Die große Soloschau von Bernhard Martin bleibt wegen Corona erst einmal geschlossen. Bis zur Wiedereröffnung im Berliner Haus am Waldsee kann man in seinem jüngsten Katalog schwelgen und lernt den Maler im Interview mit Florian Illies verstehen
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08.04.2020
Im kaltblauen Licht des Ateliers gießt der Künstler schäumende Farben auf eine am Boden liegende Leinwand. „Elysian Fields“, ein Gemälde von 2017, trägt die Züge eines Selbstporträts – wenn man die eckige, schwarze Brille als Markenzeichen von Bernhard Martin erkennt. Das Gesicht selbst ist bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, ein Farbspektakel wie auf dem Bild, das gerade entsteht. Vom Kopf in die Malerei: Was Martin bewegt, bahnt sich seinen Weg ohne Umschweife. Tatsächlich beschäftigt ihn eine Menge.
„Seine Leidenschaft gilt der ungenierten Sicht auf das Obszöne und Verführerische der kommerziellen und medialen Bildkommunikation“ schreibt Katja Blomberg im Katalog zu Martins Ausstellung „Image Ballett“. Als Direktorin im Haus am Waldsee hat sie die Soloschau im März gerade noch eröffnen können und wegen Corona vorläufig wieder schließen müssen. Was man zu sehen bekäme, zeigt nun die Publikation zur Ausstellung: hauchzarte, am Kitsch vorbeischrammende Figuren wie auf dem Bild „Die Feder“ (2018) oder die surreale Szenerie von „Le Mot“ (2017), auf der zwei haarige Gestalten vor einem Haufen Mikrofone so viel Käse erzählen, dass er ihnen flüssig aus den Mündern in den Bart rinnt.
Kein Zweifel: Der Berliner Künstler, Jahrgang 1966, ist ein kritischer Geist, den das Oberflächliche ebenso fasziniert wie abstößt. Seinen Zwiespalt versteckt er hinter provokanten Motiven, auf denen Schönheit und Chaos visuelle Amok laufen. Den Kunsthistoriker und Bestsellerautor Florian Illies erinnern die delikat gemalte Bilder an „viel befahrene Kreuzungen“ einer Großstadt. „Von überall kommen Gedanken oder Themen wie Fahrzeuge angerauscht“, heißt es in seinem launigen Katalog-Interview mit Martin. Ein Essay des Philosophen Björn Vedder, in dem es um malerische Vorbilder von Hans Baldung Grien bis Roy Lichtenstein geht, ergänzt den Versuch, das unglaubliche Universum eines Künstlers zu ergründen, der wie in allen Jahrhunderten zuvor dem Publikum einen Spiegel vorhält.
Bernhard Martin: „Image Ballett“, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2020, 24 Euro.
Die Ausstellung eröffnet am 5. Mai unter Einschränkungen und läuft bis 5. Juli
Am 16.04. gibt es um 19.30 Uhr ein Live-Künstlergespräch zur aktuellen Ausstellung zwischen Katja Blomberg und Bernhard Martin. Die Anmeldung erfolgt per E-Mail über das Museumsportal Berlin