Agit Pop im Osten – Kapitalistischer Realismus im Westen: Eine Ausstellung in Frankfurt (Oder) führt vor Augen, was Künstler in der DDR und der BRD zwischen 1960 und 1985 verband
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12.12.2018
Das Standbild eines vorbeiziehenden Soldatentrupps, fixiert im Flackerlicht eines alten Röhrenfernsehers. In der Mattscheibe klaffen zwei Einschusslöcher. Mit seiner schockierenden Auflagengrafik „TV-Bild“ protestierte der Künstler Klaus Staeck 1971 gegen jene Spießbürger, für die der Vietnam-Krieg nicht mehr als ein Spektakel im Wohnzimmerkino bedeutete. Staeck stammte ursprünglich aus Bitterfeld, war jedoch schon 1956, fünf Jahre vor dem Mauerbau, nach Heidelberg umgezogen. Dort hat er heute immer noch ein Atelier, von dem aus er das gesellschaftliche und politische Leben in Deutschland sorgsam beäugt und pointiert kommentiert.
Im selben Jahr als Staeck seine Vietnam-Krieg-Kritik formulierte, rebellierte jenseits des eisernen Vorhangs ein Künstler auf wesentlich stillere und subtilere Art. Willy Wolffs Gemälde „Erbenstillleben“ (1971) zeigt einen fast monochrom blauen Hintergrund, der mittig von zwei schmalen Streifen in Gelb und Lila getrennt wird sowie eine rote, liegende L-Form, die sich in den Vordergrund schiebt. In ihrer Knick drängeln sich die angekündigten Erbsen. Etwa zwei Dutzend, fein gemalt, in Grün. In Wolffs Gemälde kam man heute unschwer einerseits eine Hommage an die – in der DDR unterdrückte – Abstraktion amerikanischer Prägung erkennen. Und andererseits die Auflehnung gegen den allgemeinen Dumpfsinn des regimetreuen Lebens.
Wolffs malerische Verklausulierung eines gewöhnlichen Gemüse rückt ihn allerdings in die Nähe der Pop-Maler in Westdeutschland, die zu jener Zeit ebenfalls Alltagsphänome zu interessanten Bildmotiven erhoben, wie etwa Gerhard Richter bei seiner verwischt-fotorealistischen „Sekretärin“ im Jahr 1964 oder Richters Malerkumpel Konrad Lueg, der drei Jahre später aus roten, blauen und gelben Strichen auf der Leinwand ein „Geschirrtuch“ komponierte. Lueg war Ur-Düsseldorfer, Richter hingegen aus Dresden an den Rhein gekommen. All diese Künstler hatten eines gemeinsam: Den Pop, der scheinbar die Zonengrenze spielend überwand.
Genau das ist im Grunde auch schon die These der Ausstellung „Real Pop 1960–1985. Malerei und Grafik zwischen Agit Pop und Kapitalistischem Realismus“, die bis zum 17. Februar im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst in Frankfurt (Oder) zu sehen ist. In der kleinen aber beachtenswerten Ausstellung treten über 100 Werke aus zweieinhalb Jahrzehnten von rund 30 Künstlern aus der DDR und der BRD in einen spannenden Dialog. Frappierend illustriert er die Gemeinsamkeiten der Bilder, die unter so unterschiedlichen gesellschaftlichen Vorraussetzungen entstanden sind.
Nach der Wende hat die Kunstgeschichte des Westens ihren Siegeszug auch in den Museen Ostdeutschlands fortgesetzt. Für die meisten Betrachter dürfte es daher spannender sein, die Positionen aus der DDR zu entdecken, zumal diese vom SED-Regime seinerzeit kaum als ausstellungswürdig angesehen wurden. Hans Tichas gesichtslose „Klatscher“ (1983) mit ihren Zwergenköpfen und Riesenhänden gehören zu den deutlichsten Satiren, genauso Wasja Götzes „Die reizende Mauer“ in Rosa mit angelehnter Leiter – entstanden 1989, ein Jahr bevor die Mauer dann tatsächlich fiel. Kryptischer ist hingegen sein Gemälde „Hände weg vom Dompfaff“ (1970), aber dafür auch besonders schön poppig.
Den westdeutschen Künstlern – Konrad Klapheck, Sigmar Polke, Wolf Vostell – fällt eher die Rolle des kunsthistorischen Referenzrahmens zu. Lobend hervorheben muss man, dass auch ordentlich Raum für die sonst eher unterrepräsentierten Pop-Künstlerinnen wie Christa Dichgans oder Bettina von Arnim geschaffen ist. Von letzterer ist das politische Gemälde „… der Vater ist im Krieg“ von 1974 zu sehen – das in Farbgebung und Malstil ein bisschen an den DDR-Akademiekünstler Wolfgang Mattheuer erinnert. Auch das wäre ein Dialog, den man noch einmal führen könnte.
„Real Pop 1960–1985: Malerei und Grafik zwischen Agit Pop und Kapitalistischem Realismus“,
Brandenburgisches Museum für moderne Kunst, Frankfurt (Oder),
bis 17. Februar