Das neu gebaute Bauhaus-Museum und das wieder eröffnete Neue Museum laden nach Weimar ein
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26.06.2019
Fast auf den Tag genau 100 Jahre nach der Gründung des Weimarer Bauhauses wurde das seit 1995 geplante Bauhaus-Museum am 5. April feierlich der Öffentlichkeit übergeben. In den Jahren davor war das Projekt von heftigen Diskussionen über den Standort und die Architektur begleitet worden – aus meiner Sicht ist es allerdings rundum gelungen: Der hohe, lichtgraue, monolithische Kubus überragt die in greifbarer Nähe gelegenen, düster-pompösen Bauten des nationalsozialistischen Gauforums. Gleichzeitig korrespondiert er mit dem wenige Hundert Meter entfernten „Neuen Museum“ von 1869 und seiner vielgliedrigen, historisierenden Fassade. So entstand insgesamt eine Architektur von städtebaulicher Symbolkraft.
Symbolkraft besitzt auch das Innere: Sachlicher, strenger, nüchterner kann ein Museumsbau kaum sein – in ihm manifestieren sich die spartanischen, improvisierten Anfänge des Bauhauses. Das großzügige Foyer ist einfach, übersichtlich und zweckmäßig. Wie mittlerweile üblich, nimmt ein Museumsshop viel Raum ein – stört jedoch durch die Einordnung in einen größeren Gesamtzusammenhang nicht sonderlich. Die leichte und sensibel schwebende Raum-Decken-Installation des in Berlin lebenden Argentiniers Tomás Saraceno allerdings – so interessant sie auch ist – kann sich in dieser hohen lichten Halle kaum behaupten.
Die auf drei Ebenen präsentierten Ausstellungen erreicht man über eine steile, relativ schmale Treppe – oder natürlich per Fahrstuhl. Jede der großzügig ausgelegten, fensterlosen (und somit ausschließlich künstlich ausgeleuchteten) Flächen eröffnet den Blick in die Lufträume der jeweils anderen Zonen. Die gesamte Raumgestaltung ist durchzogen vom Prinzip schlichter Kargheit. Sie unterstützt die Konzentration auf die Hauptsache – die Exponate.
Es gibt einen geschossübergreifenden Erzählstrang. Er beginnt auf der untersten Ebene mit dem „Neuen Menschen“. Dieses Kernthema der Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg wurde auch am Bauhaus intensiv diskutiert, was sich ja auch im Programm – Kunst, Handwerk und Industrie zu vereinen – niederschlug. Die weiteren Ebenen behandeln dann die Themen „Neuer Alltag“, „Neues Wohnen“ sowie das wichtige Experimentierfeld der Bauhausbühne. Im obersten Geschoss wird schließlich gefragt: „Was bleibt?“ Diese Frage sollen allein die über das Bauhaus hinausführenden Projekte und Ideen seiner drei höchst unterschiedlichen Direktoren Walter Gropius, Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe beantworten – was etwas zu kurz gegriffen erscheint.
Der Grundstock der Exponate stammt aus der vom Bauhaus-Gründer Walter Gropius noch während seiner Amtszeit angelegten Sammlung, die er später dem Weimarer Museum übergab. Die einzelnen Themenbereiche werden im Wesentlichen klassisch präsentiert: mit Ausstellungsstücken in Vitrinen, auf Podesten, an den Wänden. Die Inkunabeln der neuen, auf die dynamisch veränderte industrielle Gesellschaft reagierenden Möbel, Metallarbeiten und Textilien sowie die „herrlichen Ungeheuer“ (Gerhard Marcks) aus der Keramischen Werkstatt der Exklave Dornburg erscheinen meist streng aufgereiht – das erinnert an ihre ursprüngliche Aufstellung zur großen Bauhaus-Ausstellung 1923. In der Sektion zur Bauhausbühne werden die fantasievollen Kostüme des Bauhauses mithilfe digitaler Technik in Bewegung versetzt.
Insgesamt atmet dieses Bauhaus-Museum den Geist der historischen Institution, für die es geschaffen wurde, trägt aber gleichzeitig auch heutigen Ansprüchen an ein modernes Museum Rechnung. Doch sicherlich wird dieses alles andere als elitäre Haus auch weiterhin für Diskussionen sorgen – aber was kann es für ein Museum besseres geben als einen lebendigen Disput …
Weniger gelungen (als vollmundig verkündet und vielfach kolportiert) erscheint mir das gleichfalls wieder eröffnete „Neue Museum“. Die Grundidee, die Stadt Weimar in dem zur Zeit der ersten künstlerisch-ästhetischen Reaktionen auf die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts entstandenen Museumsbau als deutschen Nukleus der Entwicklung darzustellen, ist plausibel – die Umsetzung ist es jedoch nicht. Denn das Thema wird hauptsächlich an Personen festgemacht: am Philosophen Friedrich Nietzsche und an seiner hoch umstrittenen Schwester, der Hitler-Verehrerin Elisabeth Förster-Nietzsche – wegen ihres 1901 vorgeschlagenen Programms zur Neugestaltung Weimars. Weiterhin an Harry Graf Kessler, dem Weltbürger, Kunstmäzen, Sammler und kurzzeitigem Direktor des Großherzoglichen Museums sowie am belgischen Universalkünstler Henry van de Velde. Letztere sollten dem Großherzog die Reformpläne schmackhaft machen und verwirklichen. Doch die Darstellung selbst ist dürftig.
Der Ausstellungsbeginn mit wenigen Exponaten des Historismus wirkt als Exposition eher zufällig, nicht beispielhaft. Der Sinn der zahlreich aufgetürmten Nietzsche-Plastiken erschließt sich ebenso wenig wie die Vitrine voller Totenmasken. Die Inszenierungen der genannten Protagonisten in düsteren Räumen mit Versatzstücken, Filmsequenzen und einer Stimme aus dem Off ist wenig aussagekräftig. Glanzpunkte bilden die skandalumwitterten Aquarelle Rodins sowie ausgesuchte kunsthandwerkliche Exponate (auch aus Thüringer Werkstätten) und prachtvolle Möbel. Sie alle tragen den Geist der frühen Moderne in sich. Ein großer, emotional bewegender und geistig aktivierender Wurf ist diese Dauerausstellung gegenwärtig jedoch noch nicht.
Zur Ehrenrettung des Projektes allerdings trägt im Untergeschoss die nahezu originale Werkstatt Otto Dorfners bei – des bedeutenden Buchbinders dieser Epoche, der sowohl für Harry Graf Kessler und Henry van de Velde als auch für das Bauhaus tätig war. Damit schließt sich dann doch ganz wie von selbst der Kreis.
„Das Bauhaus kommt aus Weimar“
Bauhaus-Museum
„Van de Velde, Nietzsche und die Moderne um 1900“
Neues Museum, Dauerausstellung