Die Keramikerin Marguerite Friedlaender und der Bildhauer Gerhard Marcks in Halle
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16.01.2019
Das 2019 anstehende Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ hat bereits im Vorfeld umfängliche Aktivitäten verschiedenster Art ausgelöst. Die Bauhaus-Standorte Weimar (1919 – 1925) und Dessau (1926 – 1932) mit ihren historischen Gebäuden – heute noch Lehr-, Lern- und Diskussionsorte von internationaler Anziehungskraft – können sich bereits jetzt mit großen neuen Museumsbauten schmücken. Berlin, der letzte Zufluchtsort des Bauhauses bis 1933, wird folgen. Darüber hinaus wollen fast alle Regionen, in die Bauhäusler je einen Fuß gesetzt haben, an dem Großereignis teilhaben. Bleibt abzuwarten, an welchen Orten es nicht nur um Hype, sondern um eine konsequente wissenschaftliche Aufarbeitung der Kunstschule geht, die schon zu ihrer Wirkungszeit ein Mythos war.
Bereits jetzt setzt eine Ausstellung, die in das Jubiläumsjahr hineinreicht, wissenschaftliche und ästhetische Maßstäbe. Sie findet allerdings an keinem der historischen Bauhaus-Standorte statt, sondern in Halle / Saale, in der Stadt also, deren künstlerische Lehranstalt – die heutige „Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle“ – etwa zur gleichen Zeit wie das Bauhaus mit ihrer Verbindung von Kunst, Handwerk und Formgebung neue Wege beschritt. Der Bildhauer Gerhard Marcks, der bis zur Auflösung des Staatlichen Bauhauses Weimar Formmeister der in Dornburg angesiedelten Keramikwerkstatt gewesen war, nahm im September 1925 eine umfängliche Professur an der „Burg“ an. Seine Schülerin Marguerite Friedlaender folgte ihm im November nach. Daher heißt die Ausstellung „Wir machen nach Halle. Marguerite Friedlaender. Gerhard Marcks“.
Der Projektleiter der Schau, Matthias Rataiczyk, Vorsitzender des Kunstvereins Talstrasse, hat zwei ausgesprochene Expertinnen für das Vorhaben gewinnen können: Katja Schneider, die über die „Burg“ promoviert hat und langjährige Direktorin der Stiftung Moritzburg in Halle war; und Renate Luckner-Bien, die an der Giebichensteiner Kunstschule nach ihrer Promotion 20 Jahre lang als Lehrende, Forscherin und Pressesprecherin gewirkt hat.
Diese geballte Kompetenz sowie eine konsequent sachlich-stringente Präsentation machen die Ausstellung zu einem Erlebnis. Rund 130 Exponate lassen die geistige und künstlerische Nähe der beiden Protagonisten lebendig werden. Denn es wird überzeugend vermittelt, dass sich ihre persönliche Verbundenheit auch in gemeinsamen Schaffensprinzipien manifestierte. Für beide war ein souveränes handwerkliches Können die selbstverständliche und unveräußerliche Basis für eine ausdrucksstarke künstlerische Gestaltung. Marguerite Friedlaender schuf auf dieser Grundlage Gefäße aus Ton und Porzellan. Bei Marcks dominierte die figürliche Plastik – doch schuf auch er Designprodukte: für „Schott Jena“ die Kaffeemaschine „Sintrax“ und eine kaum bekannte Teekanne; für die Königliche Porzellan Manufaktur Berlin (KPM) das Mokkaservice „Bagdad“, zudem zwei Schalenensembles.
Ein künstlerisch-geistiges Bindeglied zwischen den beiden Exponatgruppen bilden Marcks’ wunderbar einfühlsame Zeichnungen – unter ihnen zahlreiche Bilder von Marguerite Friedlaender, Studien für Plastiken, die auch die Psyche der Dargestellten zu erfassen scheinen. Es handelt sich hier also um weit über reine Bildhauerzeichnungen hinausreichende, eigenständige Kunstwerke. Friedlaender sollte später auf ähnliche Art zeichnen, ebenso ihr späterer Mann, der am Bauhaus ausgebildete Töpfer und Bildhauer Frans Wildenhain, der ab 1950 viele Jahre an der „School for American Craftsmen“ am „Institute of Technology“ in Rochester / New York unterrichtete.
Die beiden Kuratorinnen konnten aufgrund ihrer enormen Erfahrung und guten Beziehungen zu öffentlichen wie privaten Leihgebern eine erstaunliche Anzahl qualitätvoller Schöpfungen zusammentragen. Die frühen, vom Bauhaus geprägten Keramikgefäße Friedlaenders aus der Burg-Werkstatt sind größtenteils Erwerbungen des damaligen Leiters der Neuen Sammlung München, Günther Freiherr von Pechmann. Später, als Direktor der KPM, beauftragte er Friedlaender mit der Entwicklung der Porzellanserie „Hallesche Form“, die zu den Inkunabeln des „Funktionalen Designs“ im 20. Jahrhundert zählt. Sie wird in den verschiedenen Varianten gezeigt, darüber hinaus gibt es seltene Versuchsstücke.
Beeindruckend ist die Zahl der ausgestellten Marcks-Plastiken – von Porträtköpfen über Torsi bis hin zu Vollfiguren. Darunter befinden sich einige Arbeiten, die als verschollen oder gar verloren galten und noch nie öffentlich gezeigt wurden. In den Raumtexten und den großformatigen Fotos – ebenso im opulenten Katalog – schlägt sich die akribische Erschließung der einschlägigen Bild- und Schriftmaterials eindrucksvoll nieder. Die Messlatte für alle folgenden Ausstellungsprojekte liegt hoch.
„Wir machen nach Halle. Marguerite Friedlaender. Herhard Marcks“
Kunsthalle Talstrasse, Hallle
bis 24. Februar