In diesem Winter strahlt Venedig im Glanze goldener Pixel. Der Weihnachtsbaum des Lichtkünstlers Fabrizio Plessi auf dem Markusplatz bietet ein Kunstspektakel außerhalb der weiterhin geschlossen Museen
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09.12.2020
Während die Welt staunt, dass der Markusplatz in Venedig in diesem Winter nicht vom Hochwasser geflutet wird, wenn die mobile Deichanlage MOSE die Lagune vom Meer trennt, installiert der Medienkünstler Fabrizio Plessi in dem historischen Ensemble großformatige LED-Screens mit goldenen Wasserströmen. Seine Installation „L’età d’oro“ (das goldene Zeitalter) in den Fenstern des Correr-Museums an der Stirnseite des historischen Ensembles läuft seit September und wurde nun bis zum 6. Januar verlängert.
Was von dem städtischen Museum zunächst als Beiwerk zu der großartigen Sammlung venezianischer Malerei und Bildhauerei vom ausgehenden Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert gedacht war, ist nun zu einem Fanal geworden. Denn pandemiebedingt sind bis auf weiteres die Museen geschlossen, und so kommt es, dass nur noch Plessis goldene Pixel die Piazza beleben und ungehindert mit den gegenüberliegenden goldenen Mosaiken des Markusdomes in Dialog treten. Und weil die Venezianer nun unter sich sind, war das möglich, was der Künstler, der dieses Jahr 80 Jahre alt wurde, ironisch eine „Plessata“ nennt: Er kann zur Weihnachtszeit zusätzlich die Piazzetta, den kleinen Platz zwischen dem Dogenpalast und der Markusbibliothek, bespielen und die Beleuchtung unter den Arkaden gestalten.
„Mehr geht nicht!“ sagt Plessi und schaut nicht ohne Stolz an dem zehn Meter hohen Stahlgerüst hoch, das seine ortsspezifische Installation trägt. Seine Lichtskulptur besteht aus 80 LED-Screens der jüngsten Generation („Die sind brandneu, die hat man in Europa noch nicht gesehen“), die so angebracht sind, dass sie die Form eines Weihnachtsbaumes evozieren. Die enorme Konstruktion, die auf einem tonnenschweren Fundament ruht, wirkt zwischen den berühmten Säulen von San Marco und San Todaro verschwindend klein.
Die Grandezza der umliegenden Bauten macht es der zeitgenössischen Intervention nicht leicht, und Plessi weiß um die historische Dimension des Ortes, der zu Zeiten der venezianischen Republik das Tor der Stadt war, an dem die Dogen über Jahrhunderte ihre Staatsgäste empfingen, die mit Schiffen anlegten. „Hier kreuzten sich die Kulturen“, so Plessi, der das kulturübergreifende Miteinander in seiner Arbeit zum Ausdruck bringen will.
Zum ersten Mal hat der Medienkünstler, der seit Jahrzehnten mit fließenden Elementen arbeitet, jedem Wasserstrom eine eigene Richtung gegeben, um eine neue Energie zu schaffen. „Frieden, Licht und Optimismus“ ist Plessis Wunsch für seine Stadt, die wie ausgestorben ist. Dass Plessi in dieser schweren finanziellen und soziokulturellen Krise ausgerechnet mit goldenem Licht arbeitet, lässt an Georg Trakl denken, der 1913 in einem Gedicht hoffnungsvoll von dem „Letzten Gold verfallener Sterne“ schrieb. Denn Venedig wird auch nach der Pandemie wieder ein Besuchermagnet sein und kann sich in diesem erzwungenen Winterschlaf etwas erholen.
Den Venezianern, die sich mit dem zeitgenössischen Akzent auf dem Markusplatz, dem schönsten „Salotto“ (Wohnzimmer) der Welt, nicht anfreunden können und protestieren, weil sie zu Weihnachten lieber einen klassischen Tannenbaum hätten, bleibt nur ein Ausflug nach Mestre auf die Piazza Ferretto. Diese ist zu den Festtagen wie jede andere Stadt auf dem Festland klassisch geschmückt.