni Battista Beinaschis Zeichnungen, wie sie im barocken Rom und Neapel allgegenwärtig waren. Hier wie da konnte er von den großen Meistern der Vergangenheit zehren. Es fällt jedoch auf, dass mythologische Themen in den Hintergrund geraten sind – und damit auch die Vorbildlichkeit der Antike, die an diesen Orten bekanntlich ebenfalls reichlich präsent war. Die Heiligen aber geraten mit ihren großen Gesten und himmelwärts gerichteten Blicken zum Inbegriff des barocken Pathos – geradezu beispielhaft auf dem Blatt „Hagar und Ismael erscheint der Engel in der Wüste“.

Mit Feder in Braun über schwarzer Kreide, braun laviert und mit Deckweiß gehöht, technisch ausgefeilt, könnte es fast autonom sein. Hochdramatische Züge nimmt das Geschehen der „Sintflut“ an, wo Mensch und Tier gegen die Elemente ankämpfen und doch dem Untergang geweiht sind. In jedem Fall beherrscht der Zeichner Beinaschi extreme Bewegungen und perspektivische Verkürzungen meisterhaft.

Überraschende Wendungen

Sein Stil war über die Jahre kaum Entwicklungen oder Schwankungen unterworfen. Vielleicht sind auch darum die Datierungen der Zeichnungen, wenn sie sich nicht mit einem Gemälde verbinden lassen, recht vage. Schließlich waren sie als Skizzen und Studien ohnehin nicht für die Öffentlichkeit gedacht, was sich mit einigen stattlichen Blättern klar beweisen lässt. Denn der Künstler hat sie recto und verso benutzt, doch nicht im üblichen Sinn. Er hat etwa auf die eine Seite die „Kreuzigung Christi“ und die drei Marien mit schwarzem Stift gezeichnet; eine Quadrierung in Rötel deutet auf einen konkreten Entwurf hin – und tatsächlich wurde die Bildidee in der Kirche San Bonaventura al Palatino in Rom umgesetzt. Auf der Rückseite desselben Blatts ist „Ein auf Wolken sitzender Prophet“ untergebracht – allerdings kopfüber! Giovanni Battista Beinaschi hat also sein Zeichenpapier nicht schlicht umgewendet, sondern senkrecht gedreht und damit, wie man heute sagen könnte, einen „Baselitz-Effekt“ erzielt.

Service

Ausstellung

Das Auge reist mit.
G. B. Beinaschi zwischen Rom und Neapel

Museum Kunstpalast Düsseldorf

bis 7. Oktober

Dieser Beitrag erschien in

Kunst und Auktionen Nr. 14/2018

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