Die Architektur- und die Kunstbiennale von Venedig wurden wegen der Krise um ein Jahr verschoben. Was bedeutet das für die Stadt? Unsere Venedig-Korrespondentin Petra Schaefer hat Stimmen aus der bedrohten Kulturmetropole eingefangen
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20.05.2020
In der Kunstmetropole Venedig herrscht weiterhin Stillstand, obwohl nach dem wochenlangen Lockdown in Italien wegen Covid-19 erste Lockerungen erfolgt sind. Auf der Riva degli Schiavoni unweit des Markusplatzes sind die Grand Hotels geschlossen, und die wenigen Restaurants, die eingedeckt haben, sind menschenleer. Aufgrund der strengen Einreisebeschränkungen und der Quarantäne-Auflagen kommen nur Tagesbesucher aus dem Umland, die zu wenig Umsatz garantieren, sodass auch viele Museen und Galerien erst ab Juni wieder schrittweise öffnen werden. In der Lagunenstadt, die nach dem Extrem-Hochwasser im letzten November bereits große finanzielle Verluste erlitten hat, lag die Hoffnung auf der zweiten Jahreshälfte. Diese versprach mit dem Filmfestival und der Eröffnung der Architekturbiennale eine Rückkehr zum florierenden Geschäft mit zahlreichen Besuchern. Umso lauter ist nun der Protest, dass die Architekturbiennale auf 2021 und die noch wichtigere Kunstbiennale auf 2022 verlegt wurden.
Die Biennale-Stadt ohne Biennale, wie kann das gehen? Während die Organisatoren, Kuratoren und Ländervertreter aufatmen und den längeren Vorbereitungsphasen positiv entgegensehen, ist die Enttäuschung in der Stadt groß. Nicht nur die Kulturschaffenden blicken besorgt in die Zukunft, sondern auch die Zulieferer und Dienstleister. „Die Biennale ist ein wichtiger Motor für den Aufschwung“, erklärt Tourismusdezernentin Paola Mar gegenüber WELTKUNST. Und der Direktor der Architekturbiennale Hashim Sarkis beeilt sich, darauf hinzuweisen, dass schon vor 2021 einzelne Räume in den Giardini und im Arsenale für das Publikum geöffnet werden: „Das Thema der Architekturbiennale, How we will live together, bietet uns die Möglichkeit, direkt auf die Pandemie zu reagieren. Deshalb organisieren wir in den kommenden Monaten eine Reihe von Aktivitäten zur Architektur.“ Zudem wollen viele Museen, Stiftungen, Ausstellungsräume und Galerien ihr Parallelprogramm weiterhin durchführen. So plant der von der TBA21-Academy geleitete Ocean Space Ende August in der Kirche San Lorenzo die Ausstellung „Territorial Agency: Oceans in Transformation“. Die Macher haben zudem seit Beginn der Covid-Krise ein facettenreiches Online-Programm auf die Beine gestellt, das Venezianer und auswärtiges Publikum gleichermaßen aufruft, zur Zukunft der Lagunenstadt Stellung zu beziehen.
Der Erfolg der Online-Initiative des Ocean Space zeigt, wie groß das Bedürfnis ist, die Krise als Chance zu begreifen und strukturell etwas in der Stadt zu ändern, die bis vor kurzem unter einem jährlichen 30-Millionen-Besucherandrang ächzte. Für die Stadt und ihre Bewohner werden in den kommenden Monaten wichtige Weichen gestellt, bevor das Gewohnte wieder seinen Lauf nimmt. Der italienische Schriftsteller Paolo Giordano mahnt zu recht davor, dass „jede flüchtige Einsicht im Nu verfliegen wird, wie das bei Krankheiten immer ist“.
Eine zeithistorische Dimension weist die Direktorin der Kunstbiennale 2022 Cecilia Alemani auf, wenn sie daran erinnert, dass die Venedig-Biennale nicht nur den Zweiten Weltkrieg, sondern auch unzählige internationale Krisen überdauert hat: „Im Jahr 2022 wird die Kunstbiennale zwei Tage vor dem Tag eröffnen, an dem wir in Italien dem Ende des Zweiten Weltkriegs gedenken. Ich hoffe, dass dieser Anlass eine neue Feier der Zusammengehörigkeit, einen neuen Sinn für die Partizipation und für die Gemeinschaft markieren wird, nach dem wir uns alle sehr sehnen.“