Eine Ausstellung im Zürcher Rietberg Museum präsentiert die Felsbilder der Frobenius-Expeditionen – und ihren Einfluss auf die Kunst der Moderne
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23.06.2021
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 186
Sehr schade, dass es die Farbfotografie noch nicht gab, als Leo Frobenius zur Sicherung prähistorischer Felsbilder durch die libysche Wüste fuhr. Fast ein Dutzend signalrote Kraftfahrzeuge hatte ihm der Autobauer Ford spendiert. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, denn natürlich wirbt Ford für sich, wenn das eigene Produkt extremer Sonne und Sand zu trotzen vermag. Auf den schwarz-weißen Bilddokumenten jener Zeit wirken die Autos der Expedition nun genau so dunkel wie all die übrigen Straßenkreuzer des frühen 20. Jahrhunderts. Dabei war diese Karawane tatsächlich etwas Besonderes.
Die Ausstellung „Kunst der Vorzeit – Felsbilder der Frobenius-Expeditionen“ im Museum Rietberg in Zürich spürt dem Projekt des Gelehrten akribisch nach. Vor fünf Jahren wurde sie erstmals gezeigt und seitdem mehrfach den neuen Anforderungen der Rezeption angepasst. So stehen, erklärt Kurator Richard Kuba, die Biografien jener Frauen, die Frobenius auf seinen Forschungsreisen begleiteten, nun mehr im Mittelpunkt. Ein eigenes Kapitel widmet sich Künstlerinnen wie Agnes Susanne Schulz oder Elisabeth Charlotte Pauli, beides Töchter aus wohlhabenden Offiziersfamilien. Das spielte eine Rolle, weil der Forscher gern Mitarbeiterinnen rekrutierte, die sich das Reisen leisten konnten. Für sie zählte die Lust am Abenteuer in den kolonialen Gebieten der Europäer, während Frobenius stets auf der Suche nach Geldgebern war und nach dem Abgang seines Gönners Wilhelm II. auch mit den Nazis paktierte, bevor er 1938 starb. Sein Archiv hatte der gebürtige Berliner da längst an die Stadt Frankfurt verkauft, wo das Frobenius-Institut bis heute als Forschungsstätte besteht.
Aus dessen Depots kommen die großartigen Abmalungen von Urbildern mit Menschen, Tieren und mythischen Gestalten. Frobenius brachte die Leinwandrollen aus Namibia, Südafrika, dem Westsudan oder Neuguinea mit. Ein Teil der originalen Felsbilder ist heute nicht mehr erhalten, sie wurden zerstört, vom Regen ausgewaschen oder unsachgemäß restauriert, sodass die zarten, in vielen Farbschichten entstandenen Nachzeichnungen die einzigen überlieferten Abbilder sind.
Das Problem: Mit der Übertragung der Motive durch die beteiligten Künstlerinnen manifestiert sich eine individuelle Handschrift. Nach der Einführung der dokumentarischen Farbfotografie wusste man seitens der Wissenschaft nichts mehr mit ihnen anzufangen. Sie lagerten unbeachtet, sollten sogar weg – bis man bei der Sichtung ihre Qualitäten als Nachschöpfungen erkannte.
Erneut, muss man sagen. Frobenius schickte die Leinwände damals nach Berlin, Oslo und Brüssel, die Ausstellungen inspirierten Künstler wie Ernst Ludwig Kirchner oder Paul Klee. 1937 wagte der Gründer des Museum of Modern Art in New York, Alfred Barr, eine Gegenüberstellung mit zeitgenössischer amerikanischer Malerei. Die Schau rekonstruiert auch diesen Teil der Geschichte und zeigt, dass die Felsbilder zwar nicht im Detail zu entschlüsseln, ihre zeichenhaften Botschaften aber dennoch universal verständlich sind.
»Kunst der Vorzeit – Felsbilder der Frobenius-Expeditionen«,
Museum Rietberg, Zürich,
bis 11. Juli 2021