Ausstellungen

Filetstücke für den Herzog Philippe II. d’Orléans

Zum 300. Jubiläum von New Orleans prunkt die Stadt mit Werken aus der berühmten Sammlung des Franzosen

Von Barbara Kutscher
06.12.2018

Ein beinahe unerklärliches Versäumnis kunsthistorischer Forschung findet sich nun ausgerechnet vom New Orleans Museum of Art, dem ältesten und besten enzyklopädischen Museum im Süden der USA, angepackt: Es nimmt endlich die Geschichte der legendären Sammlung von Philippe II. de Bourbon, duc d’Orléans, (1674–1723) unter die Lupe. Einst besaß dieser leidenschaftliche Sammler mehr als 500 Gemälde.

Die Stadt New Orleans feiert Jubiläum

Anlass der Schau ist der 300. Geburtstag der Stadt, die in der damaligen Kolonie Lousiana als „La Nouvelle-Orléans“ zu Ehren des Regenten im fernen Frankreich gegründet wurde. Das Jubiläum überzeugte sechsundzwanzig internationale Leihgeber zu einer kleinen, aber repräsentativen Schau von Weltrang.

Zwar sucht man unter den 40 Exponaten vergeblich das Porträt des Kaufmanns Georg Giese von Hans Holbein d. J., heute ein Magnet in der Berliner Gemäldegalerie. Auch keines der 25 Werke Tizians aus ehemaligem herzoglichen Besitz reiste an. Dafür kann man sich an der großen, muskulösen, den Amor entwaffnenden Venus (1570er-Jahre) vom damals hochgeschätzten Florentiner Alessandro Allori (Musée Fabre, Montpellier) sattsehen. Oder an Rembrandts Landschaft mit Mühle (1645–1648), die nur selten die National Gallery in Washington verlässt.

Die herzogliche Sammlung im Kontext ihrer Zeit

Philippe II. d’Orléans hatte seine Filetstücke ab 1715, zu Beginn seiner Regentschaft für den unmündigen Louis XV., erworben. Sie wurden oft aus bedeutenden Sammlungen angekauft, allen voran über 100 italienische Gemälde aus dem Nachlass der Königin Christina von Schweden, die im Prager Kunstraub aus der Sammlung Kaiser Rudolfs II. geplündert wurden.

„Als zutiefst intellektuell“ beschreibt die Kuratorin Vanessa Schmid das Engagement des Herzogs. Katalogbeiträge rekonstruieren die Hängung in seiner Residenz Palais Royal nach nationalen Schulen, damals eine ganz neue Idee, die nicht überraschend im „Poussin-Kabinett“ die Vorherrschaft französischer Kunst betont. Angeschafft wurde aber auch Malerei aus Bologna und Venedig. Der Herzog besaß mehr Tizians, Tintorettos und Veroneses als jeder andere Sammler. Und in der Wertschätzung holländischer und flämischer Kabinettbilder war er deutlich seiner Zeit voraus. Einige Kleinformate sind nun wieder vereint, oft Akte, die der als frivoler Libertin beschriebene Herzog in seinen privaten Räumen, Schauplatz berüchtigter Partys, „versteckte“. Harmlos wirkt dagegen einer der Stars der Schau, der „Geigenspieler“ (1653), ein Selbstporträt des Feinmalers Gerard Dou, aus den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein.

Ein wichtiger Beitrag zur kunsthistorischen Forschung

Schließlich wird auch auf die Zerschlagung und das Nachleben der Sammlung eingegangen: Als der Urenkel Louis Philippe ­Joseph d’Orléans in den 1790er-Jahren alle Werke in London zur Finanzierung seiner politischen Ambitionen verkaufen ließ, geriet die achtmonatige Vorbesichtigung zur ersten „Blockbuster“-Ausstellung. Sie regte Interesse an alten Meistern an und initiierte die Gründung öffentlicher Museen in England. Leider wird die Ausstellung nicht reisen. Aber der Katalog ist ein Fundament für weitere Forschung: Er aktualisiert im Appendix ein Inventar von 1727, zeichnet das Netzwerk des Herzogs nach, addiert Neuzuschreibungen und aktuelle Besitzer.

Service

Ausstellung

„The Orléans Collection“,
New Orleans Museum of Art,
bis 27. Januar

Dieser Beitrag erschien in

Weltkunst Nr. 151/2018

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