Die Galerien König und Nagel Draxler greifen den NFT-Hype auf und präsentieren digitale Kunstwerke im virtuellen Raum. In einer Auktion kann man die Kunst nun in Kryptowährung ersteigern
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26.03.2021
„The Artist is Online“ heißt die aktuelle Ausstellung der Berliner König Galerie. Unwillkürlich fällt einem dazu die MoMA-Performance von Marina Abramović ein, die 2010 wochenlang im Museum auf einem Stuhl saß. „The Artist is Present“ stand am Wendepunkt einer Zeit, in der das Virtuelle immer realer geworden ist – weshalb hier noch einmal demonstrativ den Körper ins Zentrum der Wahrnehmung rückte. Vollzieht man in Berlin nun den endgültigen Drift ins Digitale?
Es liegt nahe, zumal Johann König und Anika Meier, die die Ausstellung gemeinsam kuratiert haben, seit Wochen die Plattform Clubhouse mit Talks über Digitalkunst fluten. Anlass sind die sogenannten NFTs, Non-Fungible Token, dank derer Dateien zu fälschungssicheren Unikaten werden. Mit NFTs lässt sich gerade sehr viel Geld verdienen: Mehr als 69 Millionen Dollar in der digitalen Währung Ether spielte jüngst eine Collage von Mike Winkelmann alias Beeple auf einer Auktion bei Christie’s ein. Ein Coup, perfekt choreografiert, um das Werk aus Pixeln zu einem der teuersten Bilder eines lebenden Künstlers zu machen – auch wenn „Everydays. The first 5000 Days“ mehr wie eine Fleißarbeit wirkt, collagiert aus vielfach banalen Minimotiven.
Doch wie war das, als Jeff Koons – zu dem Beeple nun aufrückt – 1990 seine monumentale Fotoserie „Made in Heaven“ lancierte? Damals ging es um das Verhältnis von Kunst und Medien, Koons antwortete mit kitschigen, pornografischen Szenen, die längst museal sind. Was die internetaffine Community heute an NFTs ersteigert, orientiert sich an den ihr vertrauten digitalen Ästhetiken: an Spielen, Emojis, Netzwelten. Ein bisschen fürchtete man also die Ausweitung der Beeple-Zone in der aktuellen Ausstellung der Berliner König Galerie und ein rein digitales Ereignis. Doch es kommt anders.
Erstens hängen in der Kirche St. Agnes, wo König seit 2015 ansässig ist, ganz reale Bilder. Von Oli Epp, Janka Zöller, Fabian Treiber, Ai-Da, Aaron Scheer, Hannah Sophie Dunkelberg, Manuel Rossner oder Grit Richter. Was der Titel der Schau meint: Die hier vertretenen KünstlerInnen sind mit dem Internet aufgewachsen, ihre Sujets speisen sich daraus. Die Preise für die Arbeiten stehen fest, einige sind bereits verkauft. Parallel findet eine zweite Schau mit demselben Titel findet auf Decentraland statt: eine virtuelle Ebene mit einem Nachbau der Kirche und Kunst in Form von NFTs, die man sich mithilfe eines Avatars anschauen kann. Ein Teil der KünstlerInnen taucht hier wie dort auf.
Das Kriterium für die doppelte Teilnahme sieht Anika Meier dort, wo die Kunst direkt im digitalen Raum entstanden ist. Die abstrakten Oberflächen von Aaron Scheer oder die liquiden Kalligrafien eines Manuel Rossner kommen aus dieser virtuellen Welt und werden für die Offline-Version materialisiert. Ebenso wie die Datei von Ry David Bradley: Sein kubistisches Porträt wurde für die reale Ausstellung in Stoff gewebt, für Decentraland bleibt es beim NFT. Sie werden im Netz versteigert, natürlich in der Kryptowährung Ether, da passt sich die Galerie den Gepflogenheiten im Netz an.
Ende April wird Kenny Schachter für die Kölner Galerie Nagel Draxler ebenfalls eine NFT-Ausstellung kuratieren. Der amerikanische Kunstkritiker beobachtet den Hype seit Längerem und war bislang der Ansicht, NFT-Kunst reiche selten über das Niveau von Airbrush-Bildern für Autos hinaus. Dass er nun mitmacht, lässt klar werden, wie sehr die Pioniere inzwischen auf das neue Medium setzen. „Das Internet geht nicht weg“, sagt Anika Meier, und mit ihm etabliert sich eine digitale Kunst – so oder so. Wie sie aussehen kann, welche Vielfalt und Qualität jenseits der Beeple-Mania herrscht, wollen Galerien, Kuratoren und KünstlerInnen künftig mit definieren. Bei König und Nagel Draxler fängt man schon einmal an.
„The Artist is Online“, König Galerie, Berlin
sowie in Decentraland und via König-App
bis 18. April
Auktion ab 26. März online
„Breadcrumbs“, Galerie Nagel Draxler, Köln
vom 23. April bis 6. Mai