Wir blicken auf die zweite Jahreshälfte in den Museen: Dies sind die Kunstausstellungen von Oktober bis Dezember 2021, auf die wir uns besonders freuen
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06.01.2021
Multitasking muss man als Mutter leider können – das hat schon Tizian gewusst. In seiner „Kirschenmadonna“ drängeln gleichzeitig das Christuskind und der Johannesknabe um Marias Aufmerksamkeit und drücken ihr Früchte in die Hand. Romantischer fantasierte der venezianische Renaissancemaler dagegen vom Liebesspiel zwischen Nymphe und Schäfer. „Tizians Frauenbild“ wird vom 5.10. bis 16.1.2022 im Kunsthistorischen Museum Wien gründlich untersucht.
Francisco José de Goya y Lucientes blickte relativ nüchtern auf die Damenwelt. Denn seine Figuren verkörpern stets auch ihren gesellschaftlichen Status – sei es im stolzen Porträt der Herzogin von Alba oder in der kalkulierten Verführungsgeste der „Bekleideten Maja“. Mit diesen und weiteren wertvollen Leihgaben ist die Überblicksausstellung „Goya“ vom 10.10. bis 23.1.2022 in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel aufs Prachtvollste bestückt.
In seinen modernen Triptychen zeigte Max Beckmann Mann und Frau aneinander gefesselt. Eine recht pessimistische Sicht, deren Ursprung man vielleicht im Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum vom 28.10. bis 12.2.2022 auf die Spur kommen kann, wenn es in „Max wird Beckmann“ um die Jugendjahre des Malers geht.
Im Wettkampf der schönsten Stimmen bekäme Janet Cardiff den Titel der Miss World: Aus Lautsprechern schweben ihre Worte wie freundliche Geister durch Räume, die sie mit ihrem Mann George Bures Miller baut. Anlässlich der Verleihung des Wilhelm-Lehmbruck-Preises an das Künstlerpaar zeigt das Lehmbruck Museum in Duisburg bis 11.4. die Arbeit „The Poetry Machine“ – und legt vom 20.11. bis 3.4.2022 noch mal mit einem großen, zauberhaften Ausstellungserlebnis nach.
Das Mündliche scheint für Shirin Neshat weniger wichtig als das Schriftliche: Über ihre Porträtfotografien legt die Iranerin häufig persische Kalligrafie wie einen Kommentar. So auch in ihrer neuesten Serie „Land of Dreams“ über benachteiligte Minderheiten in den USA, welche die Pinakothek der Moderne in München vom 26.11. bis 24.4.2022 zeigt.
Wie ganze moralische Traktate kann man die gesellschaftskritischen Gemälde von William Hogarth aus dem 18. Jahrhundert lesen. Die Tate Britain in London hängt vom 3.11. bis 20.3.2022 in „Hogarth and Europe“ den Engländer neben die zeitgleich malenden Volksaufklärer des Kontinents.
Mit vorbildlicher Kühle hegte Josef Hoffmann kurz nach 1900 die österreichische Ornamentwut ein: Strenge Muster aus Vierecken oder parallelen Linien dominieren in den Entwürfen des Architekten und Gestalters, wie etwa beim Sanatorium Purkersdorf. Ob Möbel oder Schmuck – Hoffmann sah die Moderne als Gesamtkunstwerk wie das Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) vom 15.12. bis 19.6.2022 beweist.
Die Bilder von Sarah Morris hätte sich Hoffmann sicher auch in die Wohnung gehängt. Die geometrischen Formen in den Werken der Engländerin basieren häufig auf Betrachtungen von Gebäuden in Weltstädten wie New York, Abu Dhabi oder Peking. Ihre Recherchen an diesen Orten fließen zudem in künstlerische Dokumentarfilme ein. Vom 10.12. bis 3.4.2022 zeigen die Hamburger Deichtorhallen 50 Gemälde und neun Filme.
Eine Metropole, die sich nicht in ein Raster zwängen lässt, ist Kalkutta. Das bunte Chaos in den Straßen hielt Raghubir Singh Mitte der 80er-Jahre in Fotografien fest,
die das Museum Ludwig in Köln vom 10.12. bis 27.3.2022 in der Schau „Kolkata“ präsentiert. Singh gilt als ein Pionier der künstlerischen Farbfotografie – hier sieht man, warum!