Die schönsten Kunstausstellungen im September: Die Museen bieten zum Herbstbeginn spannende Einblicke in die Sammlung der Burda-Brüder, führen in die Welt impressionistischer Skulpturen und erinnern an die Fotoszene um 1980
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01.09.2020
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 175
Eine wunderbar sinnliche und dabei doch sehr lehrreiche Ausstellung hat das Städel Museum zum Impressionismus in der Skulptur organisiert. Wie bitte, Impressionismus? Wie kommt man von den Prinzipien dieses Stils, von Licht, Farbe und flimmernder Flüchtigkeit zur Bildhauerei? Hier entspinnen sich Dialoge zwischen Edgar Degas’ Tänzerinnen in Bronze und Pastell, dort blickt ein elegantes Damenbildnis des großen Gesellschaftsmalers John Singer Sargent auf eine herrlich locker aufgebauschte Plastik, „Mutter und Kind“, von Paolo Troubetzkoy. Auch an Rembrandt Bugattis bronzenen Ziegen vor Landschaften von Giovanni Segantini kann man sich kaum sattsehen. Der Radikalste von ihnen allen war Medardo Rosso, der unter anderem „La Portinaia“ (1883/84) in Wachs über Gips modellierte.
Was war zuerst – die Landschaft oder der Künstler, der sie entdeckte? Schließlich verband das Auge des Malers den Fluss, die Berge, den Wald und die Häuser zum harmonischen Ganzen und weckte so erst das Bewusstsein für die Schönheit dieser Gegend, die es 2000 sogar zum Welterbe brachte. Als künstlerisch wertvoll entdeckt wurde die Wachau – das Flusstal zwischen Melk und Krems an der Donau – im späten 18. Jahrhundert. 800 Werke von 80 Künstlerinnen und Künstlern verdeutlichen in der neuen Dauerschau, wie sich das Bild der Idylle über die Zeit verfestigte. Vor allem Romantiker wie Heinrich Tomec entpuppten sich mit Bildern wie „Sommertag bei Dürnstein“ (1889) als Lockvögel für spätere Generationen.
Merkwürdig uneindeutig waren die Jahre um 1980: In Stuttgart begrub man RAF-Terroristen, und in Berlin posierten Punkerinnen mit Lederjacken in Discotoiletten. Dazwischen parkte man Wohnwagen in Vorgärten oder tauchte mit Freunden ab (Hans Christian Adams Foto „Unterwasser-Gruppenportrait“ aus der Serie „Schwimmer“, Vigaun bei Hallein, Salzburg, 1985). Die Verklammerung all dieser Eindrücke bot Wolfgang Schulz, der in „FOTOGRAFIE. Zeitschrift für internationale Fotokunst“ die Bilder seiner Fotografenkollegen publizierte. Ihm ist diese Schau gewidmet.
Auf der viel beleuchteten Bühne der Goldenen Zwanziger entdeckt das Kunsthaus Zürich in den Nischen Überraschungen. Zum Beispiel das Spätwerk „La poudreuse“ (1921) von Félix Vallotton. Der Postimpressionist wird hier luszid-neusachlich, wenn er eine junge Kosmopolitin, die ein buntes Reformkleid trägt, beim Schminken zeigt. Bemerkenswert sind ebenso die surreal wirkende „Klassische Architektur 2“ (1927) von Xanti Schawinsky oder Ernest Neuschuls „Takka-Takka tanzt“ (1926) – ein Bild, das Neuschuls erste Frau in fünf verschiedenen Posen verewigt. Klar haben zudem die üblichen Verdächtigen der Epoche (Schad, Höch, Moholy-Nagy) ihren Auftritt.
Drei Fälle von schwerer Kunstleidenschaft: Die Liebe zu schönen Bildern teilte der im vergangenen Sommer verstorbene Sammler Frieder Burda mit seinem älteren Bruder Franz und seinem jüngeren Bruder Hubert (dem Medienzar). Diese Ausstellung beschränkt sich nun auf den Beginn der familiären Sammlung, deren Grundstein von den Eltern gelegt wurde. Es war die Zeit, bevor sich die Geschmäcker der Geschwister ausdifferenzierten. Der Expressionismus war der gemeinsame Nenner. So ist ein wunderbares Zoobild von Macke zu sehen, eine kleine Straßenszene von Kirchner aus dem Jahr 1926 oder Gabriele Münters gemalte „Bootsfahrt mit Kandinsky“, anno 1909. Als weiterer Lieblingsmaler der Brüder ist Max Beckmann mit einigen Bildern vertreten, darunter die dynamische „Nordsee III“ (1937).
Die Eroberung des Himmels begann in China sehr früh. Schon vor rund 2500 Jahren stiegen dort Drachen aus Seide in die Luft. Teilweise wurden damit Beobachter für militärische Zwecke oder im Dienste der Landvermessung in die nötigen Höhen gehoben, häufig nutzte man die Drachen auch als Signal über lange Distanzen. Im 6. Jahrhundert kam erstmals Papier als Material beim Drachenbau zum Einsatz. Heute ist das Drachenfliegen in China sowohl beliebtes Freizeitvergnügen als auch Teil religiöser Zeremonien. Die Schau zeigt kunstvolle Papierdrachen, die in der Region Weifang entstanden, aus der Privatsammlung Scheps/Glöckner sowie aus dem Besitz des Leipziger Grassi Museums.