Die Kunstsammlungen Chemnitz zeigen Steffen Volmer, einen Künstler der Stadt. Zu entdecken ist ein toller Zeichner und Grafiker
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03.01.2020
Es geht um die Existenz. Wie sind die Bedingungen unseres Daseins? Wie wirkt die Welt auf uns ein, was nehmen wir überhaupt von ihr wahr? Warum gibt es uns Menschen eigentlich? Solche Fragen bauen sich unweigerlich auf, wenn man sich auf die Bilder von Steffen Volmer einlässt. Immer wieder hat man man das Gefühl, es gehe um nicht weniger als alles, um fundamentale Aspekte des Lebens, ja überhaupt der Schöpfung. Aber das ist nicht einschüchternd, im Gegenteil: Hat sich der Zugang zu diesem Werk erst einmal geöffnet, dann taucht man mit wachsender Lust in einen schier unerschöpflichen Bildkosmos ein. Es ist eine tiefgreifende Kunst mit vielen ästhetischen wie inhaltlichen Schichten, nichts ist hier oberflächlich. Und zugleich herrscht eine faszinierende Lässigkeit, wenn Volmer seine Virtuosität im Zeichnen, Malen und Experimentieren mit den grafischen Techniken ausspielt.
Um was es in seiner Bildwelt geht, ist nicht so leicht auf den Punkt zu bringen. Der Fundus ist schier unerschöpflich. Wir sehen Räume und Häuser, Landschaften, Pflanzen, banale Alltagsgegenstände und merkwürdige Geräte, molekulare Strukturen, rätselhafte biomorphe Gebilde – darin, dazwischen immer wieder der Mensch in Verstrickungen und Vernetzungen, über die man lange reflektieren kann. Mal ist eine Figur mit einem Stomnetz verdraht, mal von großen Nägeln fixiert oder in atomaren Laufbahnen gefangen. Manche Köpfe werden bombardiert von aggresiven Pflanzen oder Kugelstrukturen. Surreale Parallelwelten bauen sich auf, viele Bilder wirken wie erträumte Visionen. Oft zeigt er sich selbst in diesem Kosmos, in dem das Individuum den inneren wie äußeren Bedrängnissen ausgesetzt ist. Manche Bilder erinnern ein wenig an Neo Rauch, aber das trifft nicht den Kern von Volmers Werk, das in seiner grafischen Vielfalt und der eindringlichen, psychologischen Innenschau eine Welt von ganz eigenem Recht ist.
Zu sehen sind Werke der letzten zwanzig Jahre. Ein toller Zeichner und Grafiker ist hier zu erleben. Mit offenbar grenzenloser Lust lotet er die zeichnerischen Materialien aus, nutzt Chemigrafenlack ebenso wie Tee neben Tinte, Farbstift, Aquarell, Gouache und allem anderen, was es so gibt, oft in vielschichtiger Kombination. Auf jedem Blatt ist ästhetisch wie technisch viel zu entdecken. Die vielen Effekte sind gar nicht alle zu benennen. Besonders dicht, weil hier auch noch komplexe Textelemente hinzukommen, sind die Künstlerbücher. Vier von ihnen sind in der Ausstellung zu sehen. Damit die Besucher auch eine Anschauung vom reichen Innenleben der Unikate erhalten, hat Volmer in einem der Säle vier hohe Stellwände mit Reproduktionen der Buchseiten beklebt: skulpturale Bilderstelen, die ein ganz eigenes Seherlebnis bieten.
Für Insider der ostdeutschen Szene vor und nach dem Mauerfall war Volmer schon längst eine feste Größe. Es wird Zeit, dass sein spannendes Werk größere Aufmerksamkeit erhält. Die Chemnitzer Ausstellung wird dazu beitragen.
Steffen Volmer – Passion
Kunstsammlungen am Theaterplatz, Chemnitz
bis 3. Februar 2019